Öko-Strom und Bio-Gemüse aus einer Hand

Öko-Strom und Bio-Gemüse aus einer Hand

Auf dem eigenen Hof oder Acker Ökostrom produzieren – das bringt für Bio-Höfe einen wirtschaftlichen und ökologischen Gewinn. Vor allem dann, wenn es gelingt, die Stromproduktion mit der Landwirtschaft zu koppeln. Einige Bio-Höfe gehen hier mit gutem Beispiel voran.

Unten Obst oder Gemüse anbauen oder Hühner halten und oben Solarenergie gewinnen – damit können Bio-Höfe zur Energiewende beitragen – und selbst unabhängiger von fossilen Brennstoffen werden. Wer auf seinen Ackerflächen Solarstrom erzeugt, kann die Photovoltaik in die landwirtschaftliche Produktion integrieren. Agri-Photovoltaik (PV) heißt dieser Trend.

Das Zusammenspiel von Ackerbau und Energieernte entschärft die zunehmende Flächenkonkurrenz und die Landnutzungskonflikte zwischen Landwirtschaft und Energieproduktion. Denn wenn unter Solarparks Obst oder Gemüse wächst oder Tiere weiden, gehen keine fruchtbaren Flächen für die Nahrungsmittelproduktion verloren. Damit dies gelingt, werden die Solarmodule auf einem Gestell montiert. Unter den bis zu sechs Meter hohen Konstruktionen lässt sich der Boden weiterhin problemlos beackern.

Schutz vor Qualitätsverlusten

Außerdem schützen die Solarpaneele Obst und Gemüse vor Schäden durch Hagelschauer, Starkregen oder eine intensive Sonneneinstrahlung. Besonders sensibel reagieren etwa Johannisbeeren, Äpfel oder Tomaten auf Wetterextreme und zu viel Nässe oder Sonne. Als Schutz installieren viele Betriebe deshalb großflächig Netze oder Folien über den Gemüsekulturen oder Obstbäumen. Solarmodule machen diese Abdeckung überflüssig und spenden zudem Schatten. Dadurch trocknen Böden und Pflanzen in Hitzeperioden weniger schnell aus. Weitere Pluspunkte: Über das Solardach lässt sich Regenwasser für eine spätere Bewässerung auffangen. Die Blätter von Salat, Mangold oder Spinat bleiben unter den Modulen trockener, was das Risiko für Pilzerkrankungen senkt.

Auch Winzerinnen und Winzer können von Agri-PV profitieren: Da Weinreben vielerorts immer mehr Sonne und Hitze abbekommen, werden die Trauben immer süßer. Reichlich Zucker bedeutet viel Alkohol im Wein. Beides kann die Weinqualität mindern. In französischen Weinbergen wurde der Einsatz von Agri-PV-Anlagen bereits erfolgreich getestet.

Forschung treibt Agri-PV voran

Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) sieht großes Potenzial in der Agri-PV: Rund vier Prozent der deutschen Agrarflächen würden ausreichen, um mit darauf aufgeständerten Modulen den aktuellen Strombedarf in Deutschland zu decken, haben die Solarforscherinnen und -forscher berechnet. Das Freiburger Institut testet bereits seit mehreren Jahren Agri-PV-Anlagen in der Praxis und kooperiert dabei eng mit landwirtschaftlichen Forschungseinrichtungen. Auf dem Gelände der Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach in Linzgau am Bodensee haben die Freiburger Solarenergiefachleute eine Pionieranlage für Anbauversuche installiert.

Nah dran an der Praxis

Agri-PV passt ideal zum nachhaltigen Energiekonzept des Demeter-Hofes. "Unser Grundanliegen ist ein konkreter und praktischer Beitrag zur Energiewende. Wir haben uns auf den Weg gemacht zu einer eigenen, umweltfreundlichen und ressourcenschonenden Erzeugung von Energie", heißt es auf deren Internetseite. Vor gut 15 Jahren wurden zunächst die Dächer des Hofgebäudes mit mehreren PV-Anlagen bestückt. 2016 kam die 2500 Quadratmeter große Forschungsanlage mit einer Spitzenleistung von 194 Kilowatt hinzu. Die über fünf Meter hohen Solarmodule können auch auf ihrer Rückseite Sonnenenergie zur Stromproduktion absorbieren. Auf der Testfläche wurden vier Kulturen angebaut: Sellerie, Winterweizen, Kartoffeln und Kleegras.

Je nach Wetter mehr oder weniger ernten

Unter den Solarpaneelen fällt die Ernte zwar tendenziell etwas geringer aus, dafür kann der Hof aber den Solarstrom nutzen. "Wir versuchen so viel wie möglich von unserem Solarstrom selbst zu nutzen, mit unseren Batteriespeichern waren es 2021 knapp 60 Prozent, der Rest wurde eingespeist", so Olivia Schmid von der Hofgemeinschaft.

Bei langanhaltender Hitze und Trockenheit gedeihen die von den Solarmodulen beschatteten Pflanzen sogar besser als auf den nicht überdachten Flächen. So fiel im Hitzesommer 2018 die Sellerieernte zwölf Prozent größer aus als auf den benachbarten Vergleichsflächen. Winterweizen und Kartoffeln erzielten ein Plus von drei Prozent beziehungsweise elf Prozent. Lediglich bei Kleegras ergab sich ein Ertragsminus von acht Prozent. Nach der ersten Forschungsphase wurden die Flächen wieder in den betrieblichen Kreislauf mit aufgenommen und etwa mit Rote Bete oder Zuckermais bepflanzt. "Je nach Wetterlage waren die Erträge mal besser oder schlechter. So direkt kann man die Unterschiede bei den extremen Wetterschwankungen heutzutage nicht mehr sagen", erläutert Olivia Schmid.

Mit Sonneneiern punkten

Wie gut sich Agri-PV und ökologische Hühnerhaltung ergänzen, zeigt der Mustergeflügelhof Leonhard Häde im nordhessischen Alheim-Heinebach. "Unser Markenname Sonnenei spiegelt unser Engagement für Umweltschutz und Klimaneutralität wider", so Betriebsleiter Fabian Häde. Seit 2001 setzt der hessische Geflügelhof zunehmend auf Solarstrom. Heute sind ein Großteil aller Stalldächer und die Ausläufe für die Hühner mit Solarpaneelen bestückt. Dadurch kommt der Naturland-Betrieb auf eine jährliche Stromausbeute von rund zwei Millionen Kilowattstunden – mehr als er selbst verbraucht.

Auch für das Tierwohl bringt die Solaranlage Vorteile: "Unsere Hühner haben den Agri-PV-Außenbereich sehr gut angenommen", betont Fabian Häde. "Hühner mögen keine Hitze und direkte Sonneneinstrahlung. Die Solarmodule spenden Schatten und schützen vor Greifvögeln." Der vor Nässe geschützte Bereich unterhalb der Solar-Schutzdächer gebe dem Auslauf zudem Struktur, ergänzt Fabian Häde: "Unsere Hühner können so ihrem natürlichen Verhalten nachgehen und etwa durch Sandbaden ihr Gefieder pflegen."


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Letzte Aktualisierung 09.06.2022

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