Überlebensstrategien kleiner Bio-Läden

Small but smart - Überlebensstrategien kleiner Bio-Fachgeschäfte

Hat der kleine Bio-Laden "um die Ecke" mit weniger als 100 Quadratmetern Verkaufsfläche heute noch echte Überlebenschancen? Mittlerweile steht für einige dieser Geschäfte schon ein Generationswechsel an, andere stehen im direkten Wettbewerb mit den großen Bio-Supermarktketten. Sind da Wachstum und die Nachahmung der großen und erfolgreichen Filialisten ein Weg? Können die sogenannten klassischen Marketinginstrumente, wie etwa Werbeprospekte und Rabattaktionen, eingesetzt werden? Reichen das knappe Budget und die Zeit im kleinen Laden dafür überhaupt aus? Auf welche Maßnahmen setzen erfolgreiche kleine Bio-Läden?

Eine stabile Basis: Glaubwürdigkeit

Glaubwürdigkeit, Authentizität und Vertrauen - das sind die entscheidenden Faktoren für den Erfolg eines kleinen Geschäftes. Kundinnen und Kunden erwarten von ihrem Bio-Laden, dass er sich in einer zunehmend globalisierten Welt mit seinem Sortiment positioniert. Auf Regionalität und ein überschaubares Sortiment zu setzen ist da beispielsweise eine gute Entscheidung. Die Ladnerin oder der Ladner übernimmt diese Verantwortung, bietet freundliche, kompetente Unterstützung und kennt die Bedürfnisse ihrer/seiner Kundinnen und Kunden. So kann sich der kleine Laden mit Vertrauen und Überschaubarkeit profilieren.

Profilierung? Ja sicher, mit Qualität und Service!

Profilierung als Marketingstrategie ist immer möglich, wenn dabei mindestens zwei Aspekte berücksichtigt werden: Die persönliche Überzeugung der Ladeninhaberin oder des -inhabers soll und darf ihren Ausdruck im Angebot finden und mit den Gegebenheiten des Standortes vereinbar sein. Und die Angebote sollen zudem natürlich den Wünschen der Stammkundschaft entsprechen.

Ältere Menschen beispielsweise freuen sich beim Einkauf über Lupen am Regal, um Produktbeschreibungen entziffern zu können. Mütter genießen den Einkauf, wenn sich ihr Kind in einer Spielecke beschäftigen kann und sie vielleicht bei einem Latte macchiato mit der Nachbarin plauschen können. Ein sehr gut gepflegtes Obst- und Gemüsesortiment schließlich nimmt alle Kundinnen und Kunden für den Laden ein. Je nach Lage können auch eine gut sortierte Käse- und Antipastitheke oder ein gekonnt aufgebautes Weinangebot zum echten Einkaufsmagneten werden.

Ein Beispiel für einen erfolgreichen kleinen Bio-Laden ist die "BioSphäre" in der Weserstraße in Berlin: ein Vollsortimenter auf kleiner Verkaufsfläche mit angeschlossenem Cafébereich und einer Kinderecke. Nicht besonders durchgestylt, mit einer bunten Mischung von Produkten im Regal, dafür aber jederzeit authentisch. Die "BioSphäre" ist Bio-Laden und Übungsfirma für Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit zugleich. Oekolandbau.de sprach mit den Inhaberinnen, Marion Ziehrer und Diana Gölner:

Oekolandbau.de: Marion, Diana, Ihr betreibt seit 2010 die "BioSphäre". Was ist das Besondere an eurem Laden?

Marion: Wir verkaufen nur das, was wir vertreten können, kein "Wasch mich, aber mach mich nicht nass". Ich bin Vegetarierin und es war für mich von Anfang an klar, ich fasse kein Fleisch an, was bald dazu geführt hat, dass wir eben diese Warengruppe aus dem Sortiment genommen haben. Im Sortiment finden die Kundinnen und Kunden nur Käse, der mit mikrobiellem Lab hergestellt wurde.

Oekolandbau.de: Trifft das auf Verständnis bei den Kundinnen und Kunden?

Marion: Es ist nicht einfach, unsere Haltung ist mit einem hohen Erklärungsbedarf verbunden. Aber es hat auch Vorteile, wir sind glaubwürdig und konsequent im Handeln. Im Winterhalbjahr bieten wir keine Äpfel aus Argentinien an, auch keine Flugware. Wir verkaufen Lebensmittel möglichst vom Direktanbieter, weil wir sie kennen. Sollten wir von einem Hersteller nicht überzeugt sein, fliegt die Ware aus dem Sortiment, was wir dann den Kundinnen und Kunden geduldig erklären.

Diana: Mehrere Lieferanten zu haben, bedeutet einen erhöhten Arbeitsaufwand, auch das Recherchieren, wenn wir mal Zweifel haben. Wir sind auch ein Demeter-Partnerladen.

Marion: Ein anderes Beispiel - im Imbissbereich haben wir keine Preisdifferenz zwischen Kuhmilch- und Sojadrinkgetränken.

Oekolandbau.de: Wie seid ihr auf dieses Konzept gekommen?

Marion: Es ist kein Konzept in dem Sinne, vom Anfang an haben wir den Laden im Dialog mit unseren Kundinnen und Kunden aufgebaut.

Diana: Wir schalten keine Anzeigen, verteilen keine Werbezettel, bis auf "Brot und Käse der Woche" führen wir auch keine Rabattaktionen. Als wir Ende Mai vor zwei Jahren den Laden eröffnet haben, reichten unsere Kraft und das Geld nicht mal für die Außenbeschilderung, bis vor Kurzem hing dort ein Schild des Raumausstatters!

Oekolandbau.de: Und die Idee der Übungsfirma?

Diana: Da wir beide als freie Dozentinnen in der Erwachsenenbildung gearbeitet haben, wollten wir etwas Sinnvolles machen, um die Teilnehmer beim Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt zu unterstützen. Als Dozentin u. a. für EDV und Buchhaltung bin ich gerne für die betriebswirtschaftliche Seite verantwortlich.

Marion: Meine Fähigkeiten liegen sehr stark im kommunikativen Bereich, als ausgebildete Erzieherin übernehme ich die pädagogischen Aufgaben.

Oekolandbau.de: Habt ihr auch fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Marion: Ja, die Praktikantinnen und Praktikanten übernehmen zwar vielfältige Aufgaben, den Kern bilden jedoch fünf Vollzeit- und drei Teilzeitangestellte. Übrigens ist die Lohnstruktur für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter transparent.

Oekolandbau.de: In eurem Bio-Laden erhalten Sozialschwache Ermäßigung? Wird das auch mal ausgenutzt?

Marion: Manchmal haben wir Zweifel, ob tatsächlich alle, die den geringeren Preis in Anspruch nehmen, auch Geringverdiener sind, andererseits wissen wir, dass viele sich die guten Bio-Llebensmittel sonst gar nicht leisten könnten.

Oekolandbau.de: Bedeutet das auch weniger Lohn für eure Arbeit?

Marion: Die Umsätze sind nicht sehr hoch, aber der Gewinn reicht um davon zu leben. Unser sozialer Anspruch wurde sogar vom Bezirksamt Berlin-Neukölln anerkannt, als Mikroprojekt mit 10.000 Euro dotiert.

Oekolandbau.de: Vielen Dank für das Gespräch.


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Letzte Aktualisierung 09.04.2021

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