Mehr Bio für öffentliche Küchen in der Bio-Gemeinde Much
53804 Much
Zu Sankt Martin und Weihnachten endet das Leben der Hausgänse. Bevor sie im Kochtopf oder Backofen landen, mussten manche schon zu Lebzeiten Federn lassen. Gans schön grausam. Deshalb sollten Verbraucherinnen und Verbraucher möglichst Bio-Gänse und Daunen geprüfter Herkunft kaufen.
Ein Daunenbett sorgt für einen geborgenen Schlaf, ist aber ein Albtraum fürs Federvieh. Denn noch immer werden vielen Gänsen außerhalb Deutschlands ihr wärmendes Untergefieder bei lebendigem Leib ausgerupft. Zwar ist Lebendrupf in der Europäischen Union verboten, doch lassen die EU-Richtlinien ein Schlupfloch: das Abstreichen der Daunen während der Mauser. Während dieser Zeit ist die Prozedur für die Gänse weitgehend schmerzfrei. "Der traditionelle Mauserrauf ist in der Praxis aber kaum zu realisieren", weiß die Tierschutzorganisation ProVieh.
Zum einen sind niemals alle Tiere in großen Herden von 1.000 und mehr Gänsen zur gleichen Zeit in der Mauser. Die Rupfbrigaden kommen jedoch nur einmal und bearbeiten dann gleich sämtliche Tiere. Zum anderen ist das Rupfen mit durchschnittlich 150 Gramm Daunen pro Gans viel ergiebiger als der Mauserrauf mit 60 Gramm. "In ihrem Leben wird eine Gans drei bis vier Mal gerupft. Die Gänse empfinden dabei erhebliche Schmerzen, hinzu kommen Schmerz und Stress durch das Festhalten und Festklemmen zwischen den Beinen", beklagt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund.
Bisher stammen die meisten unserer Daunen aus Osteuropa. "Der Daunenmarkt hat sich jedoch etwas in Richtung China verschoben, da dort kaum bis keine Tierrechte vorhanden sind. Man kann davon ausgehen, dass in China der Lebendrupf extrem betrieben wird und Daunen aus China meist aus Qualhaltung stammen", erklärt Stefanie Pöpken, Fachreferentin von ProVieh.
Auch die niedrigen Fleischpreise unserer Martins- und Weihnachtsgänse sollten uns nachdenklich stimmen: "Der Endverbraucher muss sich im Klaren sein, dass es nicht möglich ist, artgerechtes Gänsefleisch für drei Euro pro Kilogramm zu produzieren. Ich kann mir vorstellen, dass manche osteuropäischen Betriebe durch Lebendrupf die geringe Gewinnspanne, die beim Fleisch zu erlösen ist, erhöhen. Unsere konventionellen Freilandgänse kosten gefroren 13 bis 15 Euro und unsere Bio-Gänse 18 bis 20 Euro pro Kilogramm", erklärt Mirko Pabel von Dithmarscher Geflügel GmbH.
Der schleswig-holsteinische Geflügelvermarkter lässt auf unterschiedlichen Höfen 200.000 Gänse aufziehen, knapp zehn Prozent davon sind Bio. Sowohl das Fleisch als auch die Daunen werden vermarktet. Als Lieferant für Bio-Fleisch und -daunen dient die Dithmarscher Gans, eine robuste alte und lokale Rasse.
Anders als Hühner legen Muttergänse nur zwischen Ende März bis August Eier und nicht das ganze Jahr über. Die Bio-Eintagsküken werden von deutschen Bio-Betrieben aufgezogen. "In Deutschland haben wir deutlich höhere Produktionskosten als im Ausland, aber dafür haben wir hier auch einen deutlich höheren Standard insbesondere beim Tierschutz“, erklärt Geschäftsführer Mirko Pabel.
Der bio-zertifizierte Schlachtbetrieb hat seinen Sitz in Brandenburg, die Transportwege sind kurz. Als Futter bekommen die jungen Küken zunächst ein Bio-Starterfutter. Wenn sie größer sind, fressen sie Gras und Bio-Getreide. Gras und frische Kräuter finden sie selbst auf der Weide. Nach mindestens zwanzig Wochen ist die Bio-Gans sechs bis sieben Kilogramm schwer und damit schlachtreif.
Im Schlachtbetrieb entfernen Rupfmaschinen die meisten Federn. Die Feinarbeit übernehmen dann Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer Art Epilierer. Danach kommen die Federn und Daunen in die Wäscherei. Dort werden sie gereinigt und entfettet. In der Bio-Verarbeitung sind nur umweltverträgliche Mittel zugelassen, um die Federn aufzubereiten. Chlorhaltige Reinigungs- und Desinfektionsmittel sowie chemisch-synthetische Hilfsstoffe, um die Federn weißer zu machen, sind tabu. Wichtig ist zudem, dass die Bio-Daunen getrennt von konventionellen Daunen verarbeitet und gelagert werden. Schließlich soll es keine Verwechselungen geben. Außerdem dürfen sie nicht begast werden. Das machen viele Unternehmen, um die Gänsefedern von Keimen zu befreien. Nach dem Waschen und Trocknen landen die Daunen in Hüllen aus Bio-Baumwolle (Inletts). Fertig ist die Bio-Daunendecke, die allerdings noch eine Rarität ist.
Bis das Angebot an Bio-Daunen wächst, sollten sich tierfreundliche Verbraucherinnen und Verbraucher genau über die Herkunft ihrer wärmenden Federn informieren. Zum Beispiel vergibt der Verband der Deutschen Daunen- und Federindustrie (vdfi) das Gütesiegel "Traumpass" für Bettwaren. Das garantiert, dass sich nur Daunen toter Tiere in der Decke befinden.
"Allerdings beginnt die Rückverfolgbarkeit bisher erst im Schlachthof. Ob ein Zuchttier also früher einmal gerupft wurde, ist so nicht auszuschließen", bedauert Lea Schmitz. Die Tierschützerin rät bei jedem Daunenkauf genau nachzufragen, selbst wenn das Verkaufspersonal oft keine Antwort parat habe: "Nur so können wir erreichen, dass sich die Bettenindustrie dieses Tierschutzproblems bewusst wird und nach Alternativen Ausschau hält."
Mittlerweile haben einige Hersteller von Outdoorbekleidung ihre Lieferketten überprüft und arbeiten nach zwei Standards:
Der Responsible Down Standard (RDS) garantiert ebenfalls, dass die Daunen von bereits getöteten Tieren (Schlachtrupf) stammen. Die Tiere dürfen nicht zwangsgefüttert werden. Die Elterntiere werden jedoch nicht geprüft.
Ob die Tiere nach Bio-Richtlinien heranwachsen, spielt bei beiden Standards keine Rolle. Wer auf Nummer bio-sicher gehen will, muss auf Wollprodukte vom Bio-Tier oder auf pflanzliche Alternativen zurückgreifen.
Text: Jutta Schneider-Rapp
Letzte Aktualisierung 24.10.2024