EU-Bio-Tag

EU-Bio-Tag: Feiertag für den ökologischen Landbau

Die EU-Kommission hat den 23. September zum "EU-Bio-Tag" erklärt. Europaweit wird damit der Öko-Landbau gefeiert! Aus diesem Anlass erklärt Landwirtschaftsminister Cem Özdemir im Interview, was er am Öko-Landbau so sehr schätzt und wie die Transformation der Landwirtschaft gelingen kann. Und es gibt noch mehr zu feiern: Das Informationsportal www.oekolandbau.de wurde im September 20 Jahre alt! Weil es so viel zu feiern gibt, können Sie sogar etwas gewinnen!

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir im Interview

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat den Öko-Landbau als Leitbild für eine nachhaltige Landwirtschaft ausgerufen. Bis 2030 sollen 30 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche ökologisch bewirtschaftet werden. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir erläutert, was den Öko-Landbau ausmacht und wie eine Transformation der Landwirtschaft gelingen kann.

Oekolandbau.de: Am 23.9. ist der EU-Bio-Tag, das BMEL hat den Öko-Landbau als Leitbild für eine nachhaltige Landwirtschaft ausgerufen: Was schätzen Sie am Öko-Landbau so sehr?

Cem Özdemir: Beim Öko-Landbau kommen für mich Fortschritt, Natur und Wirtschaft zusammen, und zwar so, dass auch in die nahe und weiter entfernte Zukunft gedacht wird. Unser Planet hat Grenzen, wir müssen diese heute einhalten, damit wir morgen und übermorgen auch noch auf unserem Planeten wirtschaften und leben können. Der Öko-Landbau leistet da einen wichtigen Beitrag!

Ich sage aber auch, unser Ziel ist 30 Prozent Bio bis 2030 – und das heißt im Umkehrschluss auch 70 Prozent konventionell. Also müssen alle einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten und oft sind die Unterschiede gar nicht so groß oder können kleiner werden. Nehmen wir die Kreislaufwirtschaft. Im Öko-Landbau selbstverständlich zentral und angesichts vom Artensterben, Klimakrise und jetzt zusätzlich durch den verbrecherischen russischen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, das, was wir auch anderswo brauchen, um wegzukommen von fossilen Kraftstoffen und der Abhängigkeit von Diktatoren.

Oekolandbau.de: Was meinen Sie damit genau?

Özdemir: Nehmen wir das Thema Düngung. Für die Herstellung von Mineraldünger braucht es enorm viel Gas, das klimaschädlich ist und zu großen Teilen aus Russland kommt. Die Folgen spüren viele Landwirtinnen und Landwirten nur allzu deutlich. Der Öko-Landbau setzt auf natürlichen Wirtschaftsdünger, ist damit per se unabhängiger und von den aktuellen Preisexplosionen bei Betriebsmitteln nicht so betroffen. Jetzt, wo jeden Tag über Energie- und Gasknappheit diskutiert wird, treten die Vorteile des Bio-Kreislaufgedankens stärker zutage. Oder anders ausgedrückt: Öko-Landbau trägt dazu bei, die aktuellen Krisen, also die Klimakrise, das Artensterben und die Folgen des russischen Krieges gemeinsam zu meistern.

Oekolandbau.de: Hochwasserkatastrophe im letzten Jahr, Dürre in diesem Jahr – die Auswirkungen der Klimakrise sind längst auch in Deutschland zu spüren. Was tun Sie, um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen?

Özdemir: Die Landwirtschaft leidet besonders stark unter der Klimakrise und das schon heute, nicht erst morgen oder übermorgen. Weltweit und auch in Deutschland. Unser diesjähriger Erntebericht liest sich in Teilen schon wie ein Zeugnis der Klimakrise. Diesen Sommer konnte ich mich bei vielen Hofbesuchen davon überzeugen, dass die Klimaveränderungen voll bei uns durchschlagen – das betrifft übrigens Öko- und konventionelle Betriebe gleichermaßen. Um die Klimaziele zu erreichen, setzen wir an zwei Stellen an: Erstens muss es darum gehen, weniger Emissionen zu verursachen. Darauf zahlen unsere Energieeffizienzprogramme für die Betriebe ebenso ein wie das 30-Prozent-Bio-Ziel oder unsere Initiative „Zu gut für die Tonne“.

