Auswirkungen der Corona-Krise auf die Bio-Lebensmittelherstellung

Auswirkungen der Corona-Krise auf die Bio-Lebensmittelherstellung

Die Corona-Pandemie hat Lebensmittelunternehmen vor einige Herausforderungen gestellt: Verdoppelung der Lieferzeiten, Vervierfachung der Frachtkosten, stornierte Kontrakte aufgrund geschlossener Einrichtungen in der Außer-Haus-Verpflegung. Drei Experten berichten von ihren Erfahrungen.

Die Corona Pandemie hat das Jahr 2020 geprägt. Während überall das Home-Office eingerichtet, auf Abstände und Masken geachtet wurde, wurden die Lebensmittelbetriebe mit Lieferschwierigkeiten und Engpässen im internationalen Warenverkehr konfrontiert.

Bio boomt

Der Umsatz für Bio-Lebensmittel ist im Jahr 2020 um 22 Prozent gestiegen. Verbraucherinnen und Verbraucher griffen am Regal so oft zum Bio-Produkt wie nie zuvor. Der Bio-Markt wuchs auf insgesamt 14,99 Milliarden Euro. "Die Bio-Branche hat die Wertschätzung bekommen, die ihr gebührt", freut sich Alexander Beck von der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL). Hier spielt ebenfalls mit rein, dass die Außer-Haus-Verpflegung während der Pandemie so gut wie zum Erliegen gekommen ist. Diejenigen, die vorher in der Kantine oder Mensa gegessen haben, mussten nun selbst Lebensmittel einkaufen. Für konventionelle Hersteller stellten sich die Probleme, große Gebinde für den Großmarkt in kleine Gebinde für die Privathaushalte umzustrukturieren – diese Problem stellte sich Bio-Herstellern nicht.

Pandemie wirkt sich auf die Lieferkette aus

Während die meisten Bio-Unternehmen eine erfreuliche, gleichzeitig aber auch herausfordernde Auslastung ihrer Produktionskapazitäten erfuhren, zeigten sich auch die Schwachstellen der Wertschöpfungsketten. Da viele Bio-Produkte nicht unter den hiesigen klimatischen Bedingungen produziert werden können, sind viele Betriebe auf internationale Waren- und Transportketten angewiesen. Die pandemiebedingten Störungen im internationalen Güterverkehr führten und führen noch immer zu erhöhten Lieferzeiten und -kosten.

Auf Linienflügen wird beispielsweise ein bestimmter Anteil an Waren transportiert. Diese Option fiel im Frühjahr 2020 zeitweise weg. Von März bis Mai 2020 wurden deswegen 71,3 Prozent weniger Ware mit Linienflügen transportiert als im Vorjahreszeitraum. Beispielsweise wird der Tee aus Nepal fast ausschließlich per Flugzeug nach Europa transportiert. Jan Dellwisch, langjähriger Tee-Experte und Bio-Verantwortlicher bei Kloth & Köhnken Teehandel GmbH, musste dadurch erhebliche Lieferverzögerungen und Ausfälle bei Spezialitäten hinnehmen.

Der Schiffsverkehr aus und nach Asien ist durch die Corona Pandemie besonders stark von Verzögerungen betroffen. Dadurch waren und sind bestimmte Rohstoffe auf dem europäischen Markt weniger bis gar nicht verfügbar. Der fehlende Absatz spiegelt sich im Einkommen der Produzentinnen und Produzenten vor Ort wider. Diese werden üblicherweise erst mit Lieferung bezahlt.

Teilweise kam der Schiffsverkehr beinahe vollständig zum Erliegen, auch beim Import in die EU standen die Schiffe in den Häfen Schlange. Denn die Frachtabwicklung wurde aufgrund pandemiebedingter Maßnahmen an Schlüsselstellen erschwert. Dies führte teilweise zu einer Verdopplung der Lieferzeiten und Vervierfachung der Frachtkosten.

