Samenfeste Sorten für den Bio-Gemüsebau

Samenfeste Sorten für den Bio-Gemüsebau

Der Biolandhof Christiansen leistet echte Pionierarbeit. Betriebsleiter Heinz-Peter Christiansen züchtet neben dem Erwerbsgemüsebau samenfeste und gentechnikfreie Sorten. Das ist mühsam und arbeitsintensiv, aber für Bio-Betriebe sehr wertvoll.

Ökologisch arbeitende Gemüsebaubetriebe haben ein Problem: Der Markt für Öko-Sorten ist klein, nur wenige Unternehmen züchten und vermehren samenfeste Sorten in diesem Bereich. Bio-Betriebe müssen deshalb häufig auf konventionelle Sorten zurückgreifen. Dabei handelt es sich in der Regel um Hybridsaatgut, das nicht optimal an die Bedingungen der ökologischen Erzeugung angepasst ist und sich auch nicht vermehren lässt.

Bei Kulturen wie Blumenkohl und Brokkoli kommen zudem gentechnische Verfahren wie die Zellfusionstechnik CMS zum Einsatz, die zwar nach der EU-Ökoverordnung zulässig sind, aber von Bio-Anbauverbänden abgelehnt werden. "Den Verbands-Betrieben fehlt es hier seit Jahren an geeigneten Sorten, die einen züchterischen Fortschritt bieten", sagt Heinz-Peter Christiansen vom Biolandhof Christiansen. "Die Anbaufläche für Brokkoli und Blumenkohl geht hier deshalb immer weiter zurück."

Cytoplasmatische Männliche Sterilität (CMS)
"Unter CMS versteht man die Unfähigkeit von Pflanzen, befruchtungsfähigen Pollen zu bilden. Die Eigenschaft beruht auf Mutationen, die ausschließlich über die Mutter vererbt werden. Die mutierten Gene befinden sich nicht auf der DNA im Zellkern, sondern im Cytoplasma in den Mitochondrien. CMS wird schon lange in der Hybridzüchtung eingesetzt. Um Hybridsaatgut zu entwickeln, muss verhindert werden, dass sich die eingesetzten Mutterpflanzen selbst befruchten. Durch die Verwendung von Mutterpflanzen mit CMS wird eine Selbstbefruchtung (Selbstung) ausgeschlossen. So wird garantiert, dass die Befruchtung durch den Pollen der Vaterpflanze erfolgt." (Quelle: transgen.de)

Jahrelange Erfahrung in der Züchtung von samenfesten Sorten

Der Betriebsleiter erkannte diese Entwicklung schon vor 15 Jahren und wollte etwas dagegensetzen. So begann der Biolandhof Christiansen damit, neben dem eigenen Erwerbsanbau neue Bio-Gemüsesorten zu züchten. Unter geeignet versteht Christiansen vor allem gentechnikfreie und samenfeste Sorten, die nachbaufähig sind, und die neben guten Erträgen auch den wachsenden Verbraucheransprüchen an Qualität und Geschmack gerecht werden.

Nach einem Start im kleinen Rahmen wurde die Züchtung auf dem Hof immer weiter professionalisiert. Bis heute sind auf dem Betrieb zehn Amateursorten und sechs zugelassene Sorten entwickelt worden, vor allem für Möhren, Rote Bete und Pastinaken. Zudem sind derzeit sechs vielversprechende Brokkoli-Sorten und zwölf Blumenkohl-Sorten in züchterischer Bearbeitung, die laut Christiansen als Königsdisziplin in der Züchtung gelten.

Hoher Arbeitsaufwand für zukunftsfähige Gemüsesorten

Die Kreuzung und Aufzucht der gekreuzten Generationen sowie die Bonituren für die Selektion finden überwiegend in 40 Folientunneln statt. Etwa die Hälfte der Tunnel sind mit Möhren und Rote Bete-Sorten belegt, die andere Hälfte für Blumenkohl und Brokkoli. Zusätzlich werden von den Flächen im Erwerbsanbau vier Hektar für den Sichtungsanbau unter Praxisbedingungen genutzt. "Sorten, die sich hier nicht bewähren, nehmen wir auch gleich aus den Folientunneln", erklärt Christiansen.

Um brauchbare Sorten zu entwickeln, wird streng selektiert. So bleiben zum Beispiel von 80 Brokkoli-Pflanzen in einem Tunnel nur acht Pflanzen übrig für die Kreuzung der nächsten Generation. "Die Bonituren und die Selektion der Kreuzungen fallen arbeitsmäßig gar nicht so sehr ins Gewicht", erklärt Heinz-Peter Christiansen. "Der größte Aufwand ist für uns, die Pflanzen bis zur generativen Phase gesund zu halten. Das kann im Fall von Kohl schon mal ein dreiviertel Jahr sein."

