Paludikultur

Paludikultur – Moore vernässen und landwirtschaftlich nutzen

Trockengelegte Moore machen etwa ein Drittel der landwirtschaftlichen Klimagas-Emissionen aus. Eine Renaturierung ist meist schwierig, weil die Betriebe ihre Flächen weiter nutzen wollen. Eine Lösung könnte die Paludikultur sein. Sie verbindet Wiedervernässung und Klimaschutz mit landwirtschaftlicher Nutzung. Die Einführung in die Praxis ist allerdings noch schwierig.

Etwa 95 Prozent der Moorflächen in Deutschland sind entwässert und werden vorwiegend land- oder forstwirtschaftlich genutzt. Das ist ein Problem. Denn in Mooren sind riesige Mengen an Kohlenstoff gebunden. Legt man sie trocken, mineralisiert der organisch gebundene Kohlenstoff aufgrund der aeroben Bedingungen und es werden große Mengen klimaschädlicher Gase an die Atmosphäre abgegeben.

Deshalb sind die knapp eine Million Hektar trockengelegter Moorfläche für ein Drittel der gesamten landwirtschaftlichen Klimagas-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Die Lösung wäre, alle trockengelegten Grünland- und Ackerflächen auf Moorböden wiederzuvernässen. Doch viele Betriebe bewirtschaften ihre Flächen schon seit Jahrzehnten und können oder wollen ohne größere finanzielle Entschädigung nicht auf die Nutzung verzichten.

Bewirtschaftung und Vernässung kombinieren

Eine andere Lösung könnte die sogenannte Paludikultur sein. Sie ist eine Kombination aus Wiedervernässung der Flächen und einer fortgesetzten landwirtschaftlichen Nutzung – allerdings mit völlig anderen Kulturen. Denn statt auf typisches Grünland oder Mais setzt man in der Paludikultur auf Pflanzen, die mit dauerhaft nassen Böden gut umgehen können und sich sinnvoll verwerten und vermarkten lassen.

Diesen Anspruch erfüllen zum Beispiel Schilf, Rohrkolben-, Rohrglanzgras und Seggenarten. Sie können als Biogassubstrat, Dämmstoff, Torfersatz, Naturwerkstoff oder zum Heizen genutzt werden. Auch der Anbau von Torfmoos ist möglich, das als nachhaltiges Pflanzsubstrat im Gartenbau eingesetzt wird.

Bildung klimaschädlicher Gase wird deutlich reduziert

Der Anbau dieser Kulturen hat den Vorteil, dass die Moorflächen wiedervernässt werden können und der Abbau der Kohlenstoffverbindungen gestoppt wird.  So lassen sich mit einer Paludikultur trotz landwirtschaftlicher Nutzung große Mengen klimaschädlicher Gase einsparen.

"Die größte Treibhausgasreduzierung erreichen wir auf ehemaligen Ackerflächen", erklärt Dr. Colja Beyer, Leiter der Kompetenzstelle Paludikultur im 3N Kompetenzzentrum Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie e.V. "Hier können wir pro Hektar und Jahr um die 30 Tonnen CO2-Äquivalente einsparen." Doch auch auf vernässten Grünlandflächen lassen sich die klimaschädlichen Emissionen um über 20 Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr verringern.

Wasserverfügbarkeit begrenzt Umwidmung der Flächen

Die besten Voraussetzungen bieten laut Beyer Flächen, auf denen genügend Wasser verfügbar ist, etwa durch einen hohen Grundwasserstand oder in Form größerer Gewässer, aus denen Wasser entnommen werden darf. So können große Flächen zum Beispiel durch das Aufstauen von Gräben relativ kostengünstig vernässt werden.

Neben der vorteilhaften Klimawirkung fördert eine Paludikultur auch die Artenvielfalt und trägt zum Gewässerschutz bei. Denn wiedernässte Moore sind wichtige Nähr- und Schadstoffsenken und können große Mengen an Wasser speichern. Dadurch stabilisieren sie den Wasserhaushalt und bilden wichtige Rückhalteräume bei Hochwasser.

Schilf liefert viel Biomasse

Zum Anbau der verschiedenen Kulturen auf wiedervernässten Moorböden gibt es bisher nur wenige Erfahrungswerte, die in Forschungsprojekten gewonnen wurden. Besonders anspruchslos ist Schilf, das mit bis zu 24 Tonnen pro Hektar die größten Trockenmasseerträge liefert. Es bietet sich besonders für nährstoffreiche Niedermoorflächen an. Die Anzucht erfolgt mit Saatgut oder Wurzelausläufern (Rhizome). Auch Rohrkolben ist für Niedermoore gut geeignet und liefert gute Erträge.

