Bio-Stadt Augsburg: Interview mit Alexandra Wagner

Bio-Stadt Augsburg: Interview mit Alexandra Wagner

Alexandra Wagner ist Mitarbeiterin im Büro für Nachhaltigkeit der Bio-Stadt Augsburg. Wie sich Projekte rund um Bio-Lebensmittel an Kitas und Grundschulen erfolgreich umsetzen lassen und wie das Berfusbilder einer "Bio-Stadt-Managerin" aussieht, erzählt sie im Interview.

Oekolandbau.de: Augsburg ist ja bereits seit 2012 eine Bio-Stadt, eine echte Vorreiterin sozusagen.

Alexandra Wagner: Wir nennen uns tatsächlich bereits seit 2007 Bio-Stadt. 2007 wurde ein einstimmiger Stadtratsbeschluss gefasst mit dem Ziel, dass wir in städtischen Einrichtungen einen Anteil von 30 Prozent Bio-Lebensmittel im Warenwert beim Einkauf erreichen wollen. Die Stadt München hat den Beschluss ein Jahr zuvor gefasst und da kam die Idee auf, dies in Augsburg ebenfalls zu wagen. Damals war das ja etwas ganz, ganz Neues.

Oekolandbau.de: Welche Erfolge konnte die Bio-Stadt Augsburg bereits verzeichnen?

Alexandra Wagner: Seit 2012 treffen wir uns mit dem Bio-Städte-Netzwerk. Da haben sich die ersten Bio-Städte zusammengefunden und gesagt: Wir machen doch ähnliche Dinge, wollen wir uns nicht gegenseitig unterstützen? Das Netzwerk ist unser erster Erfolg: ein deutschlandweiter Zusammenschluss von Kommunen. Offiziell wurde das Netzwerk 2014 in Augsburg gegründet. Mittlerweile zählen wir 31 Mitglieder und es kommen immer mehr Kommunen dazu.

In der Stadt Augsburg selbst können wir ebenfalls Erfolge vorweisen: die Bio-Pausenbrot-Aktion, die Gründung der Öko-Modellregion Stadt.Land.Augsburg und die Bio-Anteile in Kitas.

Erfolgreiche Projekte der Bio-Stadt Augsburg

Oekolandbau.de: Wie stehen Sie zur Berufsbezeichnung "Wertschöpfungsketten-Managerin"? Passt sie für die Beschreibung Ihres Tätigkeitsfelds?

Alexandra Wagner: In meinem Berufsbild als Verwaltungsmitarbeitende, die für die Stadt Aufgaben übernimmt, ist Wertschöpfungsketten-Management nur ein Teil meiner Arbeit. Das Management entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der Landwirtin über die Verarbeitung und den Vertrieb bis hin zum Verbraucher – kann ich gar nicht so gut übernehmen, weil wir in der Stadt zum Beispiel so gut wie keine Erzeugerinnen und Erzeuger haben. Die sitzen in der Region.

Ich muss mich als Zuständige für die Stadt Augsburg in den Landkreis hinein vernetzen. Da hilft es uns ungemein, dass wir auch nun auch eine Öko-Modellregion haben. Diese ist unter anderem dafür zuständig, an die Landwirtinnen und Landwirte heranzutreten. Wir arbeiten somit Hand in Hand und stimmen uns sehr gut ab, sodass wir auch eine Verbindung zur umliegenden Region haben.

Wir als Bio-Stadt arbeiten außerdem sehr eng mit unseren Dienststellen, unseren Ämtern, zusammen, die für die Seite der Abnehmerinnen und Abnehmer der Bio-Lebensmittel wichtig sind. Wir beraten die Dienststellen, wie sie an die Lebensmittel, die wir gerne fördern möchten, herankommen. Schließlich kaufen wir ja nicht nur ein, sondern machen auch Ausschreibungen. Das ist eben ein bisschen mehr als Wertschöpfungsketten-Management.

Oekolandbau.de: Welche Fähigkeiten sollte man in Ihrem Beruf mitbringen, um ein so vielfältiges Tätigkeitsfeld bewältigen zu können?

