Das Für und Wider von Vertical Farming ist nicht so leicht zu beantworten. Gerade in klimatisch benachteiligten Gebieten wie trockenen Regionen bietet es jedoch Chancen, so das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft. Heike Mempel, Professorin für Gewächshaustechnik an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, sieht im Interview mit Bioland in dieser Form der urbanen Landwirtschaft eine Ergänzung zur konventionellen Landwirtschaft. Es bleibt also spannend, wie sich die Vertical Farming in Zukunft (weiter)entwickeln wird.
In-Store-Farms ziehen in den Handel ein
Vertical Farming wird nicht nur in großem Stil betrieben. Auch für den Handel und die Gastronomie werden interessante Konzepte angeboten, die zunehmend in Deutschland Einzug in große Supermarktketten wie Aldi, Edeka, Kaufland, Metro und Rewe halten. Hierbei handelt es sich um sogenannte In-Store-Farms direkt am Ort des Konsums. Eine Firma, die sich hierauf spezialisiert hat, ist das Berliner Start-up Infarm, das 2013 gegründet wurde. Salate und Kräuter wachsen dabei in gläsernen Hightech-Gewächshäusern, die an große Weinkühlschränke erinnern, vor den Augen der Kundinnen und Kunden. Die Gewächshäuser sind zudem mit der zentralen, cloud-basierten Anbauplattform des Farming-Netzwerkes verbunden, worüber die Anbaubedingungen an die jeweilige Situation angepasst und ständig optimiert werden. Mitarbeitende von Infarm kümmern sich regelmäßig vor Ort um Aufzucht, Pflege und Ernte der Pflanzen.
Das Start-up bietet eine breite Produktpalette an Kräutern an und bewirbt diese als 100 Prozent lokal. "Darüber hinaus verwenden wir niemals behandeltes oder gentechnisch verändertes Saatgut. Und wir wenden zu keinem Zeitpunkt chemische Pestizide, Fungizide, Herbizide oder Wachstumshormone auf unsere Pflanzen an. Wir verwenden immer unbehandeltes Saatgut und, falls verfügbar, Bio-Saatgut, um unsere Pflanzen zu liefern", so Janina Baldin, Senior Communications Managerin bei Infarm.
Dürfen die Produkte als "Bio" gekennzeichnet werden?
Auch wenn der Input 100 Prozent Bio ist, eine Zertifizierung nach geltenden EU-Öko-Richtlinien erlangen Obst, Gemüse und Kräuter aus vertikalen Farmen nicht. Denn die erdelose Kultur von Nutzpflanzen steht im Widerspruch zu den Grundsätzen des ökologischen Landbaus, der eine bodenbezogene Produktion fordert. In der EU-Öko-Verordnung 889/2008 heißt es dazu: "Die ökologische/biologische pflanzliche Erzeugung basiert auf dem Grundsatz, dass Pflanzen ihre Nahrung in erster Linie über das Ökosystem des Bodens beziehen. Aus diesem Grunde sollte die Hydrokultur, bei der Pflanzen in einem inerten Substrat mit löslichen Mineralien und Nährstoffen wurzeln, nicht zugelassen werden."
In Europa gibt es kein Unternehmen, welches im Hydroponikverfahren eine Bio-Zertifizierung erhalten hat. Wenn es nach Erich Margrander, Herausgeber von Biopress, geht, dann soll dies auch so bleiben. "Ökologische Lebensmittel zu produzieren, heißt, Pflanzen in der Erde zu erzeugen. Der Boden ist die Grundlage für unsere gesunden Bio-Lebensmittel. Die Gesamtheit der im Boden lebenden Organismen, das Edaphon, hat eine zentrale Bedeutung für die Bodenfruchtbarkeit. Ohne Erde Bio-Lebensmittel zu produzieren, ist, wie statt frische Orangen Vitamin C aus der Apotheke zu kaufen." Margrander verfolgt die Bio-Zertifizierung von in Hydrokultur erzeugten Lebensmitteln in den USA intensiv. Dort wird zunehmend kritisch über die Bio-Zulassung von Hydroponik-Betrieben diskutiert.