Pflegeacker

Pflegeacker fördert Menschen mit Demenz

Beim Projekt Pflegeacker gärtnern Pflege- und Betreuungskräfte gemeinsam mit Menschen in Pflegeeinrichtungen. Das stärkt den Teamgeist und bringt Abwechslung in den Pflegealltag. Außerdem fördert die sinnstiftende Arbeit motorische und kognitive Fähigkeiten – besonders bei Menschen mit Demenz. Zudem gibt es Gemüse und viel Lebensfreude zu ernten.

In der Seniorenresidenz Hundsmühlen bei Oldenburg Seniorenresidenz Hundsmühlen - Bezirksverband Oldenburg steht heute eine Ackersprechstunde auf dem Programm. Die auf Demenzbetroffene spezialisierte Einrichtung nimmt am Projekt Pflegeacker "Für Pflegeeinrichtungen - Ackerpause" teil. Das Unternehmen Ackerpause bringt Gemüsebau in Pflegeeinrichtungen. Hier gärtnern Mitarbeitende regelmäßig gemeinsam mit der Bewohnerschaft. Die Gartenprofis von Pflegeacker stellen nicht nur Hochbeete, Saatgut und Jungpflanzen, sondern auch einen Ackercoach: Chioma Ndukwe leitet die bunte Truppe an. "Heute wollen wir ernten und nachsäen. Alles muss raus", sagt die Umweltstudentin.

Während die Demenzbetroffenen erst einmal im Schatten zuschauen, legen die Mitarbeitenden gleich los: Sie ernten Palmkohl und ein paar Cocktailtomaten und schneiden im Kräuterbeet Petersilie und Schnittlauch ab. Die kümmerlichen Brokkoli fliegen ganz raus. Platz für Neues.

Sozialbetreuerin Maria Kaya lebt hier ihre grüne Ader aus:

In meiner Familie gab es viele Landarbeiter. Aber ich habe nur eine Dachwohnung mit einem kleinen Balkon.

Menschen mit Demenz erinnern sich

Nach und nach lassen sich die Heimbewohnerinnen und -bewohner motivieren. Besonders die älteren Herren mischen kräftig mit. Zunächst lockern sie den Boden der abgeernteten Beete mit der Handhacke. In einem Hochbeet wimmelt es von Ameisen. "Alles lebt", sagt Rentner Tschech. Berührungsängste mit der Erde hat er keine. Und Chemikalien muss er beim Bio-Gärtnern nicht fürchten. Überhaupt blüht der Senior auf, erzählt von seinem eigenen großen Garten und glücklichen Grillabenden. Genau das ist erwünscht. Der Geschmack, der Geruch und der Umgang mit Pflanzen graben Erfahrungen wieder aus. Die Demenzbetroffenen kommen ins Reden.

Es geht hier um Erinnerungspflege. Wir möchten das Wissen der Seniorinnen und Senioren wieder hochholen,

erläutert Christiane Bock. Die Leiterin Soziale Betreuung hat das Gartenprojekt initiiert. Ihr gefällt der ganzheitliche Ansatz.

Säen fördert Feinmotorik

Eine feinmotorische Höchstleistung ist das Säen. Die kleinen Samen von Kresse, Spinat und Ackersalat flutschen allzu leicht durch die Finger. Hobbygärtner Tschech probiert es trotzdem. Er sät so dicht, dass der Samen nur für eine halbe Reihe reicht. Macht nichts. "Wichtiger als viel zu ernten, ist die Teamarbeit zwischen Mitarbeitenden und den zu Pflegenden. Sogar die Angehörigen sind eingebunden", freut sich Christiane Bock. "Es machen auch Bewohnende mit, von denen wir das gar nicht erwartet haben." Aber auch außerhalb der Ackersprechstunde darf hier jeder etwas tun, riechen oder naschen.

AOK unterstützt Gärtnern in Pflegeheimen

Die AOK Niedersachsen unterstützt das Projekt. Insgesamt fördert die Gesundheitskasse derzeit drei Jahre lang 25 Pflegeacker-Projekte in Niedersachsen. "Ziel ist es, die Gesundheitsförderung für die Mitarbeitenden und die Bewohnenden zu verbinden. So entsteht ein gutes Miteinander zwischen Bewohnenden und Pflegekräften sowie die Sensibilisierung für eine gesunde Ernährung wird gefördert", so Jessika Grass, AOK-Präventionsberaterin. Die Unterstützung soll den Keim für ein nachhaltiges grünes Engagement der Einrichtungen legen.

Pflegeacker schmecken

Die selbst geernteten Kräuter und Gemüse landen nach der Ackersprechstunde normalerweise in der Küche. Zum Abschluss der Saison genießen heute alle gemeinsam die Früchte ihrer Arbeit. Ernährungsexpertin Beate Bohlen ist dafür extra gekommen und leitet die Kochaktion. "Ich möchte einen Mix aus Altbewährtem und modernem Kram mit euch machen." Es gibt Rotkohl als Suppe und Salat, Hummus aus Kichererbsen und Fetacreme. Die Auswahl ist durchdacht: "Kichererbsen sind wie alle Hülsenfrüchte sehr eiweißhaltig. Demenzkranke brauchen eine hohe Menge an Eiweiß", erklärt die gelernte Diätassistentin Bohlen. Das Küchenpersonal freut sich über die Tipps und fragt nach den Rezepten.

Gemeinsam kochen und essen

Die Kochdüfte locken viele weitere Menschen aus dem Haus. Die Gruppe wächst und die Arbeit floriert. Wer kann, schnippelt Äpfel, Zwiebeln und Kräuter oder mischt Salat. Die Aufstriche lassen sich mit frischen Kräutern, Knoblauch und Chili vom Hochbeet leicht aufpeppen. Eine ältere Dame schnuppert versonnen am Basilikum. "Ich kenne das, ich kenne das", murmelt sie immer wieder. Schließlich steckt sie das Basilikum lächelnd in den Mund. Nicht nur Gärtnern macht glücklich.

Vom Acker auf den Teller: Die Ackerpause bringt seit 2019 Gemüseanbau in Unternehmen, Pflegeeinrichtungen sowie Nachbarschaften. Das Programm für Pflegeeinrichtungen läuft drei Jahre. Danach sind die Teilnehmenden befähigt, selbständig weiterzumachen.

Die Wurzeln der Ackerpause liegen im Verein Acker e. V. Der betreut auch Gemüseprojekte in Schulen: Ackern in der Schule und Kindergärten: Kinderleicht gärtnern mit AckerRacker.

Text: Jutta Schneider-Rapp


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Letzte Aktualisierung 08.10.2024

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