Unverpackt-Läden: Chancen und Herausforderungen

Unverpackt-Läden: Chancen und Herausforderungen

Die Reduzierung von Verpackungsmüll steht bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern hoch im Kurs. Unverpackt-Läden greifen diesen Trend auf und bieten ihr Lebensmittelsortiment verpackungsfrei an. Dennoch bangen viele Läden um ihre Existenz. Was sind die Gründe hierfür?

Nachhaltigkeit spielt für viele Verbraucherinnen und Verbraucher beim Einkauf eine wichtige Rolle. Dabei geht es nicht nur darum, sich anhand von Gütesiegeln und Zertifikaten über Herkunft und Produktion der Waren zu informieren. Auch die Reduzierung von Verpackungsmüll hilft, Ressourcen zu sparen und die Umwelt zu schonen. Unverpackt-Läden ermöglichen im Sinne des Zero-Waste-Prinzipsverpackungsfreies Einkaufen. Kundinnen und Kunden können ihre Lebensmittel hierbei selbst im Laden abfüllen. Dazu bringen sie entweder eigene Behältnisse, Netze oder Tüten mit oder können diese dort ausleihen beziehungsweise kaufen. Unverpackt-Läden bieten ihrer Kundschaft ein breites Sortiment unter anderem an Frische- und Trockenprodukten, Ölen, Kaffee, Tee, Gewürzen, Kosmetik- und Reinigungsprodukten an. Häufig sind die Waren biologisch, fair und regional produziert. Auch Haushaltswaren, Bücher oder Schreibwaren runden das Sortiment ab. Bio-Produkte haben in Unverpackt-Läden eine besondere Bedeutung, da sie oft Teil eines ganzheitlichen Ansatzes sind, der Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und ethischen Konsum fördert.

Verpackungsloses Einkaufen in einem Unverpackt-Laden erfordert etwas mehr Planung als in einem Supermarkt. Denn vor dem Einkauf müssen die Kundinnen und Kunden überlegen, was und wie viel sie einkaufen möchten und entsprechende Behältnisse für den Kauf mitnehmen. Auch das Wiegen und Abfüllen der Produkte im Laden ist zeitintensiver als der Griff ins Supermarktregal. Dafür kauft die Kundschaft bewusster ein und spart Verpackungsmüll.

Junge Branche muss sich behaupten

Nach der Corona-Pandemie haben Kriege und hohe Inflationsraten in den vergangenen beiden Jahren aber auch dazu geführt, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland verstärkt preisbewusst einkaufen. Sonderangebote, Handelsmarken oder ein Wechsel der Einkaufsstätte sind Strategien, mit denen die Haushalte die gestiegenen Lebenshaltungskosten kompensieren. In diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten hat es die Unverpackt-Branche schwer, sich zu behaupten. So machten 2023 vermehrt Pressemeldungen die Runde, dass zahlreiche Unverpackt-Läden um ihre Existenz kämpfen und letztendlich schließen müssen. 

Christine Holzmann, Vorständin Marketing und Öffentlichkeitsarbeit von Unverpackt e.V. - Verband der Unverpackt-Läden, bringt die aktuelle Entwicklung auf den Punkt: "Derzeit gibt es deutschlandweit 222 Unverpacktläden. Diese Zahl ist weitaus kleiner, als sie zu unseren Hochzeiten war. In den Jahren 2019 und 2020 haben die meisten Läden eröffnet, so dass wir Ende 2020 auf eine Gesamtzahl von über 330 Läden blicken konnten. Unsere Branche ist also nicht nur sehr jung, sondern musste sich auch mitten in der Stapelkrise entwickeln. Dass diese den Einzelhandel vor große Herausforderungen stellt, ist allerdings branchenunabhängig: Innenstädte verändern sich, der Trend geht zum Online-Shopping und zu den Supermarktriesen."

Mit Qualität, Produktwissen und Service glänzen

Laut des GfK-Nachhaltigkeitsindex sorgen sich die Menschen in Deutschland derzeit stärker um die Inflation und das Begleichen ihrer Rechnungen als um den Klimawandel. Nachhaltiges Einkaufen hat aber weiterhin einen hohen Stellenwert, wenngleich dabei auf den Preis geachtet wird. Und genau hier zeigt sich das aktuelle Dilemma der Unverpackt-Läden: "Wir Unverpackt-Läden können (und wollen) weder mit dem großen Angebot noch mit den kleinen Preisen mithalten. Es ist herausfordernd und manchmal anstrengend, uns zu erklären und zu rechtfertigen und gleichzeitig Aufklärungsarbeit über unser warum zu leisten. Dennoch gehen wir die Extrameile und setzen auf bestmögliche, wann immer möglich regionale Qualität und punkten mit Produktwissen und Service", so Christine Holzmann. Neben ihrer Tätigkeit beim Verband der Unverpackt-Läden betreibt Holzmann den Unverpackt-Laden "Servus Resi – natürlich unverpackt" im Münchener Süden.

