Was kann ein Wertschöpfungskettenmanager für den Handel tun?

Wertschöpfungsketten-Management für den Handel

Sie sind gut vernetzt, bringen verschiedene Beteiligte an einen Tisch und begleiten Prozesse entlang der gesamten Lieferkette. Die Rede ist von Wertschöpfungsketten-Managerinnen und -Managern, von deren Arbeit und Erfahrungsschatz auch der Handel profitieren kann. Wie das gelingen kann, erzählt der Wertschöpfungsketten-Manager Benedikt Uerlings von Naturland.

Wenn der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche in Deutschland im Rahmen der Bio-Strategie der Bunderegierung bis 2030 auf 30 Prozent steigen soll, müssen die erzeugten Bio-Lebensmittel auch den Weg in den Handel und damit zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern finden. Hier kommen Wertschöpfungskettenmanagerinnen und -manager ins Spiel, die ein wichtiges Bindeglied in der Bio-Branche für den Auf- und Ausbau von Wertschöpfungsketten sind.

Diese Personen werden als Multitalente der Organisation bezeichnet, da sie mit verschiedenen Bereichen wie produktionstechnischen, wirtschaftlichen, rechtlichen, organisatorischen und sozialen Themen in Berührung kommen. Verlässliche Handelsbeziehungen und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sind dabei unerlässlich, um die Vermarktung heimischer Bio-Produkte zu stärken.

Ein solches Organisationstalent ist Benedikt Uerlings, der der Redaktion Oekolandbau.de im Interview Rede und Antwort steht.

Langfristige Lieferbeziehungen sind das Ziel

Benedikt Uerlings ist gelernter Agrarbetriebswirt und Gärtnermeister Gemüsebau. Seit Januar 2022 ist er als Wertschöpfungskettenmanager Bio-Gemüsebau (bundesweit) beim Bio-Verband Naturland angestellt.

Bei Naturland bin ich für die Weiterentwicklung der gesamten Lieferkette im Gemüsebau zuständig. Bei Anfragen von Erzeugerinnen und Erzeugern bezüglich neuer Absatzwege, Nachfragen vom Handel beziehungsweise von Bündlerinnen und Bündlern ist meine Aufgabe, Lösungen zu finden und neue Lieferketten entstehen zu lassen. Auch Kritikpunkte oder Probleme in der Lieferkette werden besprochen. Zu den weiteren Aufgaben gehört die Ausarbeitung von Zahlen und Fakten zu Flächenzuwächsen und Mengenflüssen im Gemüsebau.

Oekolandbau.de: Was sind die zentralen Aufgaben eines Wertschöpfungskettenmanagers?

Benedikt Uerlings: Die wichtigsten Aufgaben eines Wertschöpfungskettenmanagers bestehen darin, die Wertschöpfung der einzelnen Beteiligten in der Lieferkette zu optimieren, sowie neue Lieferketten entstehen zu lassen. Neue Marktpartnerinnen und Marktpartner können durch intensive Gespräche und neue Ideen für eine Lieferkette gewonnen werden. Bei Naturland ist die Naturland Zeichen GmbH der Partner für den Lebensmitteleinzelhandel beziehungsweise die Discounter sowie für den Naturkosthandel. Hier werden intensive Gespräche geführt, um den ökologischen Landbau voranzubringen.

Oekolandbau.de: Wie kann der Absatz in Richtung Lebensmitteleinzelhandel gestärkt werden?

Benedikt Uerlings: Dem Lebensmitteleinzelhandel oder den Discountern muss das Produkt beziehungsweise die Idee dieser Lieferkette schmackhaft gemacht werden. Ziel ist es, nachhaltigere und einfache Lieferketten entstehen zu lassen. Insbesondere die vegane Ernährung hat noch viel Potenzial für Gemüseprodukte. Regionalität spielt ