Gastronomie als Türöffner für Bio-Kitzfleisch

Gastronomie als Türöffner für Bio-Kitzfleisch

Die Gastronomie ist dafür geschaffen, Verbraucher und Verbraucherinnen an eher unbekannte Produkte heranzuführen. Einmal mehr bestätigt dies das Projekt "Bio-Kitze und Bio-Lämmer wertschätzend in Süddeutschland vermarkten (BioLämmer)". Mit einem Kitz- und Lammfleisch-Wiki, Genusswochen in der Gastronomie, Kochkursen und vielem mehr hat ein Bündnis von Bio-Schaf- und Ziegenmilcherzeugern, Öko-Verbänden und Bio-Molkereien für das hochwertige Bio-Fleisch von Kitz und Lamm geworben.

Ziegenkäse ist mittlerweile eine beliebte Spezialität. Doch nur wenigen Verbraucherinnen und Verbrauchern ist klar: Die Milch für den Käse kann nur fließen, wenn eine Ziege gelammt hat. Und die Hälfte der Kitze sind männlich. Neben geschmacklichen Vorbehalten kommt hinzu, dass das Fleisch der Zicklein kaum im Handel angeboten wird. Auch mit der Vermarktung von Lammfleisch hapert es. Das liegt weniger an der fehlenden Nachfrage, sondern an ineffizienten Strukturen. Der Bio-Lammfleischmarkt ist in Deutschland wenig organisiert, sodass der Verkauf des Fleisches für die einzelnen Schäfereien häufig nicht genug einbringt. Lammfleisch kostendeckend zu vermarkten ist für das Überleben der Betriebe jedoch existenziell.  

Deshalb hat sich das Ende 2023 abgeschlossene BioLämmer-Projekt dafür eingesetzt, in Bayern und Baden-Württemberg das Fleisch der jungen Wiederkäuer besser und effizienter zu verkaufen. Wirtschaftlich tragfähige Wertschöpfungsketten und wertschätzende Marktbeziehungen waren das Ziel – von Erzeugungs- und Verarbeitungsbetrieben über den Handel und die Gastronomie bis hin zu Verbraucherinnen und Verbrauchern. Neben dem Bioland Erzeugerring Bayern e. V. und der Vereinigung der Schaf- und Ziegenmilcherzeuger e. V. gehörten der Demeter Baden-Württemberg e. V., die Andechser Molkerei Scheitz GmbH und die Monte Ziego GmbH &Co. KG zu den Projektpartnerinnen und -partnern des BioLämmer-Projektes, das über das Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft finanziell gefördert wurde.  

Probieren gegen Vorbehalte  

Wer das Ziegenlammfleisch probiert, ist schnell von Qualität und Geschmack überzeugt – und dass es keineswegs "bockig" schmeckt, wie Agrarmarktexpertinnen und -experten der Universität Kassel bei Verkostungen im Lebensmitteleinzelhandel herausfanden. Ein Live Cooking-Event des BioLämmer-Projekts auf der Stuttgarter Slowfood-Messe mit dem Sternekoch Detlev Ueter hat diese Erfahrung bestätigt. Für den Sternekoch spielt Ganztierverwertung von Ziege und Lamm schon seit Jahren eine Rolle. Mit seinem Buch "Lamm und Zicklein – nose to tail" liefert er wertvolle Impulse für köstliche Gerichte jenseits von Filet und Entrecôte .   

Mit Genusswochen Bio-Kitzfleisch bewerben

Wie es der Gastronomie gelingen kann, Verbraucherinnen und Verbraucher auf den Geschmack von Kitzfleisch zu bringen, zeigen neben Aktionen wie "Allgoiß" im Allgäu und "Zickensommer" im Spessart die Genusswochen "Schwarzwälder Geißgenuss" im Rahmen des BioLämmer-Projektes.

Auch wenn Restaurants keine großen Stückzahlen abnehmen, war für uns die Gastronomie ein enorm wichtiger Partner und Türöffner", so Angelika Esser, die das BioLämmer-Projekt geleitet hat.

