Dr. Klaus-Jürgen Holstein entwickelt als Berater seit vielen Jahren die Produktsortimente von Drogeriemärkten. Er ist nicht nur ein Branchenkenner, sondern auch seit über 40 Jahren Bio-Netzwerker in den Bereichen Rohwarensourcing.
Oekolandbau.de: In den vergangenen Jahren haben die Drogerien ihr Sortiment an Bio-Lebensmitteln insbesondere bei den Bio-Trockenprodukten ausgebaut und haben sich dadurch zu einem starken Wettbewerber am Markt entwickelt. Welche Strategie machen sich die Drogerien dabei zunutze?
Dr. Klaus-Jürgen Holstein: Drogeriemärkte nutzen für Auswahl und Beschaffung ihrer Bio-Produkte eine Kombination von zwei Komponenten: Zum einen die gute Kenntnis des Bio-Marktes und der Wünsche der Bio-Kundschaft und entsprechenden Verbrauchergruppen. Man erinnere sich daran, dass etwa vor einem guten Jahrzehnt die Drogeriemärkte aufgrund ihrer Offenheit für Bio-Produkte zum Fachhandelskanal für Bio-Produkte gerechnet wurden. Zum Zweiten verstehen die Drogeriemärkte ihr Einkaufsgeschäft: Sie kaufen in der Regel auf kurzen Wegen und direkt von den Produzentinnen und Produzenten ein. In dieser Kombination ähneln diese Einkaufsmethoden der Kalkulation von Discountern. Drogeriemärkte verfügen über ein fundiertes Bio- und Produktwissen, und haben Verständnis für die Wünsche der eigenen Kernkundschaft. So entsteht daraus ein zielgruppengerechtes und umsatzstarkes Angebot.
Oekolandbau.de: Womit können die Drogeriemärkte punkten?
Dr. Klaus-Jürgen Holstein: Der erste Arm der Drogeriemärkte in Richtung Lebensmittel war per se Babynahrung. In diesem Bereich, wie in dem umgebenden Drogeriebereich, haben die Drogeriemärkte relativ klar dem Lebensmitteleinzelhandel, der solche Artikel ebenfalls schon lange angeboten hat, den Rang abgelaufen. Sie haben sich in der Regel mit diesem gesamten Produktbereich eine apothekennahe Kompetenz aufgebaut und sind damit anderen Lebensmittelmärkten überlegen. Im Unterschied zu amerikanischen Supermärkten haben die deutschen Supermärkte eine sehr geringe Drogeriekompetenz. In den vergangenen 15 Jahren haben die Drogeriemärkte – jeweils etwas unterschiedlich und gemäß den eigenen Kundenprofilen – ihr Lebensmittelangebot deutlich ausgeweitet, aber dabei auch nach zusätzlichen Kompetenzen Ausschau gehalten. Viele der Ausrichtungen ergaben sich dabei schon aus der Nähe zur Kosmetik: Gesundheit, junge Trends, vegane Produkte, kein Tierleid. In diesem Umfeld wurden die Drogeriemärkte in den letzten zwei Jahren zu veganen Trendsettern für Bio-Kundinnen und -Kunden.
Erfolgreich mit Eigenmarken am Markt
Den Marken dm und Rossmann wird ein hohes Vertrauen seitens der Kundschaft entgegengebracht, wie der Brand Experience + Trust Monitor von Sasserath Munzinger Plus zeigt. Bei der Online-Befragung erreichte dm in der Rangliste mit 73 Prozent den ersten Platz, Rossmann mit 69 Prozent Platz vier. Unter anderem liegt dies an den starken Eigenmarken der Unternehmen. So wurde dmBio laut Deutscher Gesellschaft für Verbraucherstudien mbH in den Kategorien Getränke, Genussnahrungsmittel und Grundnahrungsmittel zum Preisträger bei den Drogerien im Rahmen "Deutschlands Beste Marken 2020/21" gekürt. Im Online-Shop von dm finden sich rund 550 Produkte der Marke dmBio, bei Rossmann sind es über 370 Produkte der Marke enerBio.
Die Eigenmarken der Drogerien sind größtenteils nach aktueller EU-Öko-Verordnung zertifiziert. Daneben steigern die Drogerien aber auch ihre Anzahl an Produkten, die zusätzlich mit einem weiteren Siegel, beispielsweise von Naturland oder Demeter, versehen sind. So sind laut dm über 100 Produkte im Sortiment Naturland-zertifiziert und knapp 150 Lebensmittel mit dem Demeter-Siegel versehen. Auch Rossmann ist mit Naturland 2019 eine Kooperation eingegangen. Bei dm besteht die Kooperation mit Naturland schon seit 2016. Ziel ist es, ökologisch erzeugte Lebensmittel für alle Menschen zugänglich zu machen, für die das Thema Nachhaltigkeit zum kaufentscheidenden Faktor geworden ist, so dm-Markenmanager Christian Kluge. So soll der Ressourceneinsatz bei den Produkten der Eigenmarken so schonend wie möglich und die Lieferkette möglichst kurz sein. Daher werden die Rohstoffe bevorzugt aus Deutschland oder Europa bezogen. Langfristige Partnerschaften mit den Lieferantinnen und Lieferanten sind ein weiteres Ziel der Unternehmen.