Lockdown-Regelungen, Einfuhrbedingungen und Auflagen erschweren den internationalen Handel. Auch in den Produktionsländern selbst konnten und können viele Arbeiten auf Grund der Regulierungen nur beschränkt stattfinden. Zur Ernte auf Teeplantagen kommen teilweise 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen, berichtet Jan Dellwisch. Zwar findet die Arbeit auf den weitläufigen Feldern in unterschiedlichen Sektionen statt, dennoch wurde stellenweise erst einmal ein Lockdown verhängt, wie zum Beispiel in der bekannten Teeregion Darjeeling. Auch wenn die Lockerungen schnell folgten, macht sich eine Woche Arbeitsstopp sofort bemerkbar: So wuchsen die Teeblätter weiter und die Tee-Knospen öffneten sich bereits, sodass die Produktqualität stark beeinflusst wurde. Zudem stieg der Unkrautdruck. "Eine Woche Lockdown hat folglich gravierende Auswirkungen in der Lebensmittelproduktion." fügt Jan Dellwisch hinzu.

Erwartet uns mehr Betrugsware? Fehlende Bio-Kontrollen bieten Schlupfloch

Durch die fehlenden Bio-Kontrollen vor Ort ist mit der Pandemie auch das Betrugsrisiko gestiegen. Auch wenn die Bio-Kontrollstellen in Europa und weltweit versuchten, so viel wie möglich als Distanzkontrollen durchzuführen, können diese doch einen Besuch vor Ort nicht ersetzen. Dadurch werden Schlupflöcher geboten, die im Zweifelsfall ausgenutzt werden können. "Gegen Ende 2020 gab es Angebote auf dem Markt, die deutlich näher am konventionellen Preis und offensichtlich unter den Produktionskosten für Öko-Anbau lagen. Wir halten an unseren Partnerunternehmen in den Ursprüngen fest und beziehen nur aus uns bekanntem und transparentem Anbau", berichtet Jan Dellwisch.

Schwierigkeiten bei der Produktionsplanung

Probleme in der Planung beschreibt Wilfried Schaffer, zuständig für den Bio-Einkauf und -Verkauf des Unternehmens Meyer Gemüsebearbeitung GmbH, als "ein Stück weit so, wie in die Glaskugel zu schauen". Die Pandemie ließ sich nicht vorhersagen und auch während der Pandemie konnten keine Pläne geschmiedet werden. Viele Kontrakte, die mit Schulen und Kitas vereinbart waren, wurden storniert, so Schaffer. Ein Großteil der Ware konnte jedoch aufgrund der gestiegenen Nachfrage im Lebensmitteleinzelhandel dort abgesetzt werden.

Die Lagerkapazitäten zu erhöhen, um gegen solche Krisen gewappnet zu sein, ist jedoch nicht das Resultat, das Wilfried Schaffer aus der Pandemie zieht. Dies würde lediglich einen möglichen Warenüberschuss bedeuten. Die Kalkulation des Wareneinkaufs basiert auf Kundenanfragen, Prognosen für die Zukunft und den Trends des letzten Jahres. "Besonders die langjährigen Lieferbeziehungen und festen Kontrakte gaben in der Pandemie Sicherheit im Rohstoffeinkauf" betonte Wilfried Schaffer.

Auch Jan Dellwisch berichtet, dass die Lagerung von Waren Risiken mit sich bringen. Unternehmen befinden sich im Spagat zwischen den stets wachsenden Kundenanforderungen an die ökologischen Rohwaren einerseits und der Sicherstellung der Warenverfügbarkeit andererseits.

Wie geht es weiter nach der Pandemie?

Während der Pandemie zeigt sich vor allem die einseitige Logistik als Schwachstelle. Daher wäre es für die Zukunft ratsam, mehr Diversität in die Logistik zu bringen, so Dellwisch. Sowohl zeitlich versetzt, als auch unterschiedliche Reedereien als Transportunternehmen anzuheuern, könnte die Liefersicherheit erhöhen. Auch den Güterzug als Transportmittel verstärkt einzubeziehen, wäre eine Möglichkeit. Weiterhin sei es ratsam, Puffer einzukalkulieren – sowohl bei der Lieferzeit als auch bei den Lieferkosten.

Alexander Beck sieht die Chance für mehr Bio in der Außer-Haus-Verpflegung. Der Neustart, vor dem die gastronomischen Betriebe nun stehen, könnte eine Umstellung auf andere Konzepte ermöglichen.

Wilfried Schaffer hofft, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher das gesteigerte Vertrauen in Bio-Lebensmittel aus der Pandemiezeit mitnehmen. Er persönlich hat sein Vertrauen in langjährige Lieferbeziehungen und feste Kontrakte gefestigt und sieht hier mehr Sicherheit.


Letzte Aktualisierung 29.06.2021

BÖLW – Branchenreport 2021

Zahlen und Fakten zur Bio-Branche in Deutschland.

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