Ist Direktsaat im Öko-Landbau möglich?

Ist Direktsaat im Öko-Landbau möglich?

Schutz vor Wetterextremen, Stärkung des Bodenlebens, Einsparung von Arbeitszeit und Betriebsmitteln – eine Direktsaat bietet viele Vorteile. Im konventionellen Ackerbau wird das Verfahren deshalb immer häufiger praktiziert. Auch bei Bio-Betrieben steigt das Interesse. Allerdings ist die Umsetzung sehr anspruchsvoll. Ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand.

Immer mehr landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland verzichten auf den Pflug. So wurden im Wirtschaftsjahr 2023/24 nur noch 40 Prozent der Ackerflächen gepflügt. Sieben Jahre davor waren es noch über 53 Prozent. Die meisten Betriebe ersetzen den Pflug durch nicht wendende Technik wie Grubber und Egge, das heißt durch konservierende Bodenbearbeitung.

Nur auf etwa ein Prozent der Ackerflächen in Deutschland verzichten Betriebe vollständig auf eine Bodenbearbeitung und setzen auf Direktsaat. Weltweit ist dieses System deutlich stärker verbreitet. So liegt der Anteil der Direktsaatflächen in Südamerika und den USA bei 40 bis 50 Prozent. Direktsaatverfahren bieten viele Vorteile. Sie schützen den Boden vor Erosion und Austrocknung, fördern das Bodenleben und sparen Arbeitszeit und Betriebsmittel bei der Bodenbearbeitung.

Direktsaat ist ein anspruchsvolles Anbausystem

Der Nachteil des Systems: Direktsaat ist anspruchsvoll und erfordert eine komplette Umstellung des Anbausystems, auch unter konventionellen Anbaubedingungen. Im Ökolandbau gilt eine wirksame Unkrautkontrolle als größte Hürde bei der Etablierung der Direktsaat. Während in der konventionellen Direktsaat auf Herbizide zurückgegriffen werden kann, müssen Bio-Betriebe andere Lösungen finden. Dennoch melden Hersteller von Direktsaatmaschinen auch aus dem Öko-Bereich wachsendes Interesse an diesem System.

Für einstiegswillige Bio-Betriebe gibt es jedoch zurzeit kaum fachliche Orientierung. Nur sehr wenige Praktikerinnen und Praktiker wenden Direktsaatsysteme an und aus der Forschung liegen so gut wie keine Empfehlungen vor zur kulturübergreifenden Direktsaat über mehrere Jahre.

Zu wenig Forschung zur Direktsaat

Zurzeit gibt es zur Direktsaat nur Forschungen am Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau Baden-Württemberg (KÖLBW) und am Institut für ökologischen Landbau in Wien (IFÖL). Ziel ist es Lösungen zur praktischen Umsetzung zu finden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Untersuchungen zur Mulch- und Direktsaat bei Soja und Mais. Die schweizer Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) untersucht das Potenzial der Direktsaat zwar seit vielen Jahren in einem Langzeitversuch, aber nicht unter ökologischen Anbaubedingungen.

Als entscheidender Faktor gilt in den Projekten ein erfolgreicher Zwischenfruchtanbau vor der Hauptkultur, um Unkräuter ausreichend kontrollieren zu können. In der Theorie unterdrücken dichte Zwischenfruchtbestände das Unkraut bis zur Aussaat der Hauptfrucht im Frühjahr. Kurz vor der Aussaat wird die Zwischenfrucht mit einer speziellen Quetschwalze, einem sogenannten Crimper, gewalzt und abgetötet. Anschließend erfolgt die Aussaat der Hauptkultur mit einer für die Direktsaat geeigneten Sätechnik. Dabei wird das Saatgut über einen schmalen Schlitz in den Boden eingebracht wird und per Walze rückverfestigt. Die absterbende Zwischenfrucht wirkt wie eine Mulchauflage und unterdrückt das Auflaufen von Unkräutern.

Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) hat zur Direktsaat von Mais in gewalzte Futtererbse einen Praxistipp herausgegeben. Dieser steht online als PDF-Dokument zum Download zur Verfügung.

Roggen als Zwischenfrucht

In den bisherigen Versuchen haben sich Roggen (vor Soja) und Wickroggen (vor Mais) grundsätzlich als geeignete Zwischenfrucht bewährt. In der Praxis beeinflussen allerdings viele Faktoren den Anbauerfolg. So kann Roggen erst zur Blüte erfolgreich mit einer Quetschwalz abgetötet werden. Da die Roggenblüte aber relativ spät einsetzt, kann die Hauptfrucht je nach Region und Witterung zum Teil erst deutlich später eingesät werden als nach einer Pflugfurche.

Großen Einfluss hat zudem die Witterung. In Jahren mit ausgeprägter Vorsommertrockenheit sorgt der Wasserbedarf des Roggens dafür, dass bei Direktsaat nicht mehr genügend Feuchtigkeit für einen guten Feldaufgang der Hauptkultur verfügbar ist. Deshalb sind frühe Roggensorten und genügend Niederschlag im Frühjahr Voraussetzung für eine erfolgreiche Direktsaat.

