Oekolandbau.de: Welche Regeln müssen beim Sammeln eingehalten werden?
Riedl: Die Regeln für die Wildsammlung ergeben sich aus den Schutzbestimmungen der genehmigenden Behörde sowie aus den Vorgaben der Abnehmenden. In den Nebenbestimmungen der behördlichen Sammelgenehmigung wird zum Beispiel festgeschrieben, in welchem Zeitraum, welche Menge geerntet werden darf. Oder wie genau die Ernte technisch durchzuführen ist: Dürfen zum Beispiel Leitern benutzt werden? Dürfen Fahrzeuge bis zum Sammelpunkt fahren? Von Seiten der Abnehmenden der Wildpflanzen wird, speziell im Bereich der Arznei- und Gewürzpflanzen, die Einhaltung der GACP-Richtlinie (Good Agricultural and Collection Practice) gefordert. In dieser Richtlinie werden neben den allgemeingültigen Vorgaben zur Produktion von pflanzlichen Rohstoffen im Kapitel 10 ("Collection") Vorgaben hinsichtlich der Qualifikation der Sammler gemacht: Sind diese in der Lage die zu sammelnde Art von anderen ähnlichen Arten abzugrenzen? Und kennen Sie die entsprechende Artenschutzgesetzgebung? In knapper Form werden dort außerdem Nachhaltigkeitsaspekte angesprochen. Außerdem gibt es von abnehmender Seite meist noch Standardarbeitsanweisungen (SOPs), in denen alle Anforderungen noch einmal zusammengefasst und erläutert werden.
Guidelines on Good Agricultural and Collection Practices (GACP) for Starting Materials of herbal origin
Oekolandbau.de: Welche Gesetze, Verordnungen und Standards müssen bei der ökologischen Wildsammlung beachtet werden?
Riedl: Neben dem Bundesnaturschutzgesetz samt Bundesartenschutzverordnung gilt für Öko-Wildsammler die EU-Öko-Verordnung. Darüber hinaus haben einige ökologische Anbauverbände in ihren Richtlinien zusätzliche Anforderungen formuliert. So fordert Naturland zum Beispiel regelmäßige Rückstandsanalysen.
Daneben gibt es mit dem Internationalen Standard für die nachhaltige Wildsammlung von Heilpflanzen (ISSC-MAP) und dem Fair Wild Standard zwei Zertifizierungsmodelle, die zusätzlich zu den umweltbezogenen Nachhaltigkeitsaspekten auch die Themen soziale Gerechtigkeit und Fair Trade (Fair Wild) einbeziehen. Diese spielen vor allem eine Rolle für Wildsammlungen aus Ländern mit niedrigen sozialen und Umweltstandards.
Oekolandbau.de: Wie funktioniert die Bio-Zertifizierung bei Wildsammlung?
Riedl: Grundsätzlich sind für die Bio-Zertifizierung bei Wildsammlung die unabhängigen Öko-Kontrollstellen zuständig. Allerdings übernimmt nicht jede Kontrollstelle Zertifizierungsleistungen für den Bereich Wildsammlung. Dies muss bei der jeweiligen Kontrollstelle vorher erfragt werden. Neben nicht "ökospezifischen" Angaben zu Sammelgebiet, Sammelerlaubnis, korrekte Kennzeichnung, dem genauen Ablauf der Sammlung, möglichen Zwischenschritten bis zum Verkauf, einer Vor-Ort-Prüfung von Sammelgebieten und Artenbeständen, steht auch die Prüfung der Nachhaltigkeit der Sammlung im Fokus: So darf gemäß EU-Öko-Verordnung das Sammeln die ökologische Stabilität und den Artenerhalt im Sammelgebiet nicht bedrohen. Außerdem muss gewährleistet sein, dass die Flächen, auf denen gesammelt wird, drei Jahre vor dem Sammeln nicht mit für den Ökolandbau unzulässigen Mitteln behandelt wurden.
Oekolandbau.de: Wie darf beziehungsweise muss gekennzeichnet werden?
Riedl: Die EU-Öko-Verordnung macht bei der Kennzeichnung keinen Unterschied zwischen angebauten und gesammelten Pflanzen. Die ökologischen Anbauverbände haben diesbezüglich teilweise eigene Regeln in ihren Richtlinien formuliert. Naturland und Bioland beispielsweise fordern, dass Produkte aus Wildsammlung mit dem Zusatz "… aus Wildsammlung" zu kennzeichnen sind. Genauere Informationen können beim jeweiligen Anbauverband erfragt werden.