Welches Verfahren eignet sich am besten für die Öko-Praxis?
Aus Sicht des Tierschutzes sind die Ebermast und die Immunokastration zu bevorzugen. Denn bei diesen Verfahren wird auf den schmerzhaften chirurgischen Eingriff komplett verzichtet. Allerdings sorgen auch die beiden Vollnarkoseverfahren wirksam dafür, dass die Ferkel keine Schmerzen erleiden müssen.
Die Schmerzausschaltung ist jedoch nur ein Aspekt, das Verfahren muss auch praktikabel sein. So kommt für Betriebe, die Ferkel in Hütten halten, eine Betäubung per Injektion zum Beispiel nicht infrage, da aufgrund der lang anhaltenden Narkosedauer ein Auskühlen der Ferkel zu befürchten wäre.
Nicht unerheblich ist darüber hinaus die Wirtschaftlichkeit. Laut einer Studie des Thünen Institut für Betriebswirtschaft ist die Immunokastration das wirtschaftlichste Verfahren – vorausgesetzt, die geimpften Tiere können am Schlachthof verkauft und als Kastraten abgerechnet werden. Auch die Jungebermast schneidet laut Thünen-Studie unter ökonomischen Gesichtspunkten gut ab, wenngleich aufgrund der schlechteren Bezahlung nach Eberpreismaske etwas schlechter als die Immunokastration. Die Anforderungen an das Management sind bei der Jungebermast allerdings höher als bei der Mast immunokastrierter Tiere. Denn mit zunehmendem Alter steigt bei unkastrierten Ebern aufgrund von Rangordnungskämpfen die Gefahr für Unruhe und Verletzungen.
Teurer als die Ebermast und die Immunokastration sind laut Thünen-Studie die beiden Narkoseverfahren samt postoperativer Schmerzausschaltung. Unter diesen beiden Narkoseverfahren verursacht die Injektionsnarkose die höchsten Kosten.
Anbauverbände noch uneinig
Die ökologischen Anbauverbände sind sich teilweise uneinig darüber, welches Verfahren das geeignete ist. Naturland favorisiert die Immunokastration und erprobt dieses Verfahren schon seit 2016 auf seinen Betrieben. Das Gros der Anbauverbände steht der Immunokastration hingegen eher kritisch gegenüber und setzt überwiegend auf die Kastration mit Betäubung. Gäa spricht sich mittelfristig für die Etablierung der Ebermast aus. „Alle Methoden haben ihre Vor- und Nachteile", sagt Christian Wucherpfennig von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. "Je nach Situation und Betrieb eignet sich mal die eine, mal die andere." Der Öko-Berater sieht daher keine unbedingte Notwendigkeit für ein einheitliches Vorgehen in der Branche.
Streit um Immunokastration
Derzeit steht allerdings zur Diskussion, ob die Immunokastration für Öko-Betriebe weiterhin zulässig bleibt. Die Europäische Kommission sieht die Anwendung der Immunokastration im Ökolandbau kritisch. Dieses Verfahren entspreche nicht den Prinzipien des ökologischen Landbaus, so die EU-Kommission, und sei daher nicht mit dem EU-Öko-Recht vereinbar. Die Länderarbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (LÖK) hatte daher vorgeschlagen, die bislang im Ökolandbau zugelassene Immunokastration in Deutschland zu verbieten. Dies hat jedoch zu heftiger Kritik bei Tierärzte- und Tierschutzverbänden geführt, die in der Immunokastration die tiergerechteste Alternative zur betäubungslosen Ferkelkastration sehen. Auch der Anbauverband Naturland protestiert dagegen. Viele seiner Mitgliedsbetriebe wenden das Verfahren seit einigen Jahren an.
Und was sagen die Verbraucherinnen und Verbraucher?
Schließlich muss man bei der Diskussion über das "richtige" Verfahren auch die Konsumentinnen und Konsumenten im Blick haben. Die Uni Kassel untersuchte in einer Studie die Auswirkungen alternativer Kastrationsverfahren auf die Verbraucherakzeptanz. Die Ergebnisse zeigen: Für Verbraucherinnen und Verbraucher stellt sowohl die Kastration mit Betäubung und Schmerznachbehandlung als auch die Ebermast eine geeignete Alternative zur betäubungslosen Ferkelkastration in der ökologischen Schweinehaltung dar. Die Immunokastration wurde zwar als besonders tierfreundlich eingestuft, passt laut der befragten Verbraucher aber nicht gut zum Öko-Image. Außerdem gab es starke Bedenken wegen möglicher negativer Auswirkungen von (Hormon-) Rückständen.
Anforderungen frühzeitig mit Marktpartner abklären
Bis das neue Tierschutzgesetz greift, bleiben der Branche noch etwas mehr als ein Jahr. Einige Handelsketten verkaufen bereits seit 2017 kein Fleisch mehr von betäubungslos kastrierten Schweinen, andere haben vor, ähnliche Wege einzuschlagen. Das Aktionsbündnis der Bio-Schweinehalter Deutschland empfiehlt daher seinen Mitgliedern, frühzeitig mit den Marktpartnern abzuklären, welche Anforderungen in naher Zukunft an die männlichen Mastschweine gestellt werden.