Verhaltenskodex für nachhaltige Unternehmenspraktiken

Verhaltenskodex für nachhaltige Unternehmenspraktiken

Im Juli 2021 veröffentlichte die EU den Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Unternehmenspraktiken. Mit der freiwilligen Unterzeichnung des Kodex sollen sich Akteurinnen und Akteure des Lebensmittelsektors verpflichten, einen Beitrag für eine nachhaltige europäische Lebensmittelwirtschaft zu leisten. Können Bio-Unternehmen davon profitieren?

Der Kodex ist integraler Bestandsteil der Strategie "Vom Hof auf den Tisch" der EU-Kommission und soll dazu beitragen die Strategieziele zu erreichen. Das Ziel des Kodex ist es, das europäische Lebensmittelsystem nachhaltiger zu gestalten. Dafür sollen sich die Unternehmen freiwillig dazu verpflichten, ihren Beitrag zu diesem Wandel zu leisten. Alle europäischen Unternehmen und Verbände des Agrar- und Lebensmittelsektors haben die Möglichkeit den sogenannten Code of Conduct zu unterzeichnen. Nach aktuellem Stand (September 2021) haben diesen Kodex 31 Verbände und etwa 50 Unternehmen und Unternehmensgruppen unterschrieben. Der Kodex wurde von diversen Interessensgruppen, allen voran den führenden europäischen Verbänden der Lebensmittelindustrie, in Zusammenarbeit mit der EU-Kommission erarbeitet. Beteiligt waren aber auch Nichtregierungsorganisationen, Umweltschutzverbände und viele weitere.

Was verbirgt sich hinter dem Kodex?

Der Kodex schafft einen Rahmen, anhand dem sich Lebensmittelunternehmen für ein nachhaltiges Ernährungssystem engagieren können. Dafür wurden gemeinsame Ambitionen und Maßnahmenvorschläge erarbeitet. Diese sollen zu mehr Nachhaltigkeit hinsichtlich der Ernährungsgewohnheiten der Verbraucherinnen und Verbraucher einerseits sowie den Prozessen innerhalb der Unternehmen und entlang der Lieferkette anderseits beitragen.

Die Ambitionen umfassen mehrere Zielsetzungen, welche sich unter anderem an den nachhaltigen Entwicklungszielen der UN, also den Sustainable Development Goals, und dem Green Deal der EU orientieren. Beispielsweise soll ein Ernährungsumfeld geschaffen werden, das Europäerinnen und Europäern eine gesunde, ausgewogene und nachhaltige Ernährung ermöglicht und den ökologischen Fußabdruck des Lebensmittelkonsums bis 2030 reduziert. Bis dahin sollen auch die Pro-Kopf-Lebensmittelabfälle um 50 Prozent gesenkt werden. Des Weiteren soll die komplette Lebensmittelkette innerhalb der EU bis 2050 klimaneutral sein. Eine optimierte kreislauforientierte Nutzung von Ressourcen und Energien soll dazu genauso beitragen wie nachhaltige Verpackungen, die bis 2030 alle kreislauffähig sein sollen.

Für jede dieser Zielsetzungen wurden Maßnahmenvorschläge entwickelt, welche "den Lebensmittelunternehmen, die am Wandel hin zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen mitwirken wollen, als Anregungen dienen sollen." Die Vorschläge reichen von transparenten Produktinformationen über Abfallreduzierung durch die Verwendung von Nebenprodukten bis zum Einsatz von erneuerbaren Energieträgern.

