Detailansicht

Nachhaltige Landwirtschaft geht weit über den Ackerrand hinaus

Am 20. September startete die internationale Konferenz Landscape 2021 des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. Im Fokus des Tagungsprogramms steht die Frage, wie eine Transformation der Landwirtschaft zu mehr Klimaresilienz und Nachhaltigkeit gelingen kann. Die Konferenz zeichnet sich durch ihre ganzheitliche Perspektive auf das Thema aus: alle Aspekte, die für eine nachhaltige Veränderung der Landwirtschaft wichtig sind, werden von über 400 Teilnehmenden aus 43 Ländern in den Blick genommen.

Logo Landscape

Intensive Landwirtschaft, also der Anbau auf großen Flächen und eine Spezialisierung auf wenige Nutzpflanzen, haben zu enormen Ertragssteigerungen geführt. Die negativen ökologischen Effekte, wie der Verlust von Biodiversität, die Schäden für Böden, Gewässer und Ökosysteme sowie ma​​rkt​-­​bedingte wirtschaftliche Unsicherheit für landwirtschaftliche Betriebe, sind angesichts der zusätzlichen Bedrohung durch den Klimawandel weltweit nicht mehr tragbar.

Auf der Konferenz Landscape 2021 diskutieren die Teilnehmenden daher über Ansätze, die auf Diversifizierung, also die Erhöhung von Vielfalt, in der Landwirtschaft setzen. Die Vision der Forschenden ist eine widerstandsfähige und nachhaltige Landwirtschaft, die sich durch hohe Produktivität bei geringem Ressourcenverbrauch auszeichnet, und gleichzeitig Ökosysteme und Biodiversität im Landschaftssystem erhält. Mit Vielfalt sollen positive Wechselwirkungen sowohl zwischen Landwirtschaft und Ökosystemen als auch zwischen Landwirtschaft und dem Ernährungssystem erreicht werden. Das soll ebenfalls neue wirtschaftliche Perspektiven und technologische Innovationen für Landwirtinnen und Landwirte ermöglichen.

Vielfalt stärkt Resilienz

Die Forschung geht davon aus, dass Landwirtschaft und Natur gleichermaßen von einer erhöhten Vielfalt auf dem Feld, im Boden, in der Landschaft, wie auch in der Wertschöpfungskette und zuletzt auf dem Teller profitieren. Vielfältige Fruchtfolgen und Fruchtarten auf dem Acker und abwechslungsreiche Landschaftselemente, wie Wildblumenwiesen, Büsche, Bäume und Gewässer in der umgebenden Agrarlandschaft sollen sich langfristig positiv auf die Bodeneigenschaften und Erträge auswirken. Prof. Frank Ewert, Wissenschaftlicher Direktor des ZALF und Conference Chair, betont: "Diversifizierung ist auch auf wirtschaftlicher Ebene wichtig. Wenn Betriebe in einer Saison verschiedene Feldfrüchte mit unterschiedlichen Eigenschaften anbauen, streuen sie ihr finanzielles Risiko und müssen bei klimabedingten Extremwetterereignissen wie Dürre oder Starkregen nicht unbedingt um den Ausfall der gesamten Ernte fürchten."

Diversifizierung ist also auf mehreren Ebenen ein grundlegender Baustein für eine resiliente Landwirtschaft. Conference Chair Professor Peter Feindt, Professor für Agrar- und Ernährungspolitik, Humboldt-Universität zu Berlin, erklärt: "Resilienz in der Landwirtschaft bedeutet, dass die Agrarsysteme möglichst aus eigener Kraft Krisen überstehen und notwendige Transformationen bewältigen können. Das erfordert von den einzelnen Agrar-Betrieben und den gesamten Wertschöpfungsketten Zukunftsorientierung, integrierte Ansätze sowie eine hohe Lern- und Anpassungsfähigkeit. Nur dann können Ernährungssicherheit und der Schutz der zugrundeliegenden Ökosysteme gewährleistet werden."

Wirtschaftliche Resilienz und Vielfalt der Landschaften

Die Konferenz wurde eröffnet von Prof. Miranda Meuwissen, Professorin für Risikomanagement in Lebensmittelversorgungsketten der niederländischen Universität Wageningen. In ihrer Keynote-Rede betonte sie, wie wichtig Resilienz im Landwirtschaftssystem ist: "Weniger als die Hälfte der europäischen Bauernhöfe können sich langfristig wirtschaftlich selbst erhalten. Existenzsichernde Einkommen stärken ebenfalls die Resilienz von Landwirtschaft und Ökosystemen. Denn Betriebe, die sich auf ein stabiles Einkommen stützen, haben möglicherweise auch die Kapazitäten, umweltfreundlichere Anbaumethoden zu erproben."

Douglas Landis, Professor für Insektenökologie an der Michigan State University (USA), wird am zweiten Konferenztag mit einer Keynote-Rede Einblick in seine Forschung geben. Vorab erklärte er: "Intensive Bewirtschaftung hat weltweit dazu geführt, dass Landschaftsstrukturen wie Wälder, Moore oder Wiesenland zugunsten großer Agrarflächen verschwinden. Die Folge ist der Verlust von Biodiversität und wichtigen Funktionen der Ökosysteme. Dieser Prozess der Vereinheitlichung von Landschaften muss rückgängig gemacht werden – und das erfordert enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und allen wichtigen Interessengruppen."

Wandel nur gemeinsam mit der Praxis möglich

Da die Zusammenarbeit mit der Praxis grundlegend für eine Transformation hin zu Nachhaltigkeit und Resilienz im Agrarsystem ist, werden Akteurinnen und Akteure aus Landwirtschaft und Politik in die Landscape 2021 eingebunden. Conference Host Prof. Katharina Helming vom ZALF betont den besonderen Ansatz der Konferenz: "Um den Blick auf das gesamte Landschaftssystem rund um die Agrarproduktion zu richten, ist es unbedingt notwendig, die Praxis mit in die Debatte zu holen. Heute werden sich auf dem Marketplace Forschungsprojekte mit ihren anwendungsorientierten Produkten für die Praxis vorstellen und den Austausch suchen. Am letzten Konferenztag laden wir zu einer Diskussionsrunde ein und holen Landwirtinnen und Landwirte und Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Politik an einen Tisch. Damit können wir ebenfalls den auf Bundesebene von der ‚​Zukunftskommission Landwirtschaft‘ erfolgreich gestarteten Dialog fortsetzen."

Virtuelle Konferenz mit abwechslungsreichen Formaten

Die Teilnehmenden der Landscape 2021 wählen an den drei Konferenz-Tagen aus 175 Vorträgen in 38 virtuellen Sessions, die über Videokonferenzen übertragen werden. Auf einer Online-Konferenzplattform stellen Projektgruppen und Forschende insgesamt 85 wissenschaftliche Poster vor. Zusätzlich werden Masterclasses angeboten - dabei handelt es sich um ein innovatives Format mit Workshop-Charakter, bei dem gegenseitiges Lernen, ein tieferer Einstieg in die Methodologie und intensive Diskussionen im Vordergrund stehen.

Quelle: Pressemitteilung Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung

Nach oben
Nach oben