Aktuelle Zahlen zum deutschen Bio-Markt

Deutscher Bio-Markt schrumpft erstmals

Die Ausgaben für Bio-Lebensmittel sind 2022 in Deutschland zum ersten Mal seit Jahren nicht gestiegen. Zu groß war der Einfluss der hohen Inflationsraten auf das Einkaufsverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Einzig die Discounter konnten trotz teilweise massiver Preiserhöhungen höhere Bio-Absätze generieren.

Die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland gaben im Jahr 2022 mit insgesamt 15,31 Milliarden Euro gut 3,5 Prozent weniger Geld für Bio-Lebensmittel und -getränke aus als im Vorjahr. Treibende Kraft beim Bio-Umsatz war allein der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel (LEH), der seinen Umsatz um 3,2 Prozent auf 10,2 Milliarden Euro steigern konnte. Damit entfallen zwei Drittel des Bio-Marktes auf den LEH. Insbesondere die Discounter konnten mit einem größeren Angebot mehr Kundinnen und Kunden in die Läden locken. Bio-Produkte scheinen weiterhin beliebt zu sein, allerdings weist der Trend darauf hin, dass Verbraucherinnen und Verbraucher sparsamer einkaufen als in den Jahren zuvor.

Die höheren Verbraucherpreise im Jahr 2022 resultieren zum großen Teil aus den deutlich höheren Produktionskosten (Energie, Arbeit, Transport) auf allen Stufen. Gerade die als besonders preisgünstig geltenden Discounter haben angesichts der Kostensteigerungen über alle Stufen der Wertschöpfung die Preise teilweise massiv erhöht. Daher resultiert das Umsatzwachstum maßgeblich aus den höheren Preisen für viele Bio-Produkte. Vollsortimenter wie Edeka und Rewe profitierten jedoch im Jahr 2022 nicht im selben Maße von dem in der Krise geänderten Kaufverhalten der Bio-Kundinnen und -kunden.

Handelsmarken gewinnen Marktanteile

Die Preissteigerungen im LEH hatten 2022 eine deutliche Umgewichtung des Einkaufsverhaltens hinsichtlich der Markenwahl zur Folge. Während in den Pandemiejahren noch von einem "Trading up" gesprochen wurde, die Menschen also Premiumprodukte beziehungsweise Herstellermarken bevorzugt gekauft haben, war 2022 das "Trading down"-Jahr. So haben die günstigeren Handelsmarken gewonnen, während die Markenprodukte nach zwei starken Vorjahren Kundschaft verloren haben. 

Bio-Fachhandel mit Umsatzeinbußen

Der Naturkosthandel konnte 2022 die Umsätze nicht halten und blieb zwölf Prozent hinter dem Vorjahr zurück. Die Umsätze liegen jetzt wieder fast auf dem Vor-Corona-Niveau von 2019. Insgesamt verkaufte der Bio-Fachhandel Lebensmittel und Getränke (ohne Non-Food-Artikel) im Wert von 3,14 Milliarden Euro. Er verlor damit zwei weitere Prozentpunkte des Marktanteils auf gut 20 Prozent. 

Auch die sonstigen Einkaufsstätten, zu denen die Hofläden, der Onlinehandel (inklusive Lieferdienste), Wochenmärkte, Bäckereien, Metzgereien und Reformhäuser zählen, verfehlten den Umsatz aus dem Jahr 2021. Mit einem Minus von 18 Prozent erreichten sie jetzt 1,97 Milliarden Euro und stellten damit 13 Prozent der Verbraucherausgaben für Bio-Lebensmittel und -getränke. Nach einem Run auf die erzeugernahen Einkaufsstätten in den beiden Vorjahren, hat dieser wieder deutlich abgenommen. Dennoch gehen diese Einkaufstätten mit einem Umsatzplus von 19 Prozent gegenüber 2019 aus dem Krisenjahr hervor. Die Direktverkäufe leiden, wie der Naturkosthandel auch, darunter, dass die Kundschaft vermeintlich hochpreisige Einkaufsstätten meiden.

Die einzigen Bio-Produkte mit größeren Einkaufsmengen als 2021 waren Fleisch- und Milchalternativen sowie Käse. Bei allen anderen Warengruppen ist die Nachfrage zurückgegangen: Bei Speiseöl, Mehl, Wurst, Joghurt, Gemüse, Geflügel und Milch im einstelligen Prozentbereich. Im zweistelligen Prozentbereich sind die Einkäufe von Eiern, Obst, Kartoffeln, Fleisch und Butter gesunken. 