Ein Konzept mit Zukunft

Viele Verbraucherinnen und Verbraucher begrüßen zwar das Konzept der Unverpackt-Läden, aber nur ein Bruchteil davon zählt tatsächlich zur Stammkundschaft. Das jedenfalls zeigt eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov mit dem Titel "Verpackungsloses Einkaufen – Konzept mit Zukunft?". Hierzu wurden Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland und der Schweiz befragt, wie sie dem Konzept der Unverpackt-Läden gegenüberstehen. Demnach kaufen 22 Prozent der Befragten in Deutschlandgelegentlich in einem Unverpackt-Laden ein, in der Schweiz sind es 33 Prozent der Befragten. Sowohl in Deutschland als auch der Schweiz stehen Frauen dem Konzept offener gegenüber. Auch die Generation Z, junge Menschen die zwischen 1996 und 2009 geboren wurden, kauft in Deutschland häufiger in Unverpackt-Läden ein als der Durchschnitt. 

Doch was hält die Kundschaft davon ab, regelmäßig im Unverpackt-Laden einzukaufen? Auch hier liefert die Umfrage Antworten. So weißfast die Hälfte der befragten Teilnehmenden in Deutschlandnicht, ob es überhaupt einen Unverpackt-Laden in Wohnortnähe gibt. Der Aussage "Produkte in Unverpackt-Läden sind mir zu teuer" stimmten ebenfalls gut die Hälfte der befragten Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Deutschland zu. Allerdings stimmen 70 Prozent der Studienteilnehmenden auch der Aussage zu, dass verpackungsloses Einkaufen Zukunft hat und dazu beitragen kann, Verpackungsmüll zu reduzieren.

Das weiß auch Christine Holzmann:

Wir leisten täglich Pionierarbeit und zeigen, dass es anders geht: Vermeidung ist die einzig zukunftsfähige Art, mit Verpackungen umzugehen. Deswegen blicken wir optimistisch in die nächsten Jahre.


"Wir sind motiviert und halten die Stellung!"

Motiviert bei der Sache sind auch Marlen Richter und Christina Schwab. Seit Ende 2019 betreiben sie ihren Unverpackt-Laden "die Auffüllerei" im Frankfurter Stadtteil Bornheim/Nordend. Getreu dem Motto "plastic is not fantastic" kann die Kundschaft aus einem umfangreichen Unverpackt-Sortiment von 600 Artikeln wählen.

Oekolandbau.de: Wie unterscheidet sich Ihr Laden von denen Ihrer Mitbewerberinnen und Mitbewerber?

Christina Schwab: "Die Auffüllerei" ist Frankfurts größter Unverpackt-Laden. Wir bieten unserer Kundschaft eine große Produktpalette an und versuchen diese ständig zu erweitern beziehungsweise anzupassen. Dabei gehen wir besonders auf Kundenwünsche ein. Unser Laden unterscheidet sich vor allem durch seine Größe, Weitläufigkeit, die Breite des Sortiments und des Designs von anderen Läden.

Wir haben bewusst auf den Öko-Look verzichtet und möchten mit der Gestaltung unseres Ladens alle Menschen ansprechen und einladen bei uns einzukaufen.

Oekolandbau.de: Wie sichern Sie die Existenz Ihres Ladens in Krisenzeiten?

Christina Schwab: Wir haben in den vergangenen Jahren gut und erfolgreich gewirtschaftet. Das hilft uns jetzt die Krisenzeiten abzufedern. Das geht aber natürlich nicht ewig. Wir sind durchaus darauf angewiesen, dass sich die Lage wieder etwas bessert und weiterhin Stammkundschaft aber auch neue Kundinnen und Kunden den Weg zu uns finden. An den Fixkosten zu sparen ist fast nicht möglich. Miete und Strom sind nicht verhandelbar und auch auf eine gewisse Personalstärke können und wollen wir nicht verzichten. Der gute Service macht uns aus. Wir sparen, wo es geht, reduzieren Lagerbestände und bilden Einkaufsgemeinschaften. Das zeigt Wirkung, reicht aber auf Dauer nicht aus.

Oekolandbau.de: Gab es Momente, in denen Sie ans Aufgeben gedacht haben? Was hat Sie motiviert weiterzumachen?

Christina Schwab: Die gab es absolut. Es belastet einen natürlich, wenn die Umsätze sinken, man sich überlegen muss, was man einkauft und wie man mit den ständigen Preissteigerungen umgeht. Das nimmt man mit nach Hause. Wir betreiben den Laden als Geschäftsführerinnen zu zweit und haben sieben Angestellte. Man hat Verantwortung für diese Menschen. Sie brauchen ihr Gehalt am Ende des Monats und einen Arbeitsplatz. Das motiviert einen weiterzumachen. Auch der feste Glaube, dass sich der plastikreduzierte Einkauf durchsetzt, lässt einen weitermachen.

Es geht um die Sache, aber auch das hat irgendwann Grenzen. Wir sind motiviert und halten weiter die Stellung!

Text: Birgit Rogge, Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI)


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