Vollkorn - was heißt das?
Schon um das Jahr 1900 begann sich ein Trend abzuzeichnen, der charakterisiert war durch den Slogan "Vorwärts zur Natur". Die Lebensreformbewegung führte diese Diskussion auch in Hinblick auf die Ernährung und damals traten die ersten Ärzte auf, die empfahlen, das Getreide nicht in seine Bestandteile zu zerlegen und dann zu verzehren, sondern ausgehend vom ganzen Korn Produkte herzustellen, die dessen Fähigkeiten ganz (voll) beinhalten.
Der Grundsatz "Lasst unsere Nahrung so natürlich wie möglich" wurde in den 60er Jahren von Kollath geprägt und im Jahre 1981 mit dem Grundlagenwerk "Vollwert Ernährung" (Körber, Männle, Leitzmann) konkretisiert und erweitert.
Dieser Zeitpunkt deckt sich in etwa mit dem Aufblühen der Vollwerternährung (siehe unten) in weiten Kreisen der Gesellschaft. Von Anfang an hat man die Frage nach der richtigen Zusammensetzung der Nahrung und Produkte aus dem ökologischen Landbau vielfach zusammen gedacht. Die Vollwerternährung umfasst neben anderen Aspekten im Wesentlichen den Ansatz, die Lebensmittel möglichst in ihrer Gesamtheit zu belassen. Vollwertig bezieht sich also auch auf die Art der Lebensmittel, die empfohlen werden. Insbesondere die Produkte aus dem vollen Korn, sogenannte Vollkornprodukte.
Gründe für Vollwerternährung
1. Vitamine und Mineralstoffe
Wertvolle Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe finden sich im Korn überwiegend in den Randschichten. Beim Vermahlen gelangen unterschiedliche Anteile der Randschichten und damit dieser Inhaltsstoffe ins Mehl. Vollkornmehle und Vollkornschrote bestehen aus allen Bestandteilen des Getreidekorns, einschließlich Schalen und Keimling. Helle Mehle enthalten weniger Schalenanteile. Die Mehltypenzahl steht für den Aschegehalt bzw. Mineralstoffgehalt im Mehl. Je höher die Type, desto mehr Mineralstoffe sind enthalten.
Nährstoffvergleich Speiseweizen und WeizenmehlNährstoff pro 100g | Weizen ganzes Korn | Weizenmehl Type 1050 | Weizenmehl Type 405 |
---|
Vitamin B1 | 0,47 mg | 0,43 mg | 0,06 mg |
Vitamin B2 | 0,17 mg | 0,07 mg | 0,03 mg |
Vitamin E | 1,35 mg | 0,60 mg | 0,30 mg |
Folsäure | 0,05 mg | 0,02 mg | 0,01 mg |
Magnesium | 124,00 mg | 53,00 mg | 20,00 mg |
Eisen | 3,40 mg | 2,90 mg | 1,50 mg |
Die Gießener Vollwertstudie zeigt, dass Vollkornprodukte die Nährstoffversorgung verbessern. "Vollwertköstler" waren durch den hohen Anteil an Vollkornprodukten (bis zu 85 %) in ihrer Nahrung deutlich besser mit Ballaststoffen, Vitamin B1 und Vitamin E versorgt als "Nicht-Vollwertköstler".
2. Ballaststoffe
Der hohe Verbrauch von hellen Mehlen führte u.a. dazu, dass bundesweit zu wenig Ballaststoffe aufgenommen werden. Im neunzehnten Jahrhundert lag die Ballststoffzufuhr in Deutschland noch bei etwa 100 Gramm pro Person und Tag. Heute beträgt sie (nach Angaben der nationalen Verzehrsstudie 2008) durchschnittlich etwa 24 g. Als Richtwert für die Zufuhrempfehlung gilt bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) eine tägliche Ballaststoffaufnahme von mindestens 30 g. Diese Empfehlung kann beispielsweise mit dem Verzehr von etwa 200 g Vollkornprodukten und 125 g Hülsenfrüchten erreicht werden (Leitzmann und Keller, 2010) . Helles Weizenmehl (Typ 405) enthält nur 15 Prozent der Ballaststoffe des gesamten Getreidekorns, helles Roggenmehl nur etwa 20 Prozent. Über kurze Zeiträume sind niedrige Ballaststoffgehalte in der Nahrung unproblematisch. Jedoch weiß man heute, dass die längerfristige zu geringe Aufnahme von Ballaststoffen mit verantwortlich ist für eine ganze Reihe von Zivilisationskrankeiten. Hierzu zählen Obstipation (Verstopfung), Zahnkaries, Krebs (v.a. Dickdarmkrebs), Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf- Erkrankungen sowie Gallensteine und Nierensteine.
Vollkornerzeugnisse aus Getreide insbesondere unser "täglich Vollkornbrot" spielen in der Prävention dieser Krankheiten eine herausragende Rolle.
3. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile
Immer wieder werden neue Erkenntnisse über die Bedeutung von Lebensmitteln für die menschliche Ernährung gewonnen. Z.B. wurde festgestellt, dass Inhaltsstoffe des Roggens krebsschützende Eigenschaften besitzen. Dabei wird auch immer wieder deutlich, dass unsere Erkenntnisse über die Ernährung des Menschen und über die Wechselwirkungen von Mensch und Nahrung begrenzt sind. Ohne Zweifel haben wir in den letzten Jahrzehnten unendlich viele Fragen zu diesen Themen näher beleuchten können.
Alle Eigenschaften und Fähigkeiten eines Getreidekornes können jedoch nur erschlossen werden, wenn das gesamte Korn verzehrt wird.