Die Diplom-Biologin Tina Andres bringt als langjährige geschäftsführende Vorständin der EVG Landwege e.G. in Lübeck viel Erfahrung aus der Praxis mit: Die Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft mit rund 30 Mitgliedshöfen verbindet Stadt und Land bzw. Produktion, Verarbeitung und Handel auf der einen und Konsumentinnen und Konsumenten auf der anderen Seite. Durch ihre Verbandsarbeit im Vorstand des Bundesverband Naturkost Naturwaren kennt sie die Strukturen und aktuellen Herausforderungen im deutschen Naturkostmarkt im Detail. Dieses Ehrenamt wird sie jedoch aus Zeitgründen nicht weiter ausführen.
Oekolandbau.de: "Organic.Climate.Resilience." – so lautet der Kongress-Schwerpunkt der Biofach 2022. Welche Rolle spielt bei diesem Thema die Außer-Haus-Verpflegung?
Andres: Die Außer-Haus-Verpflegung ist für mich persönlich ein Herzensthema, weil es in so viele Richtungen eine Strahlkraft für die Entwicklung eines nachhaltigen Ernährungssystems hat. Die Umstellung auf Bio in Küchen kann einen wichtigen Pull-Effekt auf die ganzen Wertschöpfungskette entwickeln. Denn es geht um viel mehr als nur darum, konventionelle durch biologische Produkte zu ersetzen. Wir brauchen einen Systemwechsel, für den auch die Ernährungsbildung und -prägung wichtige Faktoren sind. Das zeigen die Erfahrungen aus Kopenhagen oder jetzt auch mit der Kantine Zukunft in Berlin. Dafür brauchen wir ein ambitionierteres Ziel als 20 Prozent Bio in der AHV. Denn wenn Küchen nur zehn oder 20 Prozent Bio einsetzen, findet kein Systemwechsel statt. Grundlegenden Veränderungen kommen dann auf den Weg, wenn der Bio-Anteil bei 50, 60 oder mehr Prozent liegt. Meine Forderung wäre deshalb: Ein Ziel von 50 Prozent Bio in öffentlichen Kantinen, um für diese Prozesse einen deutlichen Anreiz zu setzen.
Oekolandbau.de: … aber mit so einer Forderung allein wird sich nicht viel bewegen.
Andres: Das bedeutet deshalb auch, dass man eine andere Beratungs- und Förderpolitik braucht. Man muss den Fachkräften vor Ort wieder nahebringen, richtig zu kochen: Mit weniger Fleisch, mehr attraktiven vegetarischen Gerichten, weniger Lebensmittelverschwendung, mehr Wertschätzung für Lebensmittel und vieles mehr. Dazu benötigen die Küchen mehr Unterstützung, also eine kontinuierliche Beratung. Da müsste viel mehr geschehen als bisher. In Kopenhagen hat die öffentliche Hand für diese Prozesse rund einen Euro pro Kopf und Jahr ausgegeben, dreimal so viel wie in Berlin. Es ist hier nicht mit einem Flyer und einem Infotag getan. Man muss in die Küchen gehen und bei den Umstellungsprozessen konkret unterstützen.