Und natürlich müssen wir die Tierhaltung zukunftsgerecht umbauen, das bedeutet weniger Tiere im Stall und damit weniger Emissionen. Was die konventionelle Tierhaltung vom Öko-Bereich lernen kann, ist übrigens auch das Thema Flächenbindung.

Oekolandbau.de: Die Landwirtschaft ist von den Klimafolgen unmittelbar betroffen. Wie wollen Sie die Landwirtschaft dabei unterstützen, sich darauf einzustellen?

Özdemir: Zweitens unterstützen wir die Landwirtinnen und Landwirte dabei, sich besser an die Klimaveränderungen anzupassen. Eine wichtige Rolle spielt beispielsweise die Züchtung. In diesem Sommer verdorrte das Korn teilweise am Halm. Wir brauchen deshalb Getreidesorten, Obst und Gemüse, die besser mit Dürre und Hitze umgehen können. Deshalb investieren wir unter anderem in die Öko-Züchtung. Uns allen muss aber auch klar sein: Klimafreundlich wirtschaften hat seinen Preis. Die Bäuerinnen und Bauern dürfen auf ihren Kosten nicht sitzen bleiben. Damit sich das lohnt für die Höfe, braucht es auch eine zukunftsfähige Agrarpolitik. Ich setze mich dafür ein, das System der Direktzahlungen in der GAP nach 2027 durch ein System zur Honorierung von Klima- und Umweltleistungen zu ersetzen.

Oekolandbau.de: Gesundheit, Klima und Tierschutz – alles spricht für weniger Fleischkonsum. Welche Impulse setzen Sie?

Özdemir: Es gehört zur Wahrheit dazu, dass der Fleischkonsum trotz Rückgang immer noch deutlich über dem liegt, was Gesundheitsexperten und Wissenschaft empfehlen. Und wenn man unseren Fleischkonsum in Deutschland auf die globale Bevölkerung hochrechnet, dann wären planetare Grenzen schnell erreicht. Als Vegetarier und noch dazu als Grüner ist es für die eine oder den anderen sicherlich manchmal etwas verwunderlich, wie oft ich darüber rede, die Tierhaltung zukunftsfest zu machen. Und ja, ich will, dass auch in Zukunft gutes Fleisch aus Deutschland auf den Tisch kommt – aus zukunftsfester Tierhaltung. Zukunftsfest heißt für mich: Weniger Tiere und die besser halten. Das ist nicht nur ein zentraler Hebel für weniger Fleisch. Das nützt auch den Tieren, den Landwirtinnen und Landwirten und es nützt dem Klima.

Oekolandbau.de: Welche Möglichkeiten sehen Sie noch? Wie stehen Sie zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer für Fleisch und andere tierische Produkte, um den Fleischkonsum insgesamt zu reduzieren?

Özdemir: Eine weitere wichtige Stellschraube ist für mich die Außer-Haus-Verpflegung. Viele essen mehrmals in der Woche in der Kantine auf der Arbeit, in der Schule oder in der Mensa. Hier liegt viel Potenzial für Veränderung. Nicht nur mit Blick auf mehr Bio sondern auch, was die Ausgewogenheit der Ernährung angeht. Unsere Maxime in der Ernährungspolitik muss sein, den Menschen eine gesunde und nachhaltige Ernährung so einfach wie möglich zu machen. Viele Menschen haben sich selbst schon auf den Weg gemacht, das zeigt unser Ernährungsreport. Mehr Menschen essen vegetarisch oder vegan.

Oekolandbau.de: Manche Menschen können sich Bio-Produkte nicht leisten. Andere sparen nicht nur in Krisenzeiten am liebsten an Lebensmitteln. Wie lässt sich das ändern?

