Interview Stefan Itter – Belieferung von Kantinen mit Bio-Ware

Interview Stefan Itter – Belieferung von Kantinen mit Bio-Ware

In der Außer-Haus-Verpflegung (AHV) und speziell bei Kantinen und Caterern soll der Anteil an Bio-Ware ausgebaut werden. Das kann eine Chance für Bio-Betriebe sein. Für welche Betriebe die Anlieferung von Kantinen interessant sein könnte, was Betriebe dafür mitbringen sollten und mit welchen Produkten man punkten kann, erklärt Vermarktungsexperte Stefan Itter im Interview

Oekolandbau.de: Herr Itter, es gibt viele politische Kampagnen für mehr Bio in Kantinen und der sonstigen Außer-Haus-Verpflegung (AHV). Sind Kantinen für Bio-Betriebe als Kunden in der Direktvermarktung interessant?

Stefan Itter: Grundsätzlich schon, allerdings mit einigen Einschränkungen. Obwohl mehr Bio in Kantinen erwünscht ist, liegt der Bio-Anteil in der AHV in Deutschland nach wie vor bei unter zwei Prozent. Für einzelne Betriebe ist es oft schwierig, als Lieferant gelistet zu werden. Denn ab einer bestimmten Größe werden Kantinen oft von großen Catering-Unternehmen betrieben, die sehr feste Lieferstrukturen haben und ihre Zutaten über wenige Bündler beziehen. Ein einzelner Betrieb passt oft nicht in diese komplexen Strukturen. Insbesondere bei kleineren Kantinen und motivierten Küchenchefs ergeben sich aber oft auch ungeahnte Spielräume für eine Lieferstruktur, die für beide Seiten kostendeckend ist.

Oekolandbau.de: Für welche Bio-Betriebe sind Kantinen als Kunden sinnvoll?

Stefan Itter: Grundsätzlich sollten Bio-Betriebe die Belieferung von Kantinen immer als Ergänzung zu ihrem bestehenden Vermarktungskonzept sehen. Denn Kantinen sind sehr anspruchsvolle Kunden, die vergleichsweise homogene Ware benötigt, die kontinuierlich, küchenfertig und pünktlich geliefert werden muss. Deshalb eignen sich Kantinen zum Beispiel nicht als kurzfristiger Abnehmer, um überschüssige B-Ware an Kartoffeln oder Kürbissen loszuwerden. Auch für Betriebe, die ihre Ware über Großabnehmer vermarkten, sind Kantinen als Abnehmer eher uninteressant. Der Aufwand für die Anpassung der betrieblichen Strukturen an die Anforderungen in der AHV wäre viel zu groß. Die besten Voraussetzungen haben Betriebe, die bereits Erfahrung in der Direktvermarktung haben.

Oekolandbau.de: Warum?

Stefan Itter: In der Regel suchen Kantinenbetreiber und Küchenchefs den „One-Stop-Shop“, also ein gebündeltes Angebot aus einer Hand. Wettbewerbsvorteile haben direktvermarktende Betriebe aber im Bereich der regionalen Beschaffung, wenn sie also die Herkunft der Zutaten direkt vom Erzeugerbetrieb und weitere Qualitätsaspekte liefern können und dies am Ende auch auf der Speisekarte kommuniziert werden kann. Das Stichwort ist Authentizität. Denn es geht auch bei Kantinen zunehmend um die gute Geschichte zum Produkt, das Storytelling.

Oekolandbau.de: Wie sollten Bio-Betriebe vorgehen, die Kantinen beliefern möchten?

Stefan Itter: Kundenorientierung ist das A und O. Man sollte sich vor dem Gespräch mit den Verantwortlichen überlegen, was man Besonderes liefern kann. Zu empfehlen ist vorab auch ein Blick in die Speisekarte der Kantine, um zu schauen, ob und wie die eigenen Produkte hineinpassen und wo vielleicht Lücken bestehen. Im Gespräch geht es vor allem darum herauszufinden, in welcher Welt mein Kunde lebt. Wo liegen seine Schwerpunkte? Wird Wert auf Regionalität oder Originalität gelegt? Wie weit sollten die angelieferten Produkte aufbereitet sein? So kann man herausfinden, mit welchen Produkten man sich als Lieferant einbringen kann. Es kann auch sinnvoll sein, das Unternehmen anzusprechen, für deren Mitarbeitende die Kantinen das Essen zubereiten. Nach unserer Erfahrung besteht hier oft großes Interesse, qualitativ gute Mahlzeiten anzubieten.

Oekolandbau.de: Gibt es Erzeugnisse, die für Kantinen besonders interessant sind?

Stefan Itter: Das lässt sich pauschal kaum beantworten. Im Gemüsebereich werden beispielsweise Kartoffeln, Möhren, Zwiebeln, Lauch kontinuierlich nachgefragt, insbesondere wenn sie entsprechend vorverarbeitet sind. Wer regelmäßig ein frisches Salatsortiment liefern kann, ist sicherlich für viele Kantinen interessant. An ein Angebot mit Fleischprodukten sollte man sich nur wagen, wenn ein entsprechend ausgerichteter Metzger eingebunden ist. Aber punktuell gibt es auch hier Nischen, abhängig vom Kundenwunsch.

