Verbandsbio für die Discounter

Verbandsbio für die Discounter – wie stellen Verarbeiter die Ware sicher?

Die richtige Größe

Um für den Lebensmitteleinzelhandel Produkte herstellen zu können, muss das verarbeitende Unternehmen eine geeignete Größe haben. Es muss groß genug sein, um für eine bestimmte Region  lieferfähig zu sein – und das für einen längeren Zeitraum. Wird eine Parallelproduktion von Verbandsware und EU-Bio-Ware oder konventioneller Ware angestrebt, muss der Arbeitsaufwand für die Zwischenreinigung der Produktionsanlagen, die Umstellung der Maschinen oder das Aufziehen anderer Etiketten kalkuliert werden. Wenn die die Verbandsbio-Charge nur einen sehr kleinen Anteil an der Gesamtproduktion hat, lohnt sich der Mehraufwand der Parallelproduktion und getrennten Lagerhaltung nicht unbedingt.

Die Rohwarenbeschaffung ist das Kernthema für die Verarbeiter, insbesondere bei Verbandsware. In vielen Fällen ist es sinnvoll, sich mit den Erzeugergemeinschaften der Verbände in Verbindung zu setzen, weil sie die Waren bündeln. Sie können das Angebot besser steuern, wenn verschiedene landwirtschaftliche Betriebe Produkte in kleineren Mengen oder zu unterschiedlichen Zeiten anbieten.

Erste Informationen sammeln

Die Bioverbände bieten Hilfen an, um Landwirtinnen und Landwirte zu vernetzen und regionale Lieferketten aufzubauen. So hat Bioland beispielsweise viele Regional- und Fachgruppen, die sich regelmäßig austauschen. Diese Gruppen unterstützen bei der Vermarktung und Vermittlung von Kontakten zu Verarbeitern und Erzeugergemeinschaften. Darüberhinaus informiert Bioland in einer Broschüre (PDF-Datei) über den Weg zur Bioland-Partnerschaft. Bei Naturland finden sich auf der Hompepage viele nützliche Erklärungen zur Zertifizierung der Hersteller. Namhafte Naturland-Verarbeiter stellen sich in einer Videoserie vor – zum Beispiel die Molkerei Berchtesgadener Land und die Meyermühle.

Wie wird man Vertragspartner?

Um Produkte mit dem Demeter-, Bioland- oder Naturlandlogo herstellen zu dürfen, benötigen die Unternehmen zunächst ein Zertifikat des jeweiligen Anbauverbandes. Vor einem Beitritt gibt es in der Regel ein Erstgespräch mit einem Vertreter oder einer Vertreterin des Verbandes – meist mit einer Beraterin oder einem Berater. Dem folgt eine Umstellungsberatung der Verbände. Danach führt eine der Kontrollstellen die Erstkontrolle durch und erstellt das Zertifikat für die Verbandszertifizierung. Die Kontrollstelle muss für die Zertifizierung des gewünschten Verbandsstandards zugelassen sein. Da die Verbandskontrolle in der Regel gemeinsam mit der allgemeinen Öko-Kontrolle durchgeführt wird, sind die Mehrkosten dafür überschaubar. Für die Nutzung der Verbandszeichen ist eine Lizenzgebühr an die Verbände oder deren Unterorganisationen fällig, die in der Regel umsatzabhängig ist.

Das Verarbeitungsunternehmen muss die in den jeweiligen Verbandsrichtlinien festgeschriebenen Qualitätsstandards erfüllen. Nicht alle Verarbeitungsunternehmen passen in das Portfolio der Verbände. Die Kontrollstellen sprechen eine Empfehlung aus, und der Verband selbst entscheident über eine Verbandszertifizierung des jeweiligen Unternehmens.

Die strengeren Verbandsrichtlinien müssen in dem Verarbeitungsunternehmen auch umsetzbar sein. So schränken viele Verbände die Verwendung von Zusatzstoffen ein. Beispielsweise sind in der Fleisch- und Wurstverarbeitung bei Demeter nur 13 Zusatzstoffe erlaubt, in den EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau sind es 47. Auch der Verzicht auf Nitritpökelsalz fordert beispielsweise eine besonders sorgfältige Produktion. Bei Bioland sind über alle Produktgruppen nur 24 Zusatzstoffe in der Verarbeitung zugelassen, in der EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau 53. Mit der Einführung der neuen EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau und ihrer Durchführungsbestimmungen ab dem Jahr 2021 dürfte sich die Anzahl der erlaubten Zusatzstoffe noch ändern.

Führt die Listung von Verbandsware zu Lieferengpässen?

