Regionale Bio-Wertschöpfungsketten in der Außer-Haus-Verpflegung

Regionale Bio-Wertschöpfungsketten in der Außer-Haus-Verpflegung

Wie gelingt der Aufbau bioregionaler Wertschöpfungsstrukturen für Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung? Beispiele aus der Praxis zeigen, dass die Vernetzung der Marktakteurinnen und -akteure ein Schlüssel zum Erfolg ist.

Übersicht über Angebote und Strukturen

Wer bioregionale Wertschöpfungsketten aufbauen möchte, braucht zunächst einen Überblick über das Angebot und die Logistik-Strukturen vor Ort: Wer bietet was in welcher Qualität und wie funktioniert der Vertrieb? Vernetzung kann nur dann funktionieren, wenn die relevanten "Player" bekannt sind und man sich ohne großen Aufwand darüber informieren kann. Das macht der Markt nicht von allein. Aber es gibt bereits ermutigende Beispiele, wo öffentliche Einrichtungen solche Informationsangebote erstellt haben. Auf Ebene zweier Landkreise haben beispielsweise die Bio-Musterregionen Biberach und Ravensburg einen neuen Einkaufsführer für die Außer-Haus-Verpflegung veröffentlicht.

In Bayern können sich alle Akteure der Wertschöpfungskette über die Plattform "Regio-Verpflegung" miteinander vernetzen.

Verantwortlich für den Aufbau und die Pflege ist das Kompetenzzentrum für Ernährung (KerN) in Kooperation mit den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Über 100 Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung (Stand Oktober 2022) nutzen bereits dieses Angebot.

Angebote und Logistik verbessern

Der Aufbau solcher Plattformen kann jedoch nur der Anfang sein: Viele Großküchen berichten aus ihrer täglichen Praxis noch immer über Probleme bei der Beschaffung regionaler Bio-Produkte. Das betrifft die gewünschten Mengen und Qualitäten, aber auch die Liefersicherheit und die Kommunikation. "Ein Bio-Betrieb lieferte mir bei der ersten Bestellung nicht die gewünschten Mengen und nannte in seiner E-Mail nicht einmal seine Telefon-Nummer", klagt die Küchenleiterin einer CJD-Einrichtung in Baden-Württemberg. Und das ist kein Einzelfall. Um hier weiter nach vorne zu kommen, braucht es systemische Lösungen.

Bündelung und Professionalisierung des bioregionalen Angebots

Viele Betriebe aus Produktion, Verarbeitung und Handel haben sich bereits auf die speziellen Bedürfnisse der Gemeinschaftsverpflegung eingestellt – aber da ist noch viel Luft nach oben. Kaum eine Veranstaltung für am Bio-Thema interessierte Küchenprofis, bei denen das Thema Beschaffung nicht angesprochen wird. Wenn eine Großküche auf Bio umstellt, müssen die gewünschten Produkte so verlässlich in der Qualität geliefert werden, wie es die Küchen aus dem konventionellen Bereich kennen. Das heißt unter anderem, dass der Handel auch Großgebinde anbieten muss. So hat die Schwarzwaldmilch GmbH seit Ende 2021 Bio-Frischmilch im 10-Liter-Eimer im Sortiment. Einen wichtigen Impuls dafür gab die gestiegene Nachfrage aus dem Bereich der Gemeinschaftsverpflegung in der dortigen Bio-Musterregion.

Nachfragemengen müssen stimmen

Wie die Bündelung des Bio-Angebots für die Nachfrage aus dem Großhandel und LEH funktionieren kann, zeigen zwölf Demeter-Betriebe aus dem Bodensee-Raum, die über eine gemeinsame Plattform ihre Produkte vermarkten. Bisher geht allerdings nur ein kleiner Teil an die Gemeinschaftsverpflegung, beispielsweise an eine Klinikküche in Überlingen. Grundsätzlich wäre die Bio-Ware auch für die Außer-Haus-Verpflegung vorhanden. "Aber die Nachfragemenge muss in einem wirtschaftlichen Verhältnis zum Logistik-Aufwand stehen", weiß Ulrike Schmid, langjährige Mitarbeiterin bei der Heggelbach Süd. Ein Schlüsselfaktor ist deshalb die bessere Vernetzung von Angebot und Nachfrage in einer Region.

Gemeinschaftsverpflegung braucht vorverarbeitete Produkte

Großküchen brauchen in aller Regel vorverarbeitete Frischeprodukte: Gewaschene und geschälte Kartoffeln, Karotten, Kürbisse und vieles mehr. Damit das funktioniert, können entweder biologisch wirtschaftende Betriebe aus Landwirtschaft und Gemüsebau eine Verarbeitungsstufe aufbauen. Oder bereits etablierte konventionelle Vorverarbeitungsbetriebe entscheiden sich dafür, eine Bio-Schiene einzurichten – wofür sie dann neue Bio-Lieferanten und eine Bio-Zertifizierung brauchen.