Oekolandbau.de: Was ist mit Nischenprodukten wie Honig oder Pilzen?

Stefan Itter: Das ist schwierig. Denn hier geht es meist nur um sehr kleine Mengen, die sich für den Erzeugerbetrieb finanziell oft nicht lohnen.

Oekolandbau.de: Haben Betriebe mit verarbeiteten Produkten Vorteile?

Stefan Itter: Es kommt darauf an. Auch hier ist das Zuhören beim Gespräch mit dem Küchenchef oder Caterer wichtig. Personal ist zunehmend knapp, zum Teil fehlen auch die Kompetenzen, etwa beim Verarbeiten von Fleisch. Da kann es dann schon ein Vorteil sein, wenn man Spargel und Kartoffeln geschält liefert, die Kartoffeln vielleicht sogar schon vorgekocht. Das gilt auch für Fleischprodukte. Wer ohnehin für seinen Hofladen eng mit einem Metzger zusammenarbeitet und regionale Wurstspezialitäten, Koteletts oder Burgerpattys in Bio-Qualität anbietet, hat auch als Lieferant Chancen.

Oekolandbau.de: Worauf legen Kantinen besonders großen Wert bei ihren Lieferanten?

Stefan Itter: Wer Kantinen beliefern möchte, muss vor allem Topqualitäten bieten, egal bei welchem Produkt. Es geht immer über die Qualität, nicht über den Preis. Denn beim Preiswettbewerb kann mal als einzelner Lieferbetrieb ohnehin nicht mithalten. Dann gibt es zwei Zauberworte für Zulieferer in der AHV: Kontinuität und Homogenität. Das heißt, man muss durchgehend gute Ware in gleichbleibend hoher Qualität liefern können. Dazu gehören auch Pünktlichkeit und Verlässlichkeit. Kantinen haben hohen zeitlichen Druck und arbeiten nach einer festen Struktur. Dabei darf es keine Störung geben. Wenn ein Betrieb den bestellten Salat nicht zur vereinbarten Zeit liefert, ist das ein großes Problem. Eine Kuh, die gerade gekalbt hat, wird da als Ausrede nicht akzeptiert.

Demonstrationsbetrieb Ökologischer Landbau Eiwels Kirchberg

Stefan Itter ist Betriebsleiter des Biohof Eiwels Kirchberg, einem Demobetrieb im Netzwerk der Demonstrationsbetriebe Ökologischer Landbau.

Lesen Sie mehr über den Hof im Betriebsporträt.

Oekolandbau.de: Wie wichtig sind Zertifizierungen für die Zusammenarbeit?

Stefan Itter: Vor allem größere Kantinen und Caterer setzen diverse Zertifizierungen voraus. Das QS-Siegel oder eine IFS Zertifizierung sind oft Standard. Eine Aussage zu einem bestehenden Qualitätsmanagement sollte man auf jeden Fall parat haben. Bei direktvermarktenden Betrieben sind Kontrollen im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung üblich. Das sollte man in Verhandlungen mit Kantinen und Caterern auf jeden Fall kommunizieren.

Oekolandbau.de: Worauf sollten Betriebe bei der Vertragsgestaltung achten?

Stefan Itter: Verträge mit der AHV sind in der Regel ein Listungsprozess, das heißt der Betrieb wird Teil des Lieferantensystems und des bestehenden Qualitätsmanagements. Feste Lieferverträge mit vorgegebenen Abnahmemengen kenne ich nicht. Meist läuft das per Handschlag und mit mündlichen Absprachen, bei denen die Mengen annäherungsweise besprochen werden. Vertrauen spielt hier eine große Rolle. Das ist eine Schwierigkeit in diesem Segment: Es gibt ein gewisses Risiko, dass man nicht die erhofften Mengen vermarktet.

Oekolandbau.de: Was ist bei der Anlieferung der Ware üblich?

Stefan Itter: Die Anlieferung liegt immer in der Hand des Betriebs. Deshalb ist es wichtig, sich vor der Zusammenarbeit mit einer Kantine zu überlegen, wie die Lagerung, Aufbereitung und Logistik in das bestehende Konzept des eigenen Betriebs passen. So sollten zum Beispiel die gewünschten Mengen mit den vorhandenen Fahrzeugen transportiert werden können und die im AHV-Bereich üblichen Verpackungen vorhanden sein. Standard sind in der Regel Ifco- oder EPA-Kisten. Für geschlossene Kühlketten muss das passende Fahrzeug vorhanden sein. Für Betriebe ohne vorhandene Lieferstrukturen macht der Einstieg in die Belieferung von Kantinen keinen Sinn, weil der Aufbau viel zu teuer wäre.

Text: Jürgen Beckhoff


Letzte Aktualisierung 29.11.2024

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