Özdemir: Der Ernährungs- und Landwirtschaftsminister muss selbstverständlich sozial sein, ersetzt aber keine Sozialpolitik. Um einkommensschwache Bevölkerungsgruppen zu entlasten, bedarf es eines umfassenden Ansatzes. Hier müssen wir unsere sozialpolitischen Instrumente prüfen und dort, wo es notwendig ist, erweitern! Es geht um zielgenaue Maßnahmen – die Einführung des Bürgergeldes mit höheren Regelsätzen beispielsweise ist der richtiger Weg. Was Bio angeht, kann man auch selbst etwas Einfluss auf die Mehrkosten nehmen. Entscheidende Faktoren sind etwa, ob man regional und saisonal kauft, wieviel Tierisches man isst, ob man frisch kocht oder wieviel man wegschmeißt.

Warum feiern wir den EU-Bio-Tag?

Um die ökologische Wirtschaftsweise voranzubringen, rief die EU 2021 den 23. September als EU-Bio-Tag aus. Das Datum ist nicht zufällig gewählt: am 23. September sind Tag und Nacht gleich lang (auch Herbst-Äquinoktium genannt). Ein perfektes Symbol für das Gleichgewicht in der ökologischen Produktion zwischen Landwirtschaft und Umwelt, wie der EU-Kommissar für Landwirtschaft, Janusz Wojciechowski, findet. Durch diesen Feiertag sollen alle Akteurinnen und Akteure für die Bedeutung und Vorteile des Öko-Landbaus gewonnen werden.

Der EU-Bio-Tag – auch für die Demonstrationsbetriebe Ökologischer Landbau ein Fest!

Denn das bundesweite Netzwerk der Demonstrationsbetriebe Ökologischer Landbau wird 20 Jahre alt! So lange ist auch der Demeterhof Breit in Wittlich schon als engagierter Demonstrationsbetrieb dabei. Dort wurde am EU-Bio-Tag die Jubiläumswoche eingeläutet. Gemeinsam mit einer Schulklasse wurde gefeiert, stellvertretend für eine der Kernzielgruppen des Projekts. Besonders beeindruckend war da der Besuch der Hühnermobile. Denn wer hat schon einmal Hühnern beim "Camping" zugesehen und mitgeholfen, Eier für den Hofladen zu sammeln?

"Genau darum geht es bei den Demonstrationsbetrieben. Aktuell geben 290 Bio-Betriebe aus ganz Deutschland authentische Einblicke in die Öko-Landwirtschaft", erläutert Elmar Seck, Referent im Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL), die Intention des Netzwerkprojekts. Deren Mitglieder präsentieren sich in enormer Vielfalt vom kleinen Rosenhof bis zum großen Ackerbaubetrieb, von der Bio-Imkerei bis zum Stutenmilch-Familienbetrieb, vom Erlebnisbauernhof bis zum Direktvermarkter. Die Bio-Betriebe öffnen Ihre Türen und Tore für alle Interessierten, laden zu Veranstaltungen, Festen und Hof-führungen ein und bieten dabei Dialog und Vernetzung. Mittlerweile gibt es spezielle Fortbildungsangebote für pädagogische Fach- und landwirtschaftliche Nachwuchskräfte. Außerdem werden auf den Bio-Höfen immer mehr Termine für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Kitas und Schulen angeboten.

20 Jahre oekolandbau.de!

2002 wurde unter Renate Künast, der damaligen Landwirtschaftsministerin, das Informationsportal www.oekolandbau.de ins Leben gerufen. Mittlerweile ist es die größte deutschsprachige Webseite für Informationen rund um den ökologischen Landbau. Weit über zwei Millionen Menschen informieren sich jährlich auf dem Portal über die neuesten Entwicklungen der Bio-Branche. Im wöchentlichen Newsletter berichten wir über Themen der gesamten Bio-Wertschöpfungskette, aktuelle Nachrichten, neue Erkenntnisse der Öko-Forschung und bieten hilfreiche Tools für die Praxis an.

