Solche Veränderungen würden menschliche Konsumgewohnheiten ziemlich auf den Kopf stellen. Schader ist jedoch überzeugt, dass diese Ziele umsetzbar sind. "Es gibt heute schon zahlreiche Initiativen in Europa, die zu einer Senkung der Lebensmittelabfälle führen, so der Agrarwissenschaftler. "Ein gutes Beispiel ist Dänemark: Dort konnten Nahrungsmittelabfälle in den letzten sieben Jahren um ein Drittel gesenkt werden. Andere Beispiele sind Frankreich und Italien: Dort haben die Länderregierungen 2016 Gesetze erlassen, die es Supermärkten verbietet, verzehrbare Nahrungsmittel wegzuschmeißen. Stattdessen sollen diese an Wohltätigkeitsorganisationen gespendet werden." Dies sind nur einige Beispiele von vielen, wie man die Lebensmittelverschwendung reduzieren könnte. Schwieriger wird es mit dem Verzicht auf tierische Lebensmittel. Doch auch dies hält Schader für möglich, wenn der politische Wille dafür vorhanden ist. "So etwas ist natürlich nicht von heute auf morgen möglich, aber für das Jahr 2050 kann man durchaus visionär denken", so der Wissenschaftler. "Für ein nachhaltiges Ernährungssystem sind erhebliche Anstrengungen nötig, sowohl von der Politik und der Zivilgesellschaft als auch von der Privatwirtschaft." Dafür brauche es aber vor allem ein Bewusstsein dafür, dass die derzeitige Nahrungsmittelproduktion nicht nachhaltig ist und Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit hat, ist der Forscher überzeugt. Wäre sich die Bevölkerung bewusst darüber, welche Konsequenzen das derzeitige Ernährungssystem für heutige und zukünftige Generationen hat, wäre auch der Wille für die Umstellung größer.
Stickstoffversorgung könnte bei 100 Prozent Öko zum Problem werden
Ein Mehr an ökologischer Landwirtschaft könnten weltweit zu einem enormen Abbau der Stickstoffüberschüsse führen, und damit die Belastung von Grund- und Oberflächengewässern drastisch verringern. Laut der Studie würde man bei 80 Prozent Ökoanbaufläche und gleichzeitiger Halbierung von Kraftfutter und Lebensmittelabfällen den Stickstoffüberschuss weltweit um 100 Prozent senken können. Trotzdem wäre noch eine ausreichende Stickstoffversorgung gewährleistet. "Jede weitere Erhöhung des Ökoanteils würde dann allerdings zu einem Stickstoffdefizit führen", so Schader. Doch der Agrarökonom ist auch hier optimistisch, dass die Landwirtschaft dieses Problem bewältigt: "Eine Optimierung des Leguminosenmanagements und besonders die Wiederverwertung von Nährstoffen aus Bioabfällen und Klärschlamm bieten hier erhebliches Potenzial zur Verbesserung der Stickstoffversorgung".
Ökolandbau: gut für Umwelt und Ressourcenverbrauch
Eine Zunahme der ökologisch bewirtschafteten Fläche hätte noch eine Reihe weiterer Vorteile für Umweltschutz und Ressourcenverbrauch. So würde der Einsatz synthetischer Pflanzenschutzmittel drastisch reduziert, oder – im Falle von 100 Prozent Öko – sogar ganz vermieden. Nichtsynthetische Pflanzenschutzmittel wie Kupfer, die im ökologischen Anbau verwendet werden dürfen, sind hierbei allerdings nicht berücksichtigt. Auch der Energieverbrauch könnte reduziert werden: Die FiBL-Wissenschaftler errechneten, dass bei 100 Prozent Ökolandbau Einsparungen von 19 bis 27 Prozent möglich wären. Dies ist vor allem dem Umstand zu verdanken, dass keine synthetischen Dünger mehr hergestellt würden. Selbst die Treibhausgasemissionen könnten mit der Strategie "100 Prozent Ökolandbau" in geringem Maße reduziert werden.
Was die Bodenerosion betrifft, konnten die Forscherinnen und Forscher keine Unterschiede feststellen. So ist anzunehmen, dass die Bodenerosion beim Ökolandbau ähnlich stark zunimmt, wie beim konventionellen Anbau, falls keine Gegenmaßnamen ergriffen werden. Auch hinsichtlich der Phosphorüberschüsse konnte keine Differenzen zwischen öko und konventionell ermittelt werden.
Die FiBL-Studie in voller Länge ist zu finden auf der Internetseite des Fachmagazins Nature Communications: Strategies for feeding the world more sustainably with organic agriculture (englisch)