Beschaffung von Schulverpflegung: Professionell und sicher einkaufen
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Die Teichwirtschaft mit Karpfen hat in vielen Regionen Deutschlands eine über tausendjährige Tradition. Doch heute ist der einst so beliebte Fisch nur noch selten auf dem Teller zu finden. Dabei sprechen viele hochaktuelle Argumente dafür, den Karpfen wieder verstärkt auf die Speisekarte zu setzen: Der Karpfen ernährt sich in einer naturnahen Teichwirtschaft hauptsächlich von Zooplankton und Insekten im Boden – also dem, was er natürlicherweise vor Ort vorfindet. Über diese naturnahe Ernährung nimmt der Fisch auch langkettige Omega-3-Fettsäuren auf. Das Karpfenfleisch hat deshalb hohe Gehalte dieser ernährungsphysiologisch sehr wertvollen, langkettigen Fettsäuren, die man sonst vor allem von den Seefischen her kennt. In der ökologischen Aquakultur darf zudem nur biozertifziertes Futter eingesetzt werden. Bei den Karpfen sind das in erster Linie Getreide oder Hülsenfrüchte. Fischmehl, mit dem Raubfischen wie der Forelle oder Lachs in der Aquakultur gefüttert werden, braucht der Karpfen nicht und ist in der ökologischen Karpfenteichwirtschaft tabu. Trotz dieser guten Argumente führt der Karpfen in Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung meist ein Schattendasein. Das hat vor allem mit seinem Image und weit verbreiteten Vorbehalten zu tun. Es lohnt sich deshalb, diese Einwände einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Das ist ein weit verbreitetes Vorurteil. "Doch von Hause aus hat der Karpfen einen feinen Geschmack, der eher an gekochte Kartoffeln erinnert", versichert Dr. Martin Oberle vom Institut für Fischerei an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Nur wenn bestimmte Bedingungen im Teich nicht stimmen, kann ein "moderige Geschmack" entstehen. Das kann in manchen Teichen auftreten, wenn sich in den Somermonaten dort verstärkt Blaualgen bilden. Wenn Teichfische – und das gilt nicht nur für die Karpfen – über ihre Kiemen Stoffwechselprodukte dieser Blaualgen aufnehmen, können sie den "mooseligen" Geschmack annehmen. Aber wenn man die Karpfen noch ein bis zwei Wochen im klaren Wasser hält, verschwindet der Moder-Geschmack komplett.
Dieses Vorurteil rührt aus einer Zeit, in der sehr viele Karpfen aus den Ostblockstaaten importiert wurden. Durch eine sehr intensive Karpfenteichwirtschaft mit hohen Zugaben an Futter wurden Karpfen mit hohen Fettgehalten verkauft. Zudem gab es Zeiten oder gibt es heute noch Regionen auf der Welt, in denen fette Karpfen gerade erwünscht waren oder sind. Aber das ist dann eine Folge der intensiven Haltung und Fütterung. Von Natur aus ist der Karpfen ein eher magerer Fisch mit Fettgehalten zwischen einem und zwei Prozent. Fazit: Mit einer richtiger Haltung, nicht zu hohen Besatzdichten und einer artgerechte Fütterung hat der Karpfen nur geringe bis mittlere Fettgehalte, die gleichzeitig eine sehr hohe ernährungsphysiologische Qualität aufweisen.
Karpfen enthalten viele hauchdünne Ypsilon-Gräten, die fest im Karpfenfleisch sitzen. Aber bereits vor 30 Jahren hat man damit begonnen, sogenannte "Grätenschneider" zu entwickeln, die seither immer weiter verbessert wurden. Mit ihnen lassen sich die feinen Gräten im Filet zerschneiden. Die grätengeschnittenen Filets sind heute überall zu beziehen und machen den größten Marktanteil aus. "Bei den so zubereiteten Karpfen stören die Gräten nicht mehr und man kann sie essen wie ein Schnitzel", versichert Dr. Martin Oberle. Daneben gibt es in der regionalen Gastronomie noch Klassiker wie beispielsweise den in Franken sehr beliebten halben, gebackenen Karpfen. Bei diesem traditionellen Gericht stören sich die Gäste nicht daran, dass der Karpfen noch Gräten enthält, weil sie es gewohnt sind und sie den typischen Geschmack erwarten.