Die Versuchsergebnisse im Projekt des IFÖL bestätigten, dass vor allem bei Direktsaat auf trockenen Standorten ein hohes Anbaurisiko besteht. Bei Soja und Mais mit Roggen und Wickroggen als Zwischenfrucht wurden bei Direktsaat in mehreren Anbaujahren nur 20 bis 50 Prozent der üblichen Erträge bei Anbau mit Pflugfurche erzielt.

Die Gründe für die schlechten Erträge waren vielfältig. Zum Teil fehlte der Hauptkultur nach Aussaat genügend Wasser. In anderen Fällen kam es trotz Mulchauflage zu starker Verunkrautung oder die Zwischenfrucht wurde zur Konkurrenz, weil sie nicht komplett abgetötet werden konnte.

Deutlich bessere Ergebnisse zur Direktsaat im Öko-Landbau veröffentlichte das Rodale Institute in Pennsylvania in den USA. Hier arbeitet man schon seit 40 Jahren intensiv an verschiedenen Strategien mit eingeschränkter Bodenbearbeitung und Direktsaat. Hier wurde auch das System mit Roggen als Vorfrucht entwickelt, der vor Direktsaat der Hauptfrucht per Quetschwalze abgetötet wird.

Auf Versuchsflächen erntete das Forscherteam über zwölf Anbaujahre hinweg im Schnitt knapp sieben Prozent weniger bei eingeschränkter Bodenbearbeitung im Vergleich zum regelmäßigen Pflugeinsatz. Aufgrund der großen Einsparungen bei den Arbeitskosten sowie dem Maschinen- und Betriebsmitteleinsatz war die minimierte Bodenbearbeitung immer das wirtschaftlichste System. Zudem zeigte sich, dass ökologisch bewirtschaftete Flächen bei Wetterextremen wie Trockenheit und Starkregen stabilere Erträge lieferten als konventionelle Flächen mit Direktsaat.

Ergebnisse nicht übertragbar

Allerdings lassen sich die Ergebnisse nicht einfach auf deutsche Verhältnisse übertragen. Der Versuchsstandort bei New York bietet mit über 1000 Millimetern pro Jahr immer genügend und günstig verteilte Niederschläge. Zudem liegt das Ertragsniveau auch bei Anbau mit Pflugfurche niedriger als in Deutschland. In den USA hat man außerdem viel mehr Forschungs- und Praxiserfahrung mit Direktsaatsystemen im Öko-Landbau.

Vor allem aber wurde in den Versuchen nicht durchgehend auf eine Bodenbearbeitung verzichtet. In schwierigen Anbaujahren mit hohem Unkrautdruck kamen Grubber und zum Teil auch der Pflug zum Einsatz. Dieser pragmatische Ansatz erscheint auch für deutsche Verhältnisse sinnvoll. Denn Fachleute gehen davon aus, dass eine kontinuierliche Direktsaat im ökologischen Anbau aufgrund der Unkrautproblematik unwahrscheinlich ist.

Für die Praxis bietet sich deshalb eine temporäre Direktsaat an. Das heißt, Direktsaat wird in der Bio-Fruchtfolge nur bei günstigen Voraussetzungen angewendet, also bei ausreichend Bodenfeuchtigkeit und geringem Unkrautdruck. Bei schlechteren Bedingungen wird der Boden bearbeitet. Die Intensität hängt von den jeweiligen Voraussetzungen ab. Für den Einstieg und bietet sich eine Direktsaat von Wintergetreide in eine gewalzte Zwischenfrucht an, wenn genügend Feuchtigkeit im Boden ist.

Grundsätzlich ist zu beachten, dass Direktsaat im Bio-Bereich genauso wie beim konventionellen Anbau nicht nur ein alternatives Säverfahren ist, sondern ein komplett eigenständiges Anbausystem. Es erfordert einen intensiven Zwischenfruchtanbau, eine angepasste Fruchtfolge, eine optimale Sätechnik und vor allem ein funktionierendes System der Unkrautregulierung.

Funktionierendes Direktsaatsystem im Bio-Gemüsebau

Für den Bio-Gemüseanbau ist eine funktionierende Direktsaat-Lösung bereits verfügbar. Der Betrieb live2give im Westerwald hat dafür eigene Maschinen zur Ausbringung von Mulchmaterial und zur Pflanzung verschiedener Gemüsekulturen entwickelt. Mit dem System konnten der Erträge im Schnitt um 25 Prozent gesteigert werden bei deutlich verringertem Aufwand für die Unkrautkontrolle. Allerdings ist das Konzept nicht auf den Ackerbau übertragbar, da sehr große Mengen an Mulchmaterial benötigt werden.

Text: Jürgen Beckhoff


Letzte Aktualisierung 25.09.2024

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