Um die wertvollen Kreuzungen vor Pilzbefall, Schaderregern und der zunehmenden Hitze durch die Klimakrise zu schützen, hat der Betrieb inzwischen eine zusätzliche Mitarbeiterin angestellt. Insgesamt schätzt der Betriebsleiter den Arbeitsaufwand für die Züchtungsarbeit und die Sortenanmeldung auf 6.000 Stunden im Jahr. Dafür sind hier vier feste Mitarbeitende beschäftigt.

Von der Zucht in die Vermehrung und Praxis

Neben der Prüfung auf den eigenen Flächen lässt Christiansen vielversprechende Züchtungen auch von anderen Praxisbetrieben und staatlichen Versuchsstationen auf ihr Potenzial testen. Fallen die Prüfungen positiv aus, werden die Kreuzungen in der Regel zunächst als Amateursorte angemeldet. "So können wir eine Sorte schnell und ohne größeren Aufwand in Verkehr bringen", erklärt Christiansen. Erst wenn sich eine Sorte in der Praxis bewährt hat, folgt die Anmeldung als Sorte mit Register- und Wertprüfungen.

Die Vermehrung und den Vertrieb der angemeldeten Sorten hat Christiansen ausgelagert an ökologische Züchtungs- und Vermehrungsunternehmen. Für die Züchtungsleistung erhält der Betrieb sogenannte Entwicklungsbeiträge, die aber sehr gering sind. Auch der Großhandel, der die Ware abnimmt, zahlt einen geringfügigen Aufschlag. Bei Anbau samenfester Sorten erhalten Zuchtbetriebe und Erzeugerinnen und Erzeuger für jedes verkaufte Kilogramm Ware jeweils einen Cent. Laut Christansen müssten es aber mindestens 20 Cent sein, um die Züchtung kostendeckend zu gestalten.

"Es war aber von Anfang an klar, dass unsere Züchtungsarbeit kein zusätzlicher Erwerbszweig sein soll", betont Heinz-Peter Christiansen. Deshalb gründete er bereits im Jahr 2010 den Saat:gut e.V., einen gemeinnützigen Verein für ökologische Pflanzenzüchtung. Unter den etwa 130 Mitgliedern engagieren sich neben Privatpersonen, Saatgut-Händlerinnen und -Händlern sowie Pflanzenzüchterinnen und -züchtern auch Bio-Groß- und Einzelhandel, die mit ihren Spenden die Züchtung auf dem Betrieb ermöglichen.

Dennoch ist die Züchtungsarbeit laut Christiansen ein "mühsames und langjähriges Geschäft". Zudem sieht er auch die Schwächen der samenfesten Sorten, die etwa bei Möhren nur 80 bis 90 Prozent der Erträge von Hybridsorten erreichen und weniger einheitliche Ware liefern. "Dafür sind die inneren Qualitäten der Hybride oft schwach", meint der Züchter. "Berücksichtigt man zum Beispiel nur die Trockenmasse, gibt es ertraglich keinen Unterschied zwischen Hybrid- und samenfesten Sorten."

Wertegetriebene Zuchtarbeit für samenfeste Sorten

Dass er sich mit seinem klassischen Züchtungsansatz in einem schwierigen Umfeld, bewegt ist ihm bewusst: "Natürlich haben die großen Zuchtkonzerne ganz andere Möglichkeiten als wir. Trotzdem machen wir weiter, weil wir an den Wert unserer Arbeit glauben." Sein Antrieb ist es, Bio-Betrieben Alternativen zu den gängigen Hybriden und mithilfe von Gentechnik entwickelter Sorten zu bieten. Da der Nachbau nicht möglich ist, sind samenfeste nachbaufähige Sorten eine wichtige Alternative. Auch der Nachbau, der bei Hybridsorten nicht zulässig und sinnvoll ist, sollte aus einer Sicht in den Händen der Gemüsebetriebe bleiben. Damit bleiben die Betriebe unabhängig von Saatgutmonopolen.

Besonders kritisch sieht er den wachsenden Einfluss der Züchtungskonzerne, die über das Sortenrecht hinaus versuchen, sich Patenrechte auf Sorten zu sichern. Dadurch würde die Züchtungsarbeit für kleinere Zuchtunternehmen weiter erschwert. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat den Wert der Züchtungsarbeit von Heinz-Peter Christiansen und den Mitgründern des Saat:gut e.V. bereits gewürdigt. Der Biolandhof Christiansen wurde Anfang 2024 von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir als einer von drei Siegern beim Bundeswettbewerb Ökologischer Landbau ausgezeichnet.

Letzte Aktualisierung 24.07.2024

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