Die genannten Einwände halten sich jedoch hartnäckig und sind sicher ein wichtiger Grund dafür, warum der Karpfen in vielen Großküchen eher verpönt ist. "Heute ist der Karpfen zwar noch ein Nischenprodukte", räumt der TV- und BIOSpitzenkoch Tino Schmidt ein. "Aber er ist auf dem Vormarsch und sorgt auf der Karte für Abwechslung". Denn er passt zum kulinarischen Trend, die Gerichte wieder zu minimalisieren und den Gästen wieder mehr bodenständige Produkte mit einer regionalen Identität anzubieten. "Allerdings sollte man nicht einen auf der Speisekarte eingeführten Fisch einfach nur durch Karpfen austauschen", rät der BIOSpitzenkoch. "Dem Karpfen sollte man durch die Menge, die Auswahl des Gerichts und die Präsentation eine gewisse Wertigkeit geben."
Für Jürgen Andruschkewitsch, Koch im Biorestaurant Rose im baden-württembergischen Vellberg-Eschenau, ist der Karpfen "ein Fisch mit einem tollen Geschmack", den er gerne im Winterhalbjahr auf die Karte setzt. Als passionierter Koch mit handwerklichem Anspruch ist es für ihn kein Problem, den Fisch selbst zu filetieren und zu portionieren. "Wir haben Gäste, die mit Neugierde und Offenheit kommen, auch einmal etwas Neues auszuprobieren", so der Bio-Spitzenkoch. Da passt der Bio-Karpfen gut ins Konzept.
Bekannt für seine Karpfenspezialitäten ist auch Georg Rittmayer im fränkischen Willersdorf. Er betreibt dort einen Naturland-Betrieb mit Karpfenzucht und parallel dazu ein Landgasthof mit Hotel. "Im Jahr machen wir in der Gastronomie etwa 20.000 Karpfenportionen". Weil davon nur die Hälfte bis Zweidrittel vom eigenen, biozertifizierten Betrieb kommt und er noch Karpfen von regionalen Teichwirten zukauft, verzichtet er im gastronomischen Bereich auf die Biozertifizierung. Insgesamt ist er sich sicher, dass für Karpfen ein großes Nachfragepotenzial besteht. "Allerdings müssen die Menschen in der Regel erst einmal durch den Geschmack überzeugt werden."
In Österreich erfahren Karpfen und die biologisch Karpfenzucht bereits seit Jahren eine Renaissance. "Wir produzieren hierzulande mehr Bio-Karpfen als in Deutschland", schätzt der Pionier der österreichische Bio-Aquakultur Marc Mößmer. "Im Waldviertel bei Wien, einer der großen Karpfenregionen hierzulande, sind bereits 60 bis 70 Prozent der Erzeuger für Karpfen auf Bio umgestiegen", so der Geschäftsführer der Biofisch GmbH in Wien. Um Gastronomen wieder auf den Geschmack von Karpfen zu bringen, organisiert er zusammen mit Bio-Austria für diese Zielgruppe Exkursionen zu Biobetrieben wie der Teichwirtschaft mit anschließender Verkostung. Diese persönlichen Kontakte vor Ort haben sich bewährt. "Denn die Einführung von Karpfen auf dem Speiseplan kann nur gelingen, wenn ein motiviertes Küchenteam dahinter steht".
Um den Karpfen in der Gastronomie wieder salonfähig zu machen, braucht es sicher mehr kritische Auseinandersetzung mit den gängigen Vorbehalten. Aber das allein genügt nicht. Die Qualität der Produkte muss Hand in Hand gehen mit einer handwerklichen Kochkunst, die sich auf die Besonderheiten des Karpfenfleisches einlässt und es in seinen vielfältigen Einsatzmöglichkeiten zur Geltung bringt. Dieser Aufwand muss sich natürlich auch in fairen Preisen für die Teichwirtschaft und Gastronomie widerspiegeln. Die Umstellung auf Bio bietet hier Möglichkeiten, die sicher für den ein oder anderen gastronomischen Betrieb interessant sein könnten. Denn zweifellos bestehen Potenziale, den nachhaltigen Teichfisch über die traditionellen Karpfenregionen hinaus Küchenprofis und Tischgästen schmackhaft zu machen.
Letzte Aktualisierung 09.02.2021