Wie verändern die verstärkten Listungen von Verbandsware die Versorgung? Die Bioverbände haben einen deutlichen Anteil am Produktionswachstum in Deutschland. So sind die Flächen der Verbandsbetriebe seit der Umstellungswelle von 2015 bis zum Jahr 2018 um 26 Prozent gestiegen, die Fläche der EU-Bio-Betriebe hat sich um 57 Prozent vergrößert. Der Flächenanteil der Bio-Verbandsbetriebe an der gesamten Biofläche lag lange Jahre stabil bei rund 68 Prozent, hat sich aber mit der Umstellungswelle seit dem Jahr 2016 verkleinert und lag im Jahr 2018 bei rund 63 Prozent. So wird deutlich, dass zumindest in der Landwirtschaft viele neue Betriebe zunächst ohne Verbandssiegel wirtschaften. Auch in der Verarbeitung gehen viele, insbesondere gemischte Verarbeitungsunternehmen, also jene, die konventionell und ökologische Produkte verarbeiten, diesen Weg. Demnach steigt das Angebot an Verbandsware nicht in dem Maße wie bei EU-Bio-Ware. Aber durch die verstärkte Kennzeichnung von EU-Bio-Ware auch im Lebensmitteleinzelhandel wird Verbandsware und somit die inländische Produktion gestärkt.

Am einfachsten ist die Umstellung auf Verbandsware zunächst bei Produkten, die wenig verarbeitet sind, oder für die nur wenige verschiedene Rohstoffe nötig sind. Häufig sind Produkte aus Verbandsware produziert, ohne dass dies gekennzeichnet ist. So können Verarbeiter bei Lieferengpässen ohne Probleme auf andere Biorohwaren ausweichen. Dadurch konnte Lidl beispielsweise vergleichsweise einfach mit Bioland-Milchprodukten beginnen, weil ohnehin viele Milchprodukte aus Biolandrohware bestanden. Schwieriger wird die Versorgung mit Biolandrohware beispielsweise bei Kartoffeln, Gemüse, Fleisch oder Eiern.

Bei Eiern zum Beispiel unterscheiden sich die Produktionskosten zwischen Verbandsware und EU-Bio-Ware deutlich: Häufig stammen die EU-Bioeier aus großen Anlagen, die entsprechend günstige Stückkosten ermöglichen und die Futterkosten sind bei EU-Bio-Ware deutlich geringer. Schon in den vergangenen Jahren haben die Vollsortimenter nach und nach ihr Bioeiersortiment um sogenannte „Bio-Plus-Eier“ erweitert: Je nach Verfügbarkeit stehen jetzt häufig Bioeier von Verbandsbetrieben, regionale Bioeier oder Bioeier aus Bruderhahnhaltungen im Regal.

Teilweise haben sich durch die Kooperation von Lidl und Bioland Verschiebungen der Lieferketten ergeben. So sind nun viele Bioapfelerzeuger aus der Steiermark vom deutschen Markt ausgeschlossen, weil sie nicht unter dem Bioland-Label für Lidl Äpfel liefern können. Viele Südtiroler Produzenten dagegen sind schon seit Jahren Mitglied im Bioland-Verband, so dass sie ihre Äpfel auch weiter an Lidl liefern können. Auch bei Kartoffeln müssen die Lidl-Abpackbetriebe nun eine Bioland-Zertifizierung aufweisen. Das dürfte zu neuen Partnerschaften und zu Veränderungen am Markt führen.

Produkte mit vielen Rohstoffen sind am schwierigsten

Die Zertifizierung der Hersteller nach Verbandsrichtlinien ist bei den Produkten am schwierigsten, die aus vielen verschiedenen Zutaten bestehen., wie beispielsweise Brotaufstriche oder Müslis. Das dürfte auch ein Grund sein, warum Lidl bei vielen Biotrockenprodukte zunächst auf die Verbandsauslobung verzichtet. Auch bei Monoprodukten dürfte die Umstellung auf Verbandsware schwierig sein, wenn sich die Produktionskosten zwischen EU-Bio-Ware und Verbandsware deutlich unterscheiden. Dies ist beispielsweise bei Eiern, Geflügel oder Schweinefleisch der Fall. Die Erzeugungskosten gegenüber der konventionell erzeugten Ware erhöhen sich damit noch weiter. Ob sich die höheren Produktionskosten der Verbandsware auch im Laden widerspiegeln, bleibt abzuwarten. Die Biolandmilch bei Lidl zum Beispiel startete im Januar 2019 auf dem gleichen Preisniveau wie zuvor die EU-Biomilch. Anders sieht es bei Biolandäpfeln aus, die bei Lidl nun mehr kosten als bei der Konkurrenz Aldi, Netto und Co.


Letzte Aktualisierung 10.01.2022

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