Alexandra Wagner: Man sollte von der Persönlichkeit her ein sehr offener Mensch sein, der gerne mit anderen Menschen arbeitet. Außerdem sollte man als Bio-Stadt-Managerin oder -Manager – ich nenne das mal so – von dem Thema Bio auch selbst überzeugt sein. Man muss auch Fachkenntnisse dazu mitbringen, weil man oft mit vielen Vorurteilen oder Unwissen konfrontiert ist. Da sollte man gute Argumente in der Hinterhand haben, die man verinnerlicht hat.

Des Weiteren sollte man für den Beruf belastbar und optimistisch sein. Es klappt ja leider nicht immer alles gleich so, wie man sich das wünscht. Hin und wieder gibt es auch mal einen Misserfolg oder einen Rückschlag. Davon sollte man sich aber nicht entmutigen lassen. Zudem braucht man Management-Qualitäten: Man sollte Projekte organisieren und koordinieren können. Einen guten Überblick zu behalten ist wichtig.

Oekolandbau.de: Weil Sie gerade schon von den Misserfolgen gesprochen haben: Mit welchen Herausforderungen und Hindernissen waren Sie in Ihrer Arbeit bereits konfrontiert?

Alexandra Wagner: In fast jeder Stadt oder Region wird man auf weitverbreitete Vorurteile gegenüber Bio stoßen. Da muss man überzeugen und die Dinge richtigstellen können, ohne die anderen zu belehren. Man muss wissen, wie man die Vorteile der Öko-Landwirtschaft und von Bio-Lebensmitteln verpacken kann.

Außerdem muss man die Menschen motivieren können, eine Veränderung anzugehen. Es ist die eine Sache, Wissen zu erlangen, aber eine andere Sache, dieses Wissen in die Tat, in Handlungsweisen umzusetzen. Dieser Schritt benötigt ganz viel Motivation und man muss am Ball bleiben. Das ist wirklich eine große Herausforderung, die immer wieder von Neuem beginnt, sobald neue Menschen hinzukommen.

Weitere Hemmnisse oder Hindernisse sind zum Beispiel auch ungünstige Strukturen, gerade in Stadtverwaltungen. Diese können sehr eingefahren sein und wenn man mit neuen Ideen kommt, müssen alte Strukturen oftmals aufgebrochen werden. Das ist ein Prozess, der lange dauert, für den man viel Geduld braucht und wo man Menschen finden muss, die das gemeinsam mit einem vorantreiben.

Was in Kommunen natürlich auch immer natürlich ein Thema ist: Welche aktuelle politische Mehrheiten gibt es denn im Stadtrat? Manche Mehrheiten oder Parteien betrachten die Themen Ökologie, Nachhaltigkeit und Bio-Lebensmittel eher als untergeordnet oder sogar unwichtig für die eigene Stadt. Dann werden die Themen auch nicht bearbeitet oder man erhält nicht nötigen die Ressourcen.

Oekolandbau.de: Sie hatten ja bereits angesprochen, dass Sie eine Öko-Modellregion aufgebaut haben. Wie sieht die Stadt-Land-Kooperation in Augsburg aus?

Alexandra Wagner: Erst über die Gründung der Öko-Modellregion konnten wir als Bio-Stadt in einen guten Austausch mit dem Landkreis kommen. So war es dann auch möglich, neue Projekte zu initiieren und Akteurinnen und Akteure zu vernetzen. Es haben Leute zusammengefunden, die an ähnlichen Projekten gearbeitet haben, aber bisher nie die Gelegenheit hatten, sich kennenzulernen und auszutauschen. Durch die Vernetzung sind neue Produkte entstanden und es konnten neue Vertriebswege für Produkte gefunden werden.

