Urgetreide haben Körner, die vom Spelz umgeben sind. Dabei handelt es sich um trockene Schalen, die die Blüten umhüllen. So sitzen die Spelze vom Dinkel so fest, dass der Mähdrescher sie nicht ablösen kann. So wird Dinkel und anderes Spelzgetreide wie Emmer und Einkorn vor der Weiterverarbeitung in Getreidemühlen mittels Gummiwalzenschälern oder Vertikalschleifern in einem gesonderten Arbeitsschritt zunächst entspelzt. Dieser Zwischenschritt ist beim Weizen, einem Nacktgetreide, nicht erforderlich, da direkt das ganze Korn gedroschen wird.
Auch die Verarbeitungseigenschaften der Urgetreidesorten unterscheiden sich zum Teil deutlich vom Weizen. Das erfordert von den Bäckerinnen und Bäckern viel handwerkliches Know-how und Geschick. So besteht bei Dinkel grundsätzlich eine Neigung zu sehr weichen Klebern. Deshalb können die Mehle teilweise zu weichen und nachlassenden Teigen neigen. Hier muss in der Bäckerei gegengesteuert werden. Auch Einkorn und Emmer haben die Tendenz zu klebrigen, laufenden Teigen ohne Gärstabilität. Emmer hat zum Teil sehr hohe Rohproteingehalte. Auch der Gehalt an Klebereiweiß ist höher als im Weichweizen.
Mehle aus Urgetreidearten sind weitaus sensibler, zum Beispiel bei der Knetung. In der Regel müssen Teige aus Urgetreidemehlen langsamer und länger geknetet werden. Ein Überkneten führt dagegen schnell zu klebrigen Teigen. Um die Besonderheiten des Urgetreides zu kennen, sind hier die wesentlichen Merkmale aufgeführt:
Dinkel weist zwar einen hohen Proteingehalt auf, enthält im Vergleich zu Weizen aber mehr Gliadin und weniger Glutenin, was unmittelbaren Einfluss auf die Backeigenschaften hat. Der Dinkelkleber ist dehnbarer, aber empfindlicher gegenüber mechanischer Beanspruchung. Daher besteht die Gefahr des Überknetens. Die Teige werden dann weicher, klebriger und strukturlo-ser, was zu Broten mit flacherem Querschnitt und kleinerem Volumen führt. Aus diesem Grund sollten Dinkelteige weniger intensiv, also langsamer und kürzer, geknetet werden. Durch Zugabe geringer Mengen Ascorbinsäure oder Acerolapulver als Backhilfsmittel lassen sich in der Bio-Bäckerei die Klebereigenschaften von Dinkelteigen stabilisieren. Um dem Trockenbacken ent-gegenzuwirken, muss Dinkelteigen – insbesondere beim Backen mit Vollkornmehl – deutlich mehr Wasser hinzugefügt werden als bei Weizenteigen.
Khorasan-Weizen entstand durch die spontane Kreuzung von Weizenarten und ist eng mit Hartweizen verwandt. Er verfügt aufgrund der guten Kleberqualitäten über vergleichsweise gute Backeigenschaften. Die geschützte Produktbezeichnung für Khorasan-Weizen aus biologischem Anbau ist Kamut. Aufgrund des hohen Gehalts an Klebereiweiß eignet sich die Weizensorte besonders für elastische Teige wie Nudeln oder Backwaren.
Urroggen beziehungsweise Waldstaudenroggen gehört ebenfalls zu den wiederentdeckten Getreidearten. Er enthält viel Eiweiß und Mineralstoffe, B-Vitamine und um etwa 50 Prozent mehr Ballaststoffe als herkömmlicher Roggen. Er weist allerdings keine optimalen Backeigenschaften auf und wird daher Roggenbroten oftmals beigemischt, um den Geschmack zu intensivieren und den Ballaststoffgehalt zu erhöhen. Daneben verleiht er Brotwaren eine dunkle Färbung. Auch Urgerste wird nach Angaben der Initiative Urgetreide e. V. zunehmend in Bäckereien eingesetzt. Sie gehört neben Einkorn und Emmer zu den ältesten kultivierten Getreidesorten.