CSX – solidarische Unternehmen

CSX – Konzept des solidarischen Unternehmens am Beispiel Bäckerei

CSX bedeutet "Community Supported Entrepreneurship" – also gemeinschaftsgetragene Unternehmen – wobei das X als Platzhalter für die Unternehmensform steht. Sie bauen auf den Prinzipien einer solidarischen Landwirtschaft auf. Auch Verarbeitungsbetriebe können sich gemeinschaftlich organisieren und solidarisch wirtschaften. Das "Backhaus der Vielfalt" ist ein Beispiel für den Aufbau, die Strukturen und die Chancen eines gemeinschaftsgetragenen Unternehmens.

Wirtschaftliche Betriebe brauchen Wachstum, um sich auf dem Markt halten zu können. Mit dem Wachstum vergrößert sich auch der In- und Output des Unternehmens. Es werden immer mehr Rohstoffe benötigt, um mehr Produkte herzustellen und zu vermarkten. In einer Welt mit endlichen Ressourcen führt das unweigerlich an die Grenzen unseres Ökosystems. Diese Grenzen werden immer schneller erreicht, wie der Earth Overshoot Day zeigt.

Es braucht also dringend Alternativen. Erste Ideen zeigen auf, wie diese aussehen könnten. Die sogenannte Gemeinwohl-Ökonomie kann eine Lösung für die Probleme des wachstumsorientierten Wirtschaftens sein. Bei dieser Strategie funktioniert die Wirtschaft auch ohne stetiges Wachstum. Das Gemeinwohl steht dabei vor der Gewinnmaximierung. Demokratische Mitbestimmung, transparentes Handeln sowie der Ausbau regionaler und lokaler Wirtschaftskreisläufe tragen zum Gelingen zwischenmenschlicher und ökologischer Beziehungen bei.

Solidarische Landwirtschaft als Beispiel für eine zukunftsfähige Alternative

Die solidarische Landwirtschaft (Solawi), englisch "Community Supported Agriculture" (CSA), ist ein Beispiel für einen regionalen wirtschaftlichen Kreislauf. Bei einer Solawi schließen Verbraucherinnen und Verbraucher mit Erzeugerinnen und Erzeugern eine Gemeinschaft. Die Mitglieder zahlt einen monatlichen Betrag an den landwirtschaftlichen Betrieb, sodass dieser ein festes finanzielles Einkommen hat. Der Preis richtet sich nicht nach Marktgegebenheiten, sondern nachdem, was für den landwirtschaftlichen Betrieb vonnöten ist, um auskömmlich arbeiten zu können. Die Erzeugerinnen und Erzeuger versorgen sie dafür mit ihrer Ernte. Es muss also nicht mehr produziert werden als das, was die Gemeinschaft benötigt. Damit ist Wachstum um seiner selbst willen nicht zwingend notwendig. Beide Parteien teilen sich dabei das Risiko der landwirtschaftlichen Erzeugung, falls es Ernteausfälle gibt. Könnte das Prinzip einer solidarischen Landwirtschaft auch auf andere Versorgungsfelder übertragen werden?

CSB: eine solidarische Bäckerei

Handwerksbäckereien leiden seit Jahren unter steigenden finanziellen und bürokratischen Hürden und einem hohen Wettbewerb durch Großunternehmen und Backshops. Sophie Löbbering schrieb ihre Masterarbeit darüber, wie der CSA-Ansatz auch auf das Bäckerhandwerk übertragen werden kann. Nach dem CSX-System werden die Bäckereien von einer Gemeinschaft getragen und "Community Supported Bakery" (CSB) genannt. In Deutschland gibt es bisher vereinzelt Beispiele für solidarische Bäckereien, aber auch Molkereien, Winzereien, Brauereien oder Imkereien. Einige davon können allerdings (noch) nicht alle Merkmale eines CSX-Unternehmens erfüllen und sind somit keine reinen CSBs.

Das "Backhaus der Vielfalt" in Freiburg zeigt, wie eine CSB funktionieren kann. Sie wird gemeinschaftlich vom Verein "Backhaus der Vielfalt am Terlanerplatz" getragen. Der Gründer H. Küchlein wollte vor ein paar Jahren gerne für Freundinnen und Freunde backen. Im Backhaus probierte er sich aus, bis die Idee aufkam, weiter zu wachsen und 2016 einen Verein zu gründen. "Das Finanzierungsmodell einer gemeinschaftsgetragenen Bäckerei hat sich dann angeboten", erzählt Friderike Schnatz, eine Studentin, die nebenbei im Backhaus als Bäckerin arbeitet.

