Welches Potenzial hat die Düngung nach der Kinsey-Methode?

Welches Potenzial hat die Düngung nach der Kinsey-Methode?

An der Düngungsmethode nach Albrecht/Kinsey scheiden sich die Geister. Wissenschaft und Beratung sehen das Konzept kritisch, während das Konzept viele Praxisbetriebe überzeugt, vor allem im Ökolandbau. Wir haben einen Berater und einen Gemüseprofi nach ihren Einschätzungen und Erfahrungen gefragt.

Die Versprechen der Albrecht/Kinsey-Methode sind groß. Mit dem alternativen Verfahren der Bodenanalyse und den daraus abgeleiteten Düngeempfehlungen sollen die Struktur, die Biologie und die Chemie eines Bodens in ein optimales Gleichgewicht gebracht werden. Das erhöht in der Kinsey-Theorie langfristig die Bodenfruchtbarkeit, sorgt für höhere Erträge, bessere Qualitäten und gesündere Pflanzen.

Konkrete Daten zur Zahl der Betriebe in Deutschland, die nach Kinsey düngen, gibt es nicht. Doch vor allem im Ökolandbau und im Bereich der regenerativen Landwirtschaft ist Kinsey durchaus populär, obwohl das Konzept wissenschaftlich umstritten ist. Im konventionellen Bereich wird die Methode dagegen kaum angewendet. Das erklärt sich auch aus der historischen Entwicklung des Kinsey-Konzepts.

Kinsey-Düngung: Konzept aus den USA

Bereits in den 1940er Jahren erarbeitete der Bodenkundler Professor William Albrecht an der Universität Missouri in den USA die Grundlagen des Konzepts. Später entwickelte der amerikanische Agrarberater Neil Kinsey die Methode weiter. Ursprünglich wurde die Bodenanalyse speziell für Anbausysteme mit geringem Nährstoffbedarf entwickelt, das heißt für den Ökolandbau und das in den USA verbreitete Low-Input-Farming mit relativ geringen Erträgen.

Doch worin unterscheidet sich die Kinsey-Methode von der VDLUFA-Bodenuntersuchung, die vom Verein Deutscher Landwirtschaftlicher Forschungsanstalten entwickelt wurde und als Standardverfahren gilt? Der größte Unterschied ist, dass Kinsey vor allem das Verhältnis der Kationen Kalzium, Magnesium, Kalium und Natrium zueinander betrachtet. Als Optimum werden 68 Prozent Kalzium, 12 Prozent Magnesium und 4 Prozent Kalium angesehen. Die Düngeempfehlungen auf Basis der Analyse zielen darauf ab, dieses Verhältnis herzustellen.

Mikronährstoffe im Fokus

Anders als beim VDLUFA-Ansatz geht es also nicht darum, entzogene Mengen einzelner Nährstoffe auf einen angestrebten Zielwert aufzudüngen, sondern Nährstoffgleichgewichte zu schaffen. Während die Hauptnährstoffe Stickstoff, Kalium und Phosphat eine geringere Rolle spielen, werden bei der Kinsey-Analyse auch die Gehalte von Mikronährstoffen und Spurenelementen wie etwa Zink, Bor und Mangan systematisch bestimmt und bei den Düngeempfehlungen berücksichtigt. Eine größere Rolle als bei der VDLUFA-Methode spielen auch der pH-Wert und die Kationenaustauschkapazität (KAK), also das Potenzial eines Bodens, Kationen zu binden und wieder abzugeben.

Der Bio-Gemüsebauer Jan Richardt hat mit der Kinsey-Methode gute Erfahrungen gemacht. Er hat im Jahr 2020 erstmals eine umfangreiche Analyse nach Kinsey vorgenommen auf den Flächen des Biohofs Christiansen in Silberstedt bei Husum in Schleswig-Holstein. Dabei wurde vor allem ein größerer Bedarf an bis zu 20 verschiedenen Mikronährstoffen festgestellt, die Richardt konsequent aufgedüngt hat.

Praktiker sieht eindeutige Effekte durch Kinsey

Die Effekte sind für ihn bis heute eindeutig: "Wir ernten im Schnitt etwa fünf Tonnen mehr Möhren pro Hektar. Aber vor allem sehen wir bei allen Gemüsekulturen und den Kartoffeln bessere Qualitäten. Wir können die Ware länger lagern, das Kraut ist gesünder und der Geschmack besser." Auch der Boden hat sich mit dem neuen Düngekonzept verändert. Er ist krümeliger und siebfähiger geworden. Zudem beobachtet er, dass die Kulturen bei anhaltender Trockenheit länger durchhalten.

Die wenigen verfügbaren wissenschaftlichen Studien zum Potenzial der Kinsey-Methode bestätigen diese positiven Erfahrungen nicht. So hatte die Düngung nach Kinsey in einem Langzeitversuch in Oberacker in der Schweiz in einer sechsjährigen Fruchtfolge mit Ackerkulturen weder Einfluss auf den Ertrag, noch auf die Qualität der Kulturen. Auch ein vor sechs Jahren gestarteter Versuch der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Bamberg mit ökologischen Gemüsekulturen zeigte keine Unterschiede zum Standardverfahren.

Fachberatung ist skeptisch

Werner Vogt-Kaute, Ackerbauberater bei der Naturland-Beratung, sieht das Konzept deshalb skeptisch. "Ich rate Betrieben von dieser Methode ab", sagt der Experte. Für ihn sind bei Kinsey drei wichtige Grundsätze nicht erfüllt, die eine gute Bodenanalyse ausmachen.

