Laut Projektleiter Werner Vogt-Kaute, Berater beim Bio-Verband Naturland, erscheint es zumindest in Bezug auf den Ertrag vielversprechender zu sein, Weizensorten in das Weizengras einzukreuzen, statt die Wildform weiterzuentwickeln. "Allerdings gibt es hier einen Konflikt bei der Kreuzung. Denn je höher die Weizenanteile, desto höher der Ertrag, aber desto weniger ausdauernd sind die gezüchteten Kreuzungen", sagt Vogt-Kaute.
So beobachtete er bei allen angebauten Linien einen massiven Ertragseinbruch im dritten Anbaujahr. Beim Blick auf die insgesamt bescheidenen Erträge verweist der Fachberater darauf, den gesamten Biomasseertrag im Blick zu behalten. Denn bei besserer Wasserversorgung als in den Versuchsjahren treiben mehrjährige Linien nach der Ernte nochmal aus und müssen vor dem Winter noch einmal geschnitten werden. Dieser Aufwuchs ließe sich laut Vogt-Kaute gut als Futter verwerten.
Mehrjähriger Weizen erreicht Backqualität
Zudem verweist er darauf, dass die Ernte der getesteten mehrjährigen Weizenlinien durchweg Backqualität erreicht hat. "In einem Nischenmarkt besteht dafür durchaus Vermarktungspotenzial, wenn es gelingt, die ökologischen Vorzüge der mehrjährigen Kultur zu kommunizieren", meint der Fachmann. Deshalb könnte der Anbau schon jetzt an Grenzstandorten oder auf ungünstig geschnittenen Flächen sinnvoll sein. "Aber nur für einen zweijährigen Anbau", betont Vogt-Kaute.
Prof. Heinrich Grausgruber, Züchtungsexperte an der Universität für Bodenkultur in Wien, sieht grundsätzlich noch erheblichen Züchtungsbedarf, um mehrjährigen Weizen tatsächlich in der Praxis zu etablieren. Eine intensivere Züchtung sollte aus seiner Sicht vor allem beim Tausendkorngewicht (TKG) beziehungsweise der Korngröße ansetzen, um die zu geringen Erträge zu verbessern. "Hier wären bei manchen Genotypen durchaus deutliche Steigerungen möglich", glaubt Grausgruber.
Zu wenig Forschung
Für dieses Ziel müssten nach seiner Einschätzung die Forschungsanstrengungen in Europa deutlich erhöht werden. Zurzeit werde das Thema nur in Einzelprojekten behandelt. Hinzu komme, dass die Züchtung von Weizen kompliziert sei, da sich manche neuen Eigenschaften aufgrund des sechsfachen Chromosomensatzes (Hexaploidie) von Weizen schwer etablieren ließen.
Ein etwas größeres Potenzial sieht er dagegen für mehrjährigen Roggen. Bei Versuchen über drei Jahre hinweg mit ungarischen Kreuzungen aus einjährigen Sorten mit mehrjährigem Bergroggen waren die Wiederaustriebskraft und die Unkrautunterdrückung deutlich besser als bei mehrjährigen Weizenlinien. Zudem entwickelten die mehrjährigen Linien wesentlich mehr Wurzelmasse in den oberen Bodenschichten.
Hohe Grünmasseerträge bei Roggen
Die Grünmasseerträge erreichten im ersten Jahr zum Teil das Niveau einjähriger Sorten, fielen im zweiten und dritten Jahr aber um etwa 50 Prozent ab. "Aber hier wäre es wirklich sehr spannend, die Züchtung zu vertiefen. Dafür wären jedoch Langzeitstudien über zehn Jahre hinweg notwendig, um festzustellen, wie viele Jahre eine mehrjährige Kultur unter Berücksichtigung pflanzenbaulicher und ökonomischer Aspekte tatsächlich genutzt werden kann", sagt Grausgruber.
Weniger überzeugend sieht er dagegen die Bemühungen bei der züchterischen Bearbeitung von Weizengras. "Wir hatten bei unseren Versuchen sehr schwache Ernten mit sehr kleinen Körnern mit sehr hohem Spelzanteil. Außerdem befürchte ich, dass es bei nachfolgenden Kulturen Probleme mit Durchwuchs geben kann", glaubt Grausgruber.
Erste Erfolge bei mehrjährigem Reis
Dass der Ansatz von mehrjährigem Getreide keine fixe Idee ist, zeigt das Beispiel Reis. Hier gibt es seit vielen Jahren vor allem in China intensive Züchtungsprogramme, deren Arbeit jetzt Früchte trägt. Mit der ersten entwickelten Reissorte PR23 können bei zweijährigem Anbau schon jetzt vergleichbare Erträge wie bei einjährigen Sorten erzielt werden. Aktuell arbeiten die Forscherteams daran, dieses Ertragsniveau über fünf Jahre zu halten.