Mitglieder erhalten zweimal die Woche ein Überraschungsbrot und können an Mitmachtagen ihren eigenen Brotteig selbst in der Backstube backen. Das Getreide bezieht das Backhaus vom nahen Bio-Bauernhof "Luzernenhof". Der Hof ist ebenfalls gemeinschaftsgetragen. Das Backhaus besitzt eigene Mühlen, um das Getreide zu Mehl zu verarbeiten. Die fertigen Brote werden mit Lastenfahrrädern an Verteilpunkte in der Stadt Freiburg gebracht, wo sie von den Mitgliedern abgeholt werden können. Eine Abholung beim Backhaus ist ebenfalls möglich.

Die Bäckerinnen und Bäcker können sich ihre Arbeitszeiten an den zwei Backtagen flexibel einteilen, solange die Uhrzeit für die Abholung der Backwaren eingehalten wird. "Wenn wir merken würden, dass es uns immer noch zu stressig ist, dann müssten wir mit den Mitgliedern sprechen und klären, ob das Brot auch später abgeholt werden kann", meint Schnatz, die die Flexibilität ihrer Arbeit sehr schätzt. Der Verein engagiert sich außerdem für die Inklusion von Menschen mit Unterstützungsbedarf. Er ermöglicht ihnen die Teilhabe am Arbeitsleben vor Ort im Backhaus.

Gemeinsames Handeln – gemeinsame Verantwortung

Die Verbrauchergemeinschaft finanziert all diese Tätigkeiten mit ihren monatlichen Beiträgen und einer Einlage bei Mitgliedseintritt. Die Monatsbeiträge sollen dabei die laufenden Kosten des Backhauses tragen. Mit der Einlage als Direktkredit kann das Inventar, wie Mühlen oder Kühlschränke, gekauft werden. Die Mitglieder erhalten ihr Geld nach Austritt zurück. Die Monatsbeiträge werden bei der Mitgliederversammlung ermittelt. Dabei wird zunächst das gesamte Budget des Backhauses vorgestellt und anschließend teilt jedes Mitglied schriftlich mit, wie viel er oder sie monatlich zahlen möchte. Die Bieterrunde wird wiederholt, falls die Kosten nicht gedeckt werden können. Die Finanzierung unter den Mitgliedern wird also solidarisch ermöglicht und auch Mitgliedern mit geringen finanziellen Möglichkeiten die Chance gegeben mitzumachen.

Die Bäckerinnen und Bäcker empfinden das Konzept einer gemeinschaftsgetragenen Bäckerei als sehr angenehm. "Ich kann sehr viel ausprobieren, dadurch, dass wir die Mitglieder mit Überraschungsbroten versorgen", erzählt Schnatz über das Backhaus. "Ich kann auch gut meine Fähigkeiten ausbilden und weiterbilden", meint Schnatz, die keine Bäckerausbildung absolvierte. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten außerdem eine faire Bezahlung.

Ein Blick in die Zukunft der solidarischen Bäckerei

Ideen für die Zukunft gibt es auch. So könnten noch mehr Backtage eingeführt werden, an denen unterschiedliche Bäckerinnen und Bäcker arbeiten und "den Backwaren jeden Tag eine andere Handschrift geben würden", so Schnatz. Eine weitere Überlegung ist, dem Namen des "Backhauses der Vielfalt" mehr gerecht zu werden und internationale Backwaren anzubieten, um auch andere Backkulturen kennenzulernen. Das Backhaus versorgt im Moment 150 Mitglieder. Eine größere Anzahl kann sich Schnatz vorstellen, allerdings treten damit auch Probleme auf. "Das ist ein großer Organisationsaufwand und die Nähe zu den Mitgliedern verliert sich auch ein bisschen", berichtet sie. Eine konkrete Organisation und mehr Kommunikationsarbeit können diesen Problemen entgegenwirken und das Prinzip eines gemeinschaftlichen Projekts erhalten.


Letzte Aktualisierung 06.08.2024

Nach oben
Nach oben