Kochbuch zu gewinnen!

Zu diesem runden Geburtstag verlosen wir gemeinsam mit den BIOSpitzenköchen ein Kochbuch! Gewinnen Sie – mit etwas Glück – das neue Kochbuch "Scheunenwirtin" von Renate Lieb. In ihrem Kochbuch lüftet sie mit 80 Rezepten das Geheimnis ihrer einzigartigen, einfach-raffinierten Küche und gibt Tipps für nachhaltiges Wirtschaften.

Ihre Menüs werden von den Zutaten bestimmt, die die Natur gerade zur Verfügung stellt. Was nicht im eigenen bio-zertifizierten Gemüse- und Kräutergarten oder auf ihren artenreichen Streuobstwiesen wächst, kommt fast ausschließlich von umliegenden Bio-Betrieben. Mehr als 30 regionale Bio-Höfe beliefern die Scheunenwirtin und ihr Dementer HofGut.

Zum Gewinnspiel

Bio-Küche – ein Fest für Umwelt und Geschmack!

Die "BIOSpitzenköche" sind eine in Deutschland einzigartige Kochvereinigung. Die 24 Profiköchinnen und -köche setzen sich für ökologisch und fair erzeugte Lebensmittel in der Außer-Haus-Verpflegung ein. Ihre Lieferantinnen und Lieferanten kennen sie persönlich, von der Qualität und der Erzeugung ihrer Zutaten überzeugen sie sich am liebsten direkt vor Ort. So unterstützen sie eine schonende und nachhaltige Landwirtschaft, die Tiere, Natur und Klima schützt.

Mehr Informationen zu den BIOSpitzenköchen:

Wie gut kennen Sie sich mit dem Öko-Landbau aus?

Testen Sie Ihr Wissen zur ökologischen Wirtschaftsweise in unserem Bio-Quiz.

Wie ökologisch ist Deutschland?

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat den Öko-Landbau als Leitbild für eine nachhaltige Landwirtschaft ausgerufen. Bis 2030 sollen 30 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche ökologisch bewirtschaftet werden. Damit dies gelingt, gibt es zahlreiche Maßnahmen.

Wie ökologisch ist die EU?

Mit dem Green Deal hat die EU-Kommission einen ambitionierten grünen Wachstumsplan vorgelegt. Kernziel ist es, dass Europa 2050 der erste klimaneutrale Kontinent sein wird. Dafür ist ein radikaler Umbau der bisherigen Wirtschaftsweise notwendig:

  • Es sollen keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden.
  • Der Ressourcenverbrauch und das Wirtschaftswachstum sollen dauerhaft entkoppelt werden.
  • Das Naturkapital soll bewahrt und verbessert werden.
  • Und die Menschen sollen vor umweltbedingten Risiken und Auswirkungen geschützt werden. 

Vor diesem Hintergrund spielt die Farm-to-Fork-Strategie der EU eine zentrale Rolle. Diese zielt darauf ab, ein nachhaltigeres Lebensmittelsystem in der EU zu schaffen. Dabei liegt eine ganzheitliche Betrachtung des Systems in Form einer Kreislaufwirtschaft vom Acker bis zur Gabel im Fokus. Mit einem Aktionsplan zur Entwicklung des Bio-Sektors hat die EU 23 Maßnahmen zusammengefasst, um die Transformation zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem erfolgreich zu gestalten. Dadurch soll unter anderem die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft erleichtert, die Öko-Forschung ausgebaut und die Nachfrage nach biologischen Lebensmitteln insgesamt gestärkt werden.

Die Internationale Vereinigung der ökologischen Landbaubewegung (IFOAM) vergibt anlässlich des EU-Bio-Tags am 23. September den EU-Organic-Award. In sieben Kategorien werden Akteurinnen und Akteure der europäischen Bio-Branche für ihre besonderen Leistungen ausgezeichnet.


Letzte Aktualisierung 21.09.2022

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