Grauschimmel (Botrytis cinerea) Sauerfäule Rohfäule Bodentrauben Edelfäule

Grauschimmel

auch: Sauerfäule, Rohfäule, Edelfäule
Botrytis cinerea (Pers.), synonym Botryotinia fuckeliana, Abteilung Schlauchpilze

Schadbild im Weinbau

Sämtliche grünen Rebteile können ganzjährig von Grauschimmel befallen werden. Im Frühjahr überzieht der Pilz bei feuchtkühlem Wetter die Knospen und jungen Triebe mit einem grauen Belag. An Blättern treten braune, von den Blattadern ausgehende Flecken auf, die sich bei anhaltender Feuchtigkeit mit einem grauen Belag überziehen. Er befällt die Gescheine, die sich braun verfärben, eintrocknen und abfallen. Bei Eindringen des Pilzes in das Holz verfärbt sich dieses gelblichweiß und es kann zum Absterben der Ruten kommen.

Befällt der Pilz unreife Beeren, kommt es zur gefürchteten Sauerfäule oder Rohfäule. Die Infektion geht meist von den an der Beere verbliebenen Blütchen aus. Beim Weichwerden der Beeren ab 25 ° Oechsle und besonders nach Befall durch Traubenwickler (Sauerwurmfraß) bilden sich weichfaule Stellen und ein graubrauner Pilzüberzug. 

Neben der Sauerfäule kann auch die Stielfäule auftreten. Dabei wird das Stielgerüst der Trauben von dem Pilz befallen, die Infektionsstellen verfärben sich grünbraun, vermorschen, die Traubenreife unterbleibt und es entstehen Bodentrauben. Werden erst die reifen Beeren ab etwa 80 ° Oechsle befallen kann es bei trockener Witterung zu Edelfäule kommen, welche Qualitäsauslese ermöglicht.

Ähnliche Erreger

Auch der Falsche Mehltau und die Schwarzfäule führen zu Verbräunung und Absterben der Gescheine, die Pilzbeläge des Mehltaus sind aber weiß, bei Schwarzfäule finden sich winzige schwarze Fruchtkörper. Auch die Fäulesymptome an den Trauben ähneln sich zwischen Grauschimmel und Schwarzfäule, zur Unterscheidung sind weitere Schadbilder notwendig.

Zu Grauschimmel an Beerenobst, siehe separates Schaderregerporträt.

Schadwirkung

Grauschimmel zählt mit seinem sehr breiten Wirtsspektrum zu den "Allerwelts- und Schwächeparasiten". Nur bei starkem Infektionsdruck oder geschwächter Abwehrkraft können gesunde Pflanzenteile der Rebe befallen werden. Dies kann durch  eine übermäßige Stickstoff- und Kaliumversorgung ebenso wie durch Verletzungen der Trauben infolge von Hagel, starken Niederschlägen, Sonnenbrand oder Mehltau- sowie Traubenwicklerbefall geschehen.

Der Holzbefall ist in der Vermehrung problematisch. Ertragswirksamer ist der Gescheinsbefall, das Hauptproblem stellt aber der Traubenbefall dar, der in allen Entwicklungsstadien der Traube möglich ist und Ertrags- und Qualitätseinbußen verursacht. Die Nutzung edelfauler Trauben ist wetter- und sortenabhängig mit Risiken verbunden.

Unter der Sauerfäule haben besonders weichschalige Sorten wie Müller-Thurgau und Portugieser zu leiden. Als besonders anfällig für Bodentrauben gilt der Riesling. Die Edelfäule wirkt sich bei einigen Rotweinsorten negativ auf die Weinfarbe aus.

Biologie der Pilzkrankheit

Der Grauschimmel-Pilz überwintert als Gewebe (Mycel) oder Dauerspore (Sklerotien) in der Rinde des einjährigen Holzes, auf Totholz oder auf abgestorbenen Pflanzenresten auf dem Boden. Dort ernährt er sich auch während der Vegetationszeit durch die Zersetzung toten Pflanzenmaterials. Er verbreitet sich durch Mycelwachstum oder durch die Sporen (Konidien), die aus den Dauersporen im Frühjahr entlassen werden, mit Luftzug oder Wasserspritzern. Die Sporen keimen bei Bedingungen von zwei Stunden tropfbarem Wasser und Temperaturen über null Grad. Wunden werden schnell von dem Pilz besiedelt. Die Rebe verhindert die Ausbreitung des Pilzes nach dessen Eindringen durch die Einlagerung von wasserundurchlässigem Suberin. Steht dem Pilz totes Pflanzenmaterial zur Entwicklung zur Verfügung, kann er durch Bildung eines kräftigen Mycels eine weitere Infektion beginnen und die Abwehrkraft der Rebe durch Bildung von Enzymen überwinden, also aktiv über die unverletzte Pflanzenoberfläche eindringen.