Freiwillige Verpflichtung

Sowohl Verbände als auch Unternehmen können den Kodex unterzeichnen. Verbände sollen ihren Beitrag leisten, indem sie ihre Mitglieder informieren und aufklären und zum Dialog mit anderen Akteurinnen und Akteuren ermutigen. Unternehmen müssen sich lediglich verpflichten, mindestens eines der Ziele zu erreichen. Wie das gelingen soll, muss in einem jährlichen Bericht festgehalten werden. Kleine und mittelständische Unternehmen liefern nur alle zwei bis drei Jahre einen Bericht ab. Zusätzlich zur Verpflichtung mindestens ein Ziel zu erreichen, gibt es die Möglichkeit eine "Vorreiter-Rolle" einzunehmen. Hierfür werden von den Unternehmen Verpflichtungen eingereicht, welche sich auf den Kernbereich des Unternehmens beziehen, messbar und nachweisbar sind und mit dem "Green Deal" und der "Vom Hof auf den Tisch"-Strategie übereinstimmen. Bei der Unterzeichnung sind der EU-Kommission die Ziele, die Motivation und die Auswahl der zusätzlichen Maßnahmen zu begründen. Der Zeitraum der Verpflichtungen sollte sich möglichst auf 2025 bis 2030 beziehen.

Aktive Gestaltung des Kodex

Eine Mitgestaltung und zukünftige Weiterentwicklung des Kodex ist auf drei Ebenen möglich. Zum einen gibt es die "Collaborative Platform", welche ausschließlich beratende Funktion hat und bei der sich alle interessierten Akteurinnen und Akteure beteiligen können. Auch Unternehmen, die den Kodex nicht unterzeichnet haben. Die zweite Ebene ist die der Unterzeichner, welche den Kodex ständig aktualisieren und zur Einhaltung verpflichtet sind. Die letzte Ebene besteht aus ausgewählten Unternehmen, Verbänden und der EU-Kommission, welche eine ausschließlich koordinierende Rolle einnehmen.

Vor- und Nachteile für Bio-Verarbeitungsunternehmen

Maximilian Falkenberg, Referent für Politik und Nachhaltigkeit bei der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL), findet, dass eine Vielzahl der Bio-Verarbeitungsunternehmen die vom Kodex gesteckten Ziele bereits einhalten und sogar übertreffen. Ein Beweggrund für eine Unterzeichnung sei laut Falkenberg die Möglichkeit eine Vorreiter-Rolle einzunehmen, um damit bereits einen recht hohen Benchmark zu setzen und in dieser Rolle den Kodex weiter aktiv mitzugestalten und auszubauen. Hierdurch ist es möglich einen direkten Einfluss bei der möglichen Entwicklung eines verpflichtenden Standards zu nehmen. Des Weiteren setze das Unternehmen mit der Unterzeichnung ein Zeichen für die Akzeptanz des "Green Deal" und der "Vom Hof auf den Tisch"-Strategie.

Falkenberg betont jedoch auch, dass der Kodex seiner Ansicht nach durchaus ambitionierter hätte sein können. Außerdem werde dem Öko-Landbau und der Herstellung von Bio-Lebensmitteln im Kodex nicht die Bedeutung zugeschrieben, die sie haben könnten. Der Öko-Landbau ist weltweit anerkannt für nachhaltige und ökologisch wertvolle Lebensmittel und spielt auch in der Strategie "Vom Hof auf den Tisch" eine wichtige Rolle. Dadurch, dass Unternehmen sich nur einem Ziel verpflichten müssen, sei für Verbraucherinnen und Verbraucher kaum Unterschiede zwischen den Maßnahmen der einzelnen Unternehmen erkennbar. "Der Kodex ist ein weiterer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit in der konventionellen Lebensmittelindustrie. Dies könnte es für Bio-Unternehmen zunehmend schwieriger machen, sich nach außen hin abzugrenzen", zieht Falkenberg als Resümee. Schlussendlich ist das Ziel des Verhaltenskodex, dass die Unternehmen gemeinsam nachhaltiger wirtschaften und ihre Ressourcenbeschaffung in der gesamten Lieferkette nachhaltiger gestalten. Bislang ist der Kodex noch freiwillig, aber die EU-Kommission hat bereits angekündigt, dass der Kodex für nachhaltige Unternehmenspraktiken verpflichtend werden kann, wenn er keine ausreichende Wirkung zeigt.


Mehr zum Thema auf Oekolandbau.de:

Weitere Infos im Web:

EU-Kommission: Zum Verhaltenskodex für Unternehmenspraktiken (Englisch)

Letzte Aktualisierung 04.11.2021

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