Wie Küchen und Angebot zusammenfinden können, zeigt der Betrieb der Familie Pentz im Remstal. Der regionale Spezialist für küchenfertig gewaschenes und geschnittenes Gemüse und Kartoffeln kommt ursprünglich aus dem konventionellen Bereich, aber durch die steigende Nachfrage nach Bio-Produkten in der Gemeinschaftsverpflegung hat er sich Ende 2020 für die Bio-Zertifizierung entschieden. Zum Erfolgsrezept gehört, dass der Betrieb auch als Vermittler entlang der Wertschöpfungskette fungiert. "Die Erzeuger haben uns als Anlaufstelle für die Vermarktung in die Außer-Haus-Verpflegung", so der Geschäftsleiter Manuel Pentz. "Wenn ein Bio-Betrieb gerade ein großes Angebot an Karotten oder Hokaido hat, dann nutzen wir unsere Kontakte zur Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung für die Suche nach Absatzwegen".

Auch ein konventioneller Großhändler im Allgäu hat auf das wachsende Bio-Interesse aus der Gemeinschaftsverpflegung reagiert. "Wir spüren, dass die Nachfrage nach Bio-Produkten auch in der Außer-Haus-Verpflegung ansteigt – langsam aber stetig", so Maximilian Jork, Geschäftsführer der Firma Früchte Jork im Allgäu. "Darauf stellen wir uns ein." Dabei versteht sich der inhabergeführte Vollsortimenter auch als Partner seiner Kunden und berät Großküchen bei der Auswahl geeigneter Produkte für ihr Speiseangebot.

Beratung für die Küchen der Gemeinschaftsverpflegung

Wenn sich Großküchen auf den Weg machen, in ihrer jeweiligen Region Bio-Lebensmittel einzukaufen, entstehen gleich mehrere Fragen: Wie findet man geeigneten Bio-Lieferanten? Gibt es für die Umstellung in den Küchen einen Fahrplan, an dem sie sich orientieren können? Wie läuft die Bio-Zertifizierung ab? Programme zur Beratung bzw. dem Coaching von Großküchen können dabei helfen, diese Phase der Umstellung besser zu meistern. "Ähnlich wie in der Landwirtschaft, brauchen wir auch für die Großküchen ein flächendeckendes Angebot an Beratungsstrukturen", so Johannes Ell Schnurr. Der ehemalige Geschäftsführer im Demeter-Verband berät unter anderem Küchen aus einem baden-württembergischen Modellprojekt bei der Beschaffung regionaler Bio-Lebensmittel und kennt die Schwierigkeiten und Chancen im Detail. Die Erfahrungen in diesem Modellprojekt zeigen: Wer bioregionale Wertschöpfungsketten aufbauen und stärken will, braucht dafür einen langen Atem.

Vernetzung in den Regionen

Ein wichtiger Faktor ist dabei die Vernetzung und der Austausch unter den Marktakteuren. Dazu gehört, über den eigenen Tellerrand zu schauen und die Bedarfe und Möglichkeiten des jeweils anderen besser kennen zu lernen. Die Regionalmanagerinnen und -manager von Öko-Modell- und Bio-Musterregionen können hier eine Schlüsselrolle einnehmen. Ein Beispiel dazu aus dem Südwesten: Mit dem Modellprojekt "Bio in der Gemeinschaftsverpflegung" will das baden-württembergische Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Essensqualität "Außer-Haus" verbessern und gleichzeitig die Nachfrage nach mehr regionalen Bio-Lebensmitteln steigern.

Die Zielmarke für die teilnehmenden Küchen aus sechs Bio-Musterregionen: eine Zertifizierung nach DGE-Standard und ein Bio-Anteil von mindestens 30 Prozent - möglichst mit Lebensmitteln aus der Region. 37 Einrichtungen haben sich auf diesen Weg gemacht. 26 Einrichtungen und Betriebe haben bis November 2022 die Bio-Zertifizierung erfolgreich abgeschlossen. 13 Einrichtungen und Betriebe sind bereits DGE-zertifiziert. Alle anderen Einrichtungen und Betriebe haben den Vertrag mit der DGE sowie mit den Bio-Zertifizierungsstellen unterzeichnet und werden die Zertifizierungsprozesse in den kommenden Monaten durchführen. Um alle interessierten Großküchen noch ans Ziel zu bringen, wurde das Projekt bis Ende 2023 verlängert. Zudem hat die baden-württembergische Landesregierung gerade die Weiterentwicklung ihrer Ernährungsstrategie beschlossen. Danach sollen die Kantinen des Landes bis 2030 einen regionalen Bio-Anteil von 30 Prozent erreichen.


Letzte Aktualisierung 15.11.2022

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