Riesenschritte gegenüber Vor-Coronajahr 2019

Auch wenn die Umsätze mit Bio-Lebensmitteln im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen sind, sind sie im Vergleich zu 2019, also vor den beiden Pandemiejahren, um ein Viertel gestiegen. So kauften die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland im Jahr 2022 über 70 Prozent mehr pflanzliche Drinks und Geflügel in Bio-Qualität ein als im Jahr 2019. Auch bei Fleisch und vor allem bei Fleischersatzprodukten hat der Absatz seit 2019 an Fahrt aufgenommen. Nur wenige Produkte wie Joghurt, Brot, Butter und Kartoffeln fielen quasi wieder auf das Vor-Corona-Niveau zurück. Die Umsätze wuchsen bei den meisten Produkten noch stärker als die Verkaufsmengen, was vor allem an den Preiserhöhungen im Jahr 2022 liegt.

Wie hat sich der Bio-Konsum 2022 entwickelt?

Oekolandbau.de befragte Thomas Montiel Castro, Handelsexperte von NielsenIQ, zur Bio-Marktentwicklung 2022. Nielsen IQ ist ein Marktforschungsunternehmen, welches in über 100 Ländern der Welt aktiv ist. Das Unternehmen nutzt unterschiedlichste Datenquellen, sowohl quantitativ als auch qualitativ. Herr Montiel Castro ist Consumerpanel Experte und hat tiefe Einblicke in das Konsumentenverhalten.

Oekolandbau.de: Was hat im Jahr 2022 das Einkaufsverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher in puncto Bio verändert?

Montiel Castro: Insgesamt ist Bio aufgrund der Inflation und der Preissensibilität der Kundschaft nicht mehr so steil gewachsen wie in den vergangenen Jahren. Der Bereich "Premium-Bio", wie er im Naturkosthandel angeboten wird, war besonders stark von der Konsumzurückhaltung betroffen. 

Oekolandbau.de: Welche Produkte liefen 2022 weniger gut und welche sind weiter gewachsen? 

Montiel Castro: Generell ist es herausfordernd für Marktforscher hier klare Trends abzuleiten, weil wir das Jahr 2022 mit dem Pandemie-Jahr mit viel Homeoffice und Isolation beziehungsweise Kontaktbeschränkungen vergleichen. Jetzt wird wieder mehr außer Haus gegessen und entsprechend laufen wir in den Kochkategorien gegen ein starkes Vorjahr an. Klar zeigt sich das starke Wachstum bei veganen Produkten.

Oekolandbau.de: Wie wird sich das Bio-Kaufverhalten in der nächsten Zeit ändern? Wird es nach dem Trading down auch wieder ein Trading up geben?

Montiel Castro: Das Wachstum von Bio hat eine Delle bekommen, insbesondere im Premiumbereich. Das wird sich wieder ändern. Wir können in den Daten sehen, dass sich das Kaufverhalten wieder etwas normalisiert. Möglicherweise wird es für den Premiumbereich wichtiger sein Alleinstellungsmerkmale hervorzuheben. Hier besteht die große Herausforderung, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher im Bereich Nachhaltigkeit überfordert sind zu verstehen, wofür die verschiedenen Siegel stehen. Wir haben die Haushalte befragt, wie sie mit dem Thema Inflation umgehen. Hier gaben viele Konsumentinnen und Konsumenten an, dass sie fest vorhaben nach der Krise wieder zum alten Kaufverhalten zurückzukehren. Auch Nischen wie Lebensmittelretter, Direktbezug vom Bauernhof oder Grüne Kisten werden, ausgehend von einem kleinen Marktanteil, weiter wachsen. 

Oekolandbau.de: Wie wird sich der Onlinehandel mit Lebensmitteln entwickeln?

Montiel Castro: Bio war der Wachstumstreiber im E-Commerce, das liegt auch an vielen Neueinsteigern im Onlinehandel, wie den sogenannten Letzte Meile Anbietern wie Gorillas, flink oder knuspr. Diese haben während der Corona-Pandemie ihre Belieferungsgebiete massiv ausgebaut. Hier besteht großes Potential, weil sie auch auf Bio-Produkte und das Thema Nachhaltigkeit setzen.

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Letzte Aktualisierung 15.03.2023

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