Sortenreine Produkte

Sortenreine Produkte – eine Bereicherung für Produktsortiment und Biodiversität

Bei der Bio-Getreidezüchtung geht es um folgende Fragen: Welche Bio-Sorten halten den Qualitätsansprüchen von Landwirtschaft, Bäckereien, Konsumentinnen und Konsumenten stand? Welche Züchtungen sind zum Beispiel besonders frostbeständig und krankheitsresistent?

Die Ziele der ökologischen Getreidezüchtung sind dabei vielfältig. Von standortangepassten Sorten für eine nachhaltige Landwirtschaft bis hin zu Erhaltung und Weiterentwicklung der biologischen Vielfalt von Kulturpflanzen. Die Arbeit in der Getreidezüchtung dient zudem der Erforschung von Nahrungs- und Saatgutqualität.

Durch den Einsatz von traditionellen Kreuzungsmethoden, wie Kombination und Auslese, wird die Vielfalt der Sorten gesichert und Folgendes erreicht:

  • Pflanzengesundheit
  • kräftige Jungpflanzenentwicklung
  • Winterfestigkeit
  • verschiedene Resistenzen
  • gute Aromen und Backqualität

Ein weiterer Vorteil ist die Selbstreproduktion und gesunde, nachbaufähige Getreidesorten. Damit können sich die Landwirtinnen und Landwirte und alle an der Wortschöpfung Beteiligte von Saatgutkonzernen unabhängig machen und bäuerliche sowie mittelständische Strukturen fördern.

Sortenspektrum ist noch unzureichend

Die Schwerpunkte der konventionellen Saatzucht sind in der Regel andere als in der ökologischen Getreidezüchtung. Im Fokus der konventionellen Züchtung steht vor allem der Ertrag pro Hektar. Die Züchtungsansätze im ökologischen Bereich liegen dagegen auf Eignung für den ökologischen Anbau und Verarbeitung. Außerdem wird die Pflanze ganzheitlich betrachtet. Beim Getreide gibt es zwar einen wachsenden Anteil von ökologisch gezüchteten Sorten, dennoch ist das Sortenspektrum bisher noch unzureichend. Dies hat zur Folge, dass oft konventionelle Sorten zur ökologischen Vermehrung zum Einsatz kommen. Aus diesem Grund ist eine Förderung der ökologischen Getreidezüchtung sowie die Entwicklung von eigenen Züchtungsmethoden und Qualitätskriterien sinnvoll.

Weizen

Im Anbau braucht Weizen Stickstoff für Proteine, die einen Kleber für beste Backergebnisse bilden. In der ökologischen Landwirtschaft wird weitestgehend auf mineralische Düngung verzichtet, deshalb werden Sorten gebraucht, die mit den gegebenen Böden in der ökologischen Landwirtschaft beste Backergebnisse aufweisen können.

Roggen

Die auf dem Markt erhältlichen Hybrid-Roggensorten sind heute zunehmend auf Auswuchsresistenz gezüchtet. Selbstverständlich bringt das einige Vorteile, aber für die Bäckereien ist die veränderte Enzymatik bezüglich Backeigenschaften ein Problem. Deshalb sind Bio-Bäckerinnen und -Bäcker auf ökologische Züchtungen bei Populationsroggen angewiesen. Diese sind zwar nicht auswuchsresistent, aber weisen gute Backeigenschaften auf. Derzeit muss hauptsächlich auf konventionelles Saatgut zurückgegriffen werden, da es nur wenige Züchtungsprojekte bei Roggen gibt. Verfügbare ökologisch gezüchtete Roggensorten sind Lichtkornroggen und Firmamentroggen, die aufgrund des etwas höheren Preises der Rohware hauptsächlich als sortenreine Produkte mit einem höheren Verkaufspreis angeboten werden.

Urgetreidesorten: Dinkel, Emmer und Einkorn

Im Spannungsfeld zwischen alten und neuen Sorten liegt der Erhalt der Biodiversität. Auch alte Sorten beziehungsweise Urgetreidesorten wie Einkorn, Emmer und Dinkel müssen weitergezüchtet werden, um die Anpassung an heutige Standortbedingungen zu gewährleisten. Der geringere Ertrag pro Hektar der Sorten gegenüber Weizen muss mittels eines höheren Preises für die Landwirtin oder den Landwirt kompensiert werden.

Know-how in der Backstube

Die Urgetreidesorten Einkorn, Emmer und Dinkel haben das Potenzial, einen sehr hohen Proteingehalt mit sehr weichen Klebern zu bilden. Das hat die Folge, dass insbesondere Einkorn und Emmer die Tendenz zu klebrigen, laufenden Teigen ohne Gärstabilität haben. Die Verarbeitungseigenschaften der Urgetreidesorten sind zum Teil deutlich anders als beim Weizen. Das erfordert handwerkliches Know-how und Geschick: eine Chance für handwerkliche Kleinbäckereien, sich mit eigenen Konzepten gegen Großbäckereien abzuheben und dadurch das Überleben zu sichern.

Im Netzwerk arbeiten nützt allen

Eine erfolgreiche Marktversorgung mit ökologisch gezüchtetem Saatgut, das den Bedürfnissen aller in der Wertschöpfungskette Beteiligten entspricht, hängt von der partnerschaftlichen Zusammenarbeit ab. Ein Netzwerk von Züchterinnen und Züchtern, Bäuerinnen und Bauern, Müllerinnen und Müllern und Bäckerinnen und Bäckern bringt für alle Vorteile und dient der Etablierung von gewünschten Sorten und letztlich zufriedener Kundschaft. Vertragsanbau mit sicheren Preisen und Absatzwegen ist ein guter Weg, um Landwirtinnen und Landwirte mit Verarbeitungsunternehmen in den Dialog zu bringen. Die handwerkliche Verarbeitung der ökologischen Getreidesorten nach traditionellen Rezepturen zu beispielsweise Lichtkornroggenbrot oder auch Broten aus Urgetreidesorten wie Emmer fördert die Sortenvielfalt und bereichert das Brotsortiment für die Kundschaft.

Finanzierung der ökologischen Getreidezüchtung

Hinter den ökologischen Getreidezüchtungsinitiativen stehen keine großen Saatgutkonzerne. Ein Grund dafür ist wohl, dass die Anbauflächen von Brotgetreide aus ökologisch gezüchtetem Saatgut zu gering sind, als dass große Gewinne erzielt werden könnten. Deshalb wird die ökologische Pflanzen- und Getreidezüchtung aktuell über Stiftungen und Spenden, Staatliche Projekte (Bundesprogramm Ökologischer Landbau), Lizenzgebühren/Nachbaugebühren und Aktivitäten öffentlicher Träger (Universitäten, Landesanstalten) finanziert. Zudem finanzieren Bio-Bäckereien die Saatzucht über einen höheren Einkaufspreis des Getreides vor und geben die Mehrkosten an Verbraucherinnen und Verbraucher weiter, indem die Brote im Laden zu einem höheren Preis verkauft werden.


Letzte Aktualisierung 18.05.2022

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