Oekolandbau.de: Werden bei Nachbau und Vermehrung von CCPs auch Nachbaugebühren fällig?
Dr. Vollenweider: Für CCPs kann kein Sortenschutz beantragt werden, da es sich nicht um Sorten handelt. Somit werden bei der wiederholten Aussaat und Ernte von Populationen auch keine Nachbaubaugebühren fällig. Für die ökologischen Züchtungsinitiativen bedeutet dieser Umstand jedoch keine fundamentale Änderung der Situation, da sie nicht mit der Saatgut-Treuhand zusammenarbeiten, die die Nachbaugebühren einzieht. Ökologische Züchtungsarbeit wird heute vorwiegend von freiwilligen Spenden getragen.
Oekolandbau.de: Wenn der Nachbau ohne Selektion vermehrt wird, gibt es dann überhaupt noch züchterischen Fortschritt? Und wird dieser künftig ausreichen?
Dr. Vollenweider: Wichtig ist festzuhalten, dass CCPs die klassische Linienzüchtung nicht ersetzen, sondern ergänzen sollen. CCPs können durchaus züchterisch verbessert werden, aber die Linienzüchtung bleibt meines Erachtens für einen raschen und gezielten züchterischen Fortschritt auch in Zukunft unverzichtbar. CCPs können jedoch einen wesentlichen Beitrag zur dynamischen Erhaltung und Verbreiterung der genetischen Ressourcen für die Züchtung leisten. Die genetische Diversität kann in Populationen kostengünstiger erhalten werden als in Genbanken und sich dynamisch an neue Umweltbedingungen anpassen. Linien- und Populationszüchtung ergänzen sich dadurch ideal: Interessante Pflanzen aus dem dynamischen Genreservoir der CCPs können Ausgangsmaterial für die klassische Linienzüchtung sein. Umgekehrt können neue Sorten aus der Linienzüchtung zur Erzeugung von CCPs genutzt werden und damit auch der züchterische Fortschritt aus diesen Zuchtprogrammen.
Oekolandbau.de: Sind Anbauer die besseren Züchter? Brauchen sie mehr Mitsprache bei der Züchtung?
Dr. Vollenweider: Grundsätzlich ist es unbedingt zu begrüßen, wenn Landwirtinnen und Landwirte stärker in die Festsetzung von Zuchtzielen und in die Züchtungsarbeit einbezogen werden. CCPs eignen sich dabei besonders gut für die Einbindung der Landwirtinnen und Landwirte, da die Entwicklung standortangepasster Populationen notwendigerweise dezentral erfolgen muss und Betriebe die Selektion übernehmen können. Voraussetzung dafür ist ein enger Austausch zwischen Züchtung und Landwirtschaft, um etwa Selektionskriterien und -methoden abzustimmen.
Oekolandbau.de: Wie hoch ist der Ertragsunterscheid bei CCPs im Vergleich zu Liniensorten?
Dr. Vollenweider: Leistungsprüfungen auf dem Dottenfelderhof und an anderen Standorten haben gezeigt, dass einige Weizen-Populationen mit sehr hoher Backqualität unter ökologischen Bedingungen vergleichbare Erträge wie Referenzliniensorten erreichen. An die Erträge der ertragsstärksten Liniensorten reichen die bisher gezüchteten Populationen jedoch nicht heran. Aber der Vergleich von Sorten mit solch unterschiedlichen Qualitätseigenschaften ist auch nicht sinnvoll. Allgemein können Populationen unter optimalen Anbaubedingungen noch nicht mit der Leistungsfähigkeit von Linien- und Hybridsorten mithalten. Unter schwierigen Bedingungen wie Trockenheitsstress oder hohem Krankheitsdruck wurde jedoch wiederholt gezeigt, dass sich Populationen im Vergleich zu den Standardsorten besser behaupten.
Oekolandbau.de: Und wie ist es mit der Qualität, etwa beim Proteingehalt?
Dr. Vollenweider: In Forschungsprojekten der Forschung und Züchtung Dottenfelderhof und der Universität Kassel konnte gezeigt werden, dass CCPs stabile Qualitätseigenschaften aufweisen, wenn bei der Zusammenstellung der Population Wert auf eine ausreichend hohe Backqualität gelegt wird. Tatsächlich weisen zum Beispiel unsere Winterweizen-Populationen Brandex und Liocharls eine sehr gute Backqualität auf, bei leicht überdurchschnittlichen Erträgen im Vergleich zu den Referenzsorten.
Oekolandbau.de: Wie wirtschaftlich ist es, Landrassen statt Hochleistungssorten zu säen?
Dr. Vollenweider: Landwirtinnen und Landwirte müssen abwägen, wie sie die Kriterien Höhe des Ertrags und Ertragsstabilität bei der Wahl des Sortentyps gewichten wollen. Bei der Ertragsstabilität zeigen CCPs Vorteile gegenüber Liniensorten. Zudem verfügen Populationen über das Potenzial, selbst bei geringeren Inputs an Dünge- und Pflanzenschutzmitteln zufriedenstellende Erträge zu erzielen. Auch Grenzstandorte sind für den Anbau von Populationen besonders geeignet.
Werden die Populationen als lokale Spezialität vermarktet, kann zudem für Landwirte und Verarbeiter zusätzliche Wertschöpfung generiert werden. Zu diesem Zweck kann es notwendig sein, Konsumenten und Verarbeitern das Konzept der Getreide-Populationen zu erklären. Auf jeden Fall ist dies eine anspruchsvolle Aufgabe, die wir im Rahmen des EIP-Agri-Projekts "Entwicklung und Anbau von standortangepassten Getreide-Populationen in Hessen" verfolgen.
Oekolandbau.de: Bei welchen Schaderregern sind CCPs besser gewappnet als speziell gezüchtete oder resistente Sorten?
Dr. Vollenweider: Klare Vorteile haben CCPs bei Blattkrankheiten wie verschiedenen Rostarten. Aufgrund ihrer genetischen Diversität kann eine Population Pflanzen mit verschiedenen Resistenzen gegenüber Krankheitserregern enthalten. Sogenannte Barrieren- und Abstandseffekte behindern dadurch die schnelle Ausbreitung von Blattkrankheiten in CCPs. Bei samenbürtigen Krankheiten wie Steinbrand bieten dagegen resistente Sorten aus der Linienzüchtung mehr Schutz, sodass auch hier die Kombination beider Züchtungsansätze den größten Erfolg verspricht.
Oekolandbau.de: Gibt es neben den rechtlichen Einschränkungen noch weitere Probleme, die der Verbreitung von CCPs im Wege stehen?
Dr. Vollenweider: Eine große Hürde ist die abnehmende Hand, sprich die Mühlen und Verarbeiter. Sie bevorzugen Sorten mit bekannten Eigenschaften und Qualitäten. Um Mehl in gleichbleibender Qualität zu erzeugen, werden Sorten mit unterschiedlichen Eigenschaften gemischt. Die Akzeptanz von CCPs bei Verarbeitern ist aus zwei Gründen gering: Zum einen werden Populationen als Mischung mit undefinierten Eigenschaften angesehen, obwohl diese sehr wohl über stabile Qualitätseigenschaften verfügen. Zum anderen fehlt es schlicht an Mengen, für die sich Lagerhaltung lohnen würde. Deshalb bleiben CCPs vorerst eine Nische, die eher für kleine Mühlen und Bäckereien interessant ist.