Vom Holz wächst der Pilz im Winter in die Knospen, was zu Augenausfällen und Triebbefall führt. Beim Weichwerden der Beeren ab 25 ° Oechsle nimmt die pflanzeneigene Abwehrkraft ab und die Infektionsrate sprunghaft zu. Zu diesem Zeitpunkt treten zuckerhaltige Inhaltsstoffe der Beeren aus und bilden so einen Nährboden für den Pilz und die Bildung der Sauerfäule. Für die Bildung von Edelfäule müssen die Beeren bereits etwa 60 ° Oechsle an Zuckergehalt erreicht haben. Zudem ist Nebelfeuchte für die Pilzentwicklung notwendig, während die Tage trocken sein müssen. Die infektionsbedingte Wasserverdunstung durch die Beerenhaut erhöht dann die Zuckerkonzentration in der Beere und damit die Mostqualität. Zudem ändert sich die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe, wobei besonders der Säuregehalt abnimmt.

Regulierungsstrategien: vorbeugen und bekämpfen

Da Feuchtigkeit die Ausbreitung des Pilzes fördert, helfen alle Maßnahmen, die ein rasches Abtrocknen der grünen Rebteile begünstigen.

Langfristige Kulturmaßnahmen

  • Wahl robuster Sorten mit lockerem Traubenaufbau. Die Beschreibung Pilzwiderstandsfähiger Rebsorten bezieht sich hauptsächlich auf Mehltauresistenz, enthält aber auch einige Hinweise auf die Grauschimmelanfälligkeit der Sorten.
  • Gute Belüftung durch Wahl der richtigen Erziehungsform, die möglichst viel Luft und Licht in die Traubenzone gelangen lässt
  • Bewässerungssysteme bevorzugen die Trauben und Blätter nicht benetzen (Tröpfchenbewässerung, Microjetsystem)

Jährliche Kulturmaßnahmen

  • Schnitt: Nicht zu viele Augen belassen (je nach Sorte 8 bis 10 Augen)
    Bei Minimalschnittsystemen entwickeln sich lockerere Trauben, die seltener aufplatzen und sich gegenseitig weniger anstecken.
  • Gezielte Laubarbeiten:
    Auslauben der Traubenzone 10 bis 14 Tage nach der Blüte in Abhängigkeit von der Witterung trägt zur Stabilisierung und Abhärtung der Beeren bei,
    sorgfältiges Ausbrechen von Kümmer- und Doppeltrieben ab Stadium "Gescheine sichtbar",
    Verdichtungen bzw. Laubglocken in der Laubwand verhindern
  • Harmonische Nährstoffversorgung durch Begrünungspflege, organische Düngung und Humusversorgung. Ein unzeitgemäßer Umbruch der Begrünung oder intensive Bodenbearbeitung im Sommer können zu Stickstoffschüben führen.
  • Bewässerung minimieren
  • Sorgfältige Regulierung von Traubenwickler (Sauerwurm) und Echtem Mehltau
  • Bodenbegrünung besonders zur Blütezeit niedrig halten, z.B. durch Walzen oder alternierenden Schnitt

Pflanzenstärkung

  • Alle abhärtenden silikathaltigen Pflanzenstärkungsmittel, zum Beispiel aus der Basis von Kieselsol (Wasserglas) oder Schachtelhalm-Extrakt, verstärken die Kutikula und erschweren ein Eindringen des Pilzes.
  • Bei stärkeren Verletzungen durch Hagel oder Frost: Wasserglas 3 Liter pro Hektar kombiniert mit zwei Prozent Schachtelhalm-Extrakt.
  • Nach der Ernte von Beeren- oder Trockenbeerenauslesen sowie Eisweinen: Austriebsbehandlung mit Wasserglas 5 Liter pro Hektar und zwei Prozent Schachtelhalm-Extrakt

Direkte Bekämpfung mit zugelassenen Pflanzenschutzmitteln

  • Kaliumhydrogencarbonat: Ab Erbsengröße bis zur Vollreife bis zu 6 mal jährlich anwendbar, Voraussetzung Warndiensthinweis oder Infektionsgefahr. Achtung, das Mittel wirkt sich schädlich auf Raubmilben aus.
  • Pflanzenschutzmittel auf der Basis von Aureobasidium pullulans (Botector)
    Präventive Behandlungen kann ggf. sinnvoll sein, die enthaltenen Mikroorganismen-Stämme treten in natürliche Konkurrenz zu Botrytis.

In der Forschung werden Saponinextrakte aus der Indischen Waschnuss gegen Grauschimmelbefall getstet, die im Freiland sehr gute Wirkung zeigten.


    Weblink

    Grauschimmel: Bebildertes Krankheitsportrait auf vitipendium.de

    Letzte Aktualisierung 10.12.2018

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