Deutlich anspruchsvoller ist dagegen das Torfmoos-Farming. Um das Wasser auf den Flächen zu halten, müssen Wälle angelegt werden und es wird ein Bewässerungssystem benötigt. "Die besten Voraussetzungen für den Torfmoosanbau bieten ehemalige Torfabbauflächen", sagt Colja Beyer. Allerdings wächst Torfmoos nur sehr langsam, weshalb sich die Ernte nur alle fünf Jahr lohnt.

Noch nicht in der Praxis etabliert

Trotz langjähriger Forschungsarbeit steht man bei der Einführung von Paludikulturen in die Praxis noch ganz am Anfang. Bisher gibt es nur Erfahrungen mit Flächen, die im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte umgewidmet wurden. Bundesweit existieren derzeit fünf Modellregionen, in denen auf einer Fläche von 50 Hektar Erkenntnisse zur Einführung einer Paludikultur gesammelt werden sollen. Laut Beyer wurde die Forschung in den letzten Jahren nochmals deutlich intensiviert.

"Ein ganz entscheidender Punkt ist die Verwertung der erzeugten Biomasse", sagt der Experte. Noch gibt es kaum Produkte am Markt, die auf der Biomasse einer Paludikultur basieren. Deshalb ist die Entwicklung marktfähiger Produkte und der Aufbau einer Wertschöpfungskette für die Vermarktung wichtiger Bestandteil der aktuellen Forschungsprojekte.

Entwicklung marktfähiger Produkte ist entscheidend

"Die Nachfrage nach diesen Produkten ist letztlich entscheidend für den Ausbau der Paludikulturflächen. Aber noch gibt es hier Forschungsbedarf, denn die Fertigung ist anspruchsvoll", meint Beyer. So werden derzeit im 3N Kompetenzzentrum gemeinsam mit Partnern aus Forschung und Industrie vielversprechende Verwertungslinien aufgebaut. Dazu gehört zum Beispiel die Fertigung von Dämmstoffplatten und Einblasdämmstoff aus Rohrkolben, die in Modellgebäuden eingebaut und in einem Langzeitmonitoring untersucht werden.

Auch die Herstellung unterschiedlicher Gartenbausubstrate aus Rohrkolbenbiomasse ist Teil des Verbundvorhabens. Die Substrate werden analysiert und in pflanzenbaulichen Tests auf ihre Eignung für den Einsatz in der Praxis geprüft. Erste Ergebnisse betätigen laut Beyer das große Potenzial von Rohrkolben. Deshalb ist geplant, auch für andere Produkte wie zum Beispiel Papier Verwertungslinien zu entwickeln.

Keine Flächenprämie für Paludikulturen

Ein großes Hemmnis für die Verbreitung von Paludikulturen in der Praxis ist jedoch, dass Schilf, Seggen und andere geeignete Pflanzen im Sinne der Agrarförderung noch nicht als landwirtschaftliche Kulturen gelten. Deshalb erhalten Betriebe für den Anbau derzeit keine Flächenprämien aus dem EU-Agrarhaushalt. Eine Änderung des Status und die Verbesserung weiterer Rahmenbedingungen für Paludikulturen wird aktuell auf verschiedenen politischen Ebenen diskutiert.

"Grundsätzlich hat die Politik erkannt, dass die Paludikultur ein wichtiger Hebel für mehr Klimaschutz sein kann", sagt Beyer. Und die Unterstützung der Politik ist aus seiner Sicht elementar für den zukünftigen Erfolg des Anbauverfahrens. Denn auch wenn in naher Zukunft konkrete Produkte aus Paludikulturen nachgefragt werden und Praxisbetriebe in den Anbau einsteigen, wird die Erzeugung nicht wirtschaftlich sein. "Das wird nur funktionieren, wenn die erbrachten Klimaschutzleistungen angemessen vergütet werden", sagt Beyer.

Förderung für Praxis-Betriebe über Forschungsprojekte

Zurzeit können interessierte Praxisbetriebe über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) schon jetzt Fördermittel für den Einstieg in die Paludikultur beantragen. Allerdings beschränkt sich die Förderung derzeit noch auf drei Jahre und wird nur im Zusammenhang mit Forschungsprojekten gezahlt. In Niedersachsen können sich interessierte Betriebe für die Antragstellung direkt an die Kompetenzstelle Paludikultur wenden.

Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen ist Beyer zuversichtlich, was den Ausbau von Paludikulturen angeht: "Ich sehe da gute Perspektiven. Die Politik zeigt großen Willen, klimafreundliche Anbauverfahren zu unterstützen. Gleichzeitig geht es in der Forschung und Entwicklung deutlich voran, auch durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit, etwa mit den Niederlanden. Und wenn wir es schaffen, in den nächsten Jahren marktreife Produkte zu entwickeln, wird es funktionieren."


Letzte Aktualisierung 06.04.2021

Nach oben
Nach oben