Dazu gehört für ihn ein transparenter Hinweis, mit welcher Methode der Boden untersucht wurde, und ob die daraus abgeleiteten Düngeempfehlungen für einen Standort über Feldversuche evaluiert beziehungsweise kalibriert wurden. Anders als bei Kinsey wird bei der VDLUFA-Methode seit Jahrzehnten an unterschiedlichen Standorten geprüft, ob mit den Düngeempfehlungen tatsächlich höhere Erträge erzielt werden. Außerdem sollte angegeben sein, wo und für welche Kulturen die Empfehlungen evaluiert wurden.

Aufdüngung wichtiger als Nährstoffgleichgewichte

Grundsätzlich hält der Berater den Blick auf die Nährstoffverhältnisse im Kinsey-Ansatz für korrekt, da zum Beispiel Kalzium, Kalium, Magnesium und andere Makro- und Mikronährstoffe antagonistisch wirken und ihre Verfügbarkeit für Pflanzen einseitig oder wechselseitig behindern können. "Allerdings ist es aus meiner Sicht viel ertragsrelevanter, ob ein wichtiger Nährstoff deutlich im Mangel ist und über eine angepasste Düngung nachgeliefert wird. Bei Kinsey stehen die absoluten Mengen viel weniger im Fokus und werden nicht gezielt nachgedüngt", sagt Vogt-Kaute.

Zweifel an hohen Schwefelgaben bei Kinsey-Düngung

Zudem kann der Fachmann die Empfehlungen für hohe Gaben an elementarem Schwefel von bis zu über 100 Kilogramm pro Hektar nicht nachvollziehen, die bei Kinsey üblich sind. Diese Mengen übersteigen laut Vogt-Kaute deutlich den tatsächlichen Bedarf der Pflanzen, wodurch vor allem auf Sandböden ein erhöhtes Risiko für Auswaschung besteht. Ähnliches gilt auch für den Mikronährstoff Bor, das oft in Mengen eingesetzt wird, die den Pflanzenbedarf übersteigen und zusätzlich eine toxische Wirkung entfalten können.

Ohnehin sieht er aufgrund des relativ geringen Ertragsniveaus im Ökolandbau keinen erhöhten Bedarf an Mikronährstoffen. Ausnahmen sind aus seiner Sicht zum Teil Gemüse und Leguminosen, was sich mit den Erfahrungen von Jan Richardt deckt. Denn auch beim Kleegras beobachtet der Praktiker eine deutlich bessere Wüchsigkeit, insbesondere beim Klee. "Doch dafür braucht man keine Kinsey-Analyse. Alle Mikronährstoffe können auch mit einer erweiterten VDLUFA-Methode bestimmt werden", sagt Vogt-Kaute.

Hohe Deckungsbeiträge machen größeren Düngeaufwand rentabel

Gemüseprofi Richardt prüft die Wirkung der Düngeempfehlungen über Pflanzensaftanalysen während der Vegetationsphase. Bei Bedarf werden Mikronährstoffe zusätzlich über das Blatt gedüngt. Durch die gezielte Ergänzung von Mikronährstoffen kommt er auf Mehrkosten von 300 Euro pro Hektar. "Das lohnt sich aber für uns wegen der hohen Deckungsbeiträge, die wir für Gemüse und Kartoffeln erzielen, und wegen der sichtbar besseren Qualitäten und Erträge. Bei Getreide rechnet sich dieser Mehraufwand dagegen nicht", sagt Richardt.

Auch Richardt bringt jährlich große Mengen an elementarem Schwefel aus, bis zu 75 Kilogramm pro Hektar. Er ist aber überzeugt, dass diese Mengen dem Bedarf seiner Gemüsekulturen entsprechen und nicht verloren gehen.

Leichte Standorte bieten mehr Potenzial für Kinsey-Düngung

Nach seiner Erfahrung hängt das Potenzial der Kinsey-Methode stark vom Standort ab. So hätten befreundete Betriebe auf schweren Marschböden Probleme mit der Anwendung von Kinsey gehabt und seien zur Standardanalyse zurückgekehrt. "Je leichter der Standort, desto stärker die Wirkung von Kinsey", sagt Jan Richardt. "Auf unseren humosen Sandböden passt das Konzept definitiv sehr gut."

Auch Werner Vogt-Kaute sieht positive Aspekte an der Kinsey-Methode, etwa den standardmäßigen Nachweis von Kalzium. In der VDLUFA-Analyse kann dieser Nährstoff nicht bestimmt werden, weil hier bei der pH-Wert-Ermittlung Kalziumchlorid genutzt wird. Zu wissen, wie viel Kalzium und Magnesium vorliegen, ist wichtig für die Wahl des richtigen Kalkdüngers. Häufig nutzen Betriebe standardmäßig Mischkalk mit Magnesium, obwohl genügend Magnesium im Boden ist. Hier würde ein kostengünstigerer kohlensaurer Kalk (CaCO) völlig ausreichen.

Kalziumsulfat wirkt direkt auf Bodenstruktur

"Interessant ist zudem die Wirkung von Kalziumsulfat (CaSO4), das bei Kinsey auch häufig empfohlen wird", sagt Vogt-Kaute. "Das Kalzium wird in dieser Form direkt positiv in der Krümelstruktur des Bodens wirksam. Das Kalzium aus dem üblicherweise eingesetzten Kalziumcarbonat (CaCO) braucht dagegen viel länger, um die Bodenstruktur positiv zu beeinflussen." Eine wissenschaftliche Erklärung für die schnellere Wirkung gibt es jedoch bisher noch nicht.


Letzte Aktualisierung 23.10.2025

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