Zusatzstoffe verhindern geschmackliche Vielfalt
Slow Food steht für genussvolles, bewusstes und möglichst saisonales Essen aus der Region, eine Gegenbewegung zum uniformen und globalisierten Fast Food. Claudia Nathansohn von der gleichnamigen Organisation erklärt im Interview, warum wir auf fast alle Zusatzstoffe getrost verzichten können.
oekolandbau.de: Bei Bio sind rund fünfzig Zusatzstoffe erlaubt? Ginge es auch mit weniger?
Claudia Nathansohn: Aus unserer Perspektive ginge es auch mit weniger. Dafür sind handwerkliches Wissen und Zeit wichtige Faktoren. Produkte sollten nur Zusatzstoffe enthalten, die zur Herstellung eines Lebensmittels unabdingbar sind. Kritisch sehen wir die Zutaten mit funktionellen Eigenschaften. Dazu zählen die erwähnte Acerolakirsche, Hefeextrakt oder Rote Beete-Pulver zum Einfärben von Erdbeerjoghurt. Die Frage ist, wie müssen sich die Lebensmittelproduktion und die Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher wieder ändern, damit Lebensmittel mit den verfügbaren Ressourcen innerhalb der planetaren Grenzen verträglich produziert werden.
oekolandbau.de: Welche wesentlichen Nachteile haben Zusatzstoffe?
Nathansohn: Hier gibt es mehrere Ebenen zu betrachten. Einerseits die Herstellung von Zusatzstoffen und andererseits ihr Wirken im Produkt. Zitronensäure wird zum Beispiel aus stärkehaltigen Rohstoffen wie Mais mit Hilfe des Schimmelpilzes Aspergillus Niger hergestellt. Ist dieser Mais in großen Mengen erforderlich, wird er in Monokulturen angebaut. Das hat wiederum einen negativen Einfluss auf Landwirtschaft und Umwelt.
Klassische Zusatzstoffe wie Aromen oder Farbstoffe vermitteln zudem ein falsches Bild vom Lebensmittel – sowohl äußerlich als auch geschmacklich. Essen wir dann das Original, kann der Geschmack für uns zunächst enttäuschend sein, da wir das Imitat gewöhnt sind. Außerdem prägen Zusatzstoffe eine Erwartungshaltung, die nichts mit natürlicher Lebensmittelherstellung zu tun hat. Rohstoffe schmecken nicht immer gleich. Sie unterliegen den natürlichen Schwankungen von Sonne, Niederschlag, Wind und Boden. Das macht es ja eigentlich so spannend. Zusatzstoffe nehmen uns die Chance, unterschiedliche Geschmäcker kennenzulernen.
Oekolandbau.de: Wie kommen wir mit weniger Zusatzstoffen aus? Nathansohn: So wenig verarbeitete Produkte wie möglich kaufen und sie in der Küche frisch selbst kochen. Es erscheint zu Beginn aufwändiger, aber mit ein wenig Erfahrung kommt die Freude daran, Neues auszuprobieren und einfach mal Zutaten, die sich noch im Kühlschrank befinden, neu zu kombinieren. Es bietet außerdem die Chance, dass die Wertschätzung für gute Lebensmittel und ihre Zubereitung wieder wächst. Wer verarbeitete Produkte möchte, sollte diese bei Lebensmittel-Handwerkerinnen und -Handwerkern des Vertrauens kaufen. Die beantworten Fragen gerne und machen die Geschichten hinter dem Produkt greifbarer.