Wir als Stadt haben ebenfalls davon profitiert, da wir nun mit den neuen Produkten beliefert werden können. Ohne eine Öko-Modellregion ist es für eine Kommune schon schwierig, gerade im Bereich Lebensmittel eine gute Stadt-Land-Verknüpfung aufzubauen. Die meisten Städte oder Kommunen im Land haben Ernährungspolitik, Ernährungsstrategien und Versorgungsstrategien schließlich nicht auf der kommunalen Agenda, deswegen werden diese Arbeitsfelder kaum bearbeitet.

Oekolandbau.de: Sehen Sie das auch als Ziel der Bio-Stadt Augsburg, diese Themen in andere Kommunen zu tragen?

Alexandra Wagner: Wir sind dankbar, dass sich immer mehr Kommunen finden, die Interesse daran haben, Bio-Stadt zu werden und eigene Bio-Ziele formulieren. Die das als freiwillige Aufgabe in Zeiten zunehmend klammer Kassen trotzdem weiterverfolgen, weil sie verstanden haben, dass Ernährungssicherung eine politische Aufgabe ist.

Ich denke, das wird noch stärker wachsen, aber momentan ist dieses kommunale Engagement in einem Stadium, wo es gut wäre, wenn auch von Seiten der Landesregierung oder der Bundesregierung eindeutige Signale kommen würden, um dieses Engagement zu forcieren und vielleicht sogar zur Pflichtaufgabe zu machen.

Oeklandbau.de: Aus der langjährigen Erfahrung gesprochen, die Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen von der Bio-Stadt Augsburg haben: Was können Sie anderen Bio-Städten hinsichtlich ihrer Arbeit empfehlen?

Alexandra Wagner: Immer wieder das Gespräch mit den regionalen Akteurinnen und Akteuren zu suchen. Gut Ding will Weile haben und man braucht regelmäßige Kontakte. Man muss sich eigentlich ständig vernetzen und erst dann entsteht etwas. Außerdem sollte man nicht mit zu hohen Erwartungen rangehen. Ein einzelnes Telefonat reicht meist nicht aus, eine gute Zusammenarbeit braucht oft einen längeren Vorlauf. Insbesondere bei Akteurinnen und Akteuren, die das Thema Bio bisher noch nicht auf ihrer Agenda hatten.

Projekte und Aktionen sollten immer von guter Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden. Auch politische Vertreterinnen und Vertreter sollten zu Aktionen mit eingeladen und einbezogen werden. Die politische Ebene muss wahrnehmen, dass da in den Bio-Städten etwas passiert, weil man sie eben als entscheidende Akteurin auch braucht, um beispielsweise Förderprojekte oder neue Stellen zu bewilligen.

Oekolandbau.de: Welche Rolle spielt Vernetzung, z.B. im Rahmen der "Bio Verbindet"-Treffen, in Ihrem Berufsfeld?

Alexandra Wagner: Vernetzung ist das A und O, ohne das geht es gar nicht. Man muss sich einmal mit den lokalen Akteurinnen und Akteuren, denen man eine Idee unterbreiten möchte vernetzen, aber eben auch mit Gleichgesinnten. Deswegen haben wir ja auch das Bio-Städte-Netzwerk gegründet, um zu sehen: Was machen denn die anderen für Erfahrungen? Wie gehen die anderen Bio-Städte die Problemstellungen an, wenn sie sich ähnliche Ziele wie die eigene Stadt gesteckt haben? Wenn die anderen Städte erfolgreich Projekte umgesetzt haben, sollte man sich anschauen, wie sie das geschafft haben und ob man das auch für die eigene Bio-Stadt übernehmen kann.

Dieser Wissens- und Erfahrungspool ist unheimlich wertvoll. Man kann sich Impulse mitnehmen und schauen, was ich auch selbst ausprobieren möchte. Oft tankt man bei den Netzwerk-Veranstaltungen, wie bei denen von Bio Verbindet, auch Kraft. Gerade, wenn man frisch aus einem Projekt kommt, das nicht so gelaufen ist, wie man sich das gewünscht hätte. Und dann hört man, dass es nicht nur einem selbst so geht, sondern dass es anderen schon ähnlich ergangen ist.


Letzte Aktualisierung 08.05.2024

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