Sie ist überzeugt, dass man Verbraucherinnen und Verbraucher auf keinem anderen Wege so gut erreichen könne wie über den Geschmack. Daher seien Genusswochen so wertvoll und die Gastronomie ein so wichtiger Partner für die Markt- und Nachfrageentwicklung.  

Die Gastroaktion "Schwarzwälder Geißgenuss" entstand in Kooperation mit der Bio-Musterregion Freiburg und Slow Food Freiburg. An der Aktion beteiligten sich 2022 dreizehn Gastronomiebetriebe in und um Freiburg – vom Landgasthof bis zur Kantine und Spitzengastronomie. Im zweiwöchigen Aktionszeitraum gelang es, allein 72 Kitze von vier Betrieben zu vermarkten. Eingeläutet wurde die Aktion mit einer Pressekonferenz im Freiburger Vier-Sterne-Hotel Colombi. 

Im Vorfeld wurden in Tourismusbüros Plakate aufgehängt und in den Restaurants selbst die Gäste mit ansprechenden Tischaufstellern über das aktuelle Angebot informiert.

"Das Ziel der Aktion haben wir mehr als erreicht: Es gab eine tolle Resonanz: Manche Gäste sind sogar mehrfach gekommen und bis auf die Kantine wollen alle Restaurants wieder mitmachen", freut sich Angelika Esser. In den Genusswochen organisierte das Projektteam für die teilnehmenden Restaurants die regionale Warenbeschaffung, das Marketing und die Mediensichtbarkeit. Diese profitierten davon in mehrfacher Hinsicht.

Mit dem Zickleinfleisch hat das Restaurant ein neues Produkt für seine Speisekarte gewonnen und  kostenlos Werbung erhalten. Zudem erfährt eine Gemeinschaftsaktion mehr Aufmerksamkeit, als wenn ein Gastronomiebetrieb eine solche Aktion alleine durchführt", erläutert die BioLämmer-Projektleiterin. 

Visionäre Gastronomen

Die BioLämmer-Projektleiterin hat auch in anderen Regionen die Genusswochen eingeführt und im Raum München und Augsburg Ziegenbetriebe und Gastronominnen und Gastronome zusammengebracht. Ihrer Erfahrung nach hilft es bei der Akquise von Restaurants, wenn man dort auf Persönlichkeiten trifft, die "visionär denken und ihre Visionen gerne an ihre Gäste kommunizieren. Die bekommt man dafür begeistert", so Esser. Bestes Beispiel dafür ist das Münchner Restaurant "Der Pschorr".  Das Restaurant direkt am Viktualienmarkt hat die Mission, die heimische Landwirtschaft zu unterstützen, und will seine Gäste mit Raritäten wie Bio-Kitzfleisch aus der Region verwöhnen.

Die Wertschätzung gegenüber diesem Produkt muss wachsen und hier haben wir als Gastronomie die Möglichkeit zu helfen. Dadurch kommen natürlich auch unsere Gäste in den Genuss eines besonderen Lebensmittels, welches nicht in jeder Gastronomie angeboten wird." Geschäftsführer Jürgen Lochbihler

Hierzu hat "Der Pschorr" auch einen YouTube-Kanal gestartet, unter dem Motto "Wissen wo's herkommt". Den Auftakt machte der Ziegenhof von Johannes Egger in Kempten, der das Restaurant mit Ziegenfleisch beliefert. "Ab Ende Oktober werden wir wieder unsere heimischen Ziegenfleischgerichte von unserem Partner-Landwirt Johannes Egger aus Kempten bei uns auf der Tageskarte haben und wie bei der letzten Aktion 2023 wieder alles vom Tier verwerten – from nose to tail. Stück für Stück werden wir unsere Tageskarte anpassen und unterschiedliche Gerichte anbieten", so Sebastian Pechak vom "Der Pschorr".  

"Das BioLämmer-Projekt war ein großartiges Projekt. Wir arbeiten oft mit Spezialitäten und leben davon, dass wir Geschichten erzählen", ergänzt Jessica Siebenborn vom "Der Pschorr".  "Viele unserer Gäste hatten zunächst Angst, dass das Ziegenfleisch zäh ist und nach Bock schmeckt. Unsere Köche achten aber darauf, dass das Fleisch vielseitig und ansprechend zubereitet wird. Nach dem Essen ist die Resonanz der Gäste dann sehr positiv."

Der Pschorr: Wissen wo's herkommt – Zu Besuch beim Ziegenhof Egger in Kempten


Vielfältige Gerichte

Die Köchin Luka Lübke von der Slow Food Chef Alliance hat speziell für das BioLämmerprojekt Rezepte entwickelt, mit denen sich auch weniger gefragte Fleischteile verwerten lassen: von Zitronen-Fenchel-Gerste mit Herz und Bries vom Zicklein sowie würzigen Hackbällchen mit Rosinen und Walnüssen bis zu Zicklein-Haxen in Rotwein. Mit diesen und anderen Gerichten können kreative Köchinnen und Köche das vielfältige Potenzial von Kitz- und Lammfleisch voll ausspielen.

Ob Bio-Lammrücken mit Kräuterkruste oder Rahmgulasch vom Bio-Zicklein mit Pilzen oder ein deftiges Ragout aus Lunge, Niere, Herz und Zunge in einer sauren Rahmsoße, allerlei ist möglich. Dabei sind der Kreativität der Köchinnen und Köche keine Grenzen gesetzt", ergänzt Susann Lankisch, Küchenleiterin des Bioland-Restaurants Waldvogel im oberschwäbischen Leipheim

Grundsätzlich gilt: Alle Gerichte lassen sich mit beiden Fleischsorten zubereiten, Lamm ist nur größer und meist etwas fetter als Ziegenfleisch.

Allgoiß

Um die Bio-Ziegenbetriebe im Allgäu bei der regionalen Vermarktung ihrer Jungziegen zu unterstützen, startete die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) mit der Öko-Modellregion Oberallgäu Kempten 2019 die Aktion "Allgoiß". Ziel war es, das Bio-Ziegenfleisch in die Allgäuer Gastronomie zu bringen. Der Name "Allgoiß" setzt sich aus Allgäu und der in Süddeutschland gebräuchlichen Bezeichnung für Ziege, der Goiß, zusammen. Die Jungziegen stammen von drei Bio-Betrieben aus der Öko-Modellregion Oberallgäu Kempten. 

Die Aktion "Allgoiß" läuft einmal jährlich im Herbst. Die Genusswochen 2024 haben vom 27. September bis zum 6. Oktober 2024 statt gefunden. Interessierte Gastronomiebetriebe können sich gerne wenden an Cornelia Bögel, E-Mail: cornelia.boegel@lra-oa.bayern.de.

Weitere Infos finden Sie online auf der Webseite der Öko-Modellregion Bayern.   

Zickensommer  

Der SPESSARTregional e. V. hat 2018 die Aktion "Zickensommer" ins Leben gerufen, zusammen mit Bio-Landwirtinnen und Bio-Landwirten, Gastronomiebetrieben, einer Metzgerei und dem Handel. 2024 fand der "Zickensommer" vom 15. Juni bis 7. Juli statt. Der hessische Verein unterstützt die Aktion "Zickensommer" jährlich mit einem Flyer, der alle Partner und die Idee, die hinter der Aktion steckt, vorstellt. Speziell für die Gäste und die Kundinnen und Kunden wurde ein Aromenkompass entwickelt mit grundsätzlichen Infos zum Fleisch, zu passenden Gewürzen und mit Rezepten von ausgewählten Gerichten. Im zweiten Aromenkompass werden die drei teilnehmenden Ziegenbetriebe und deren Lieblingsgericht vorgestellt. Ansprechpartnerin: Sabine Jennert, SPESSARTregional e. V., E-Mail: jennert@spessartregional.de.

Weitere Infos unter zickensommer.de.

Lamm-Rezepte der BIOSpitzenköche


Letzte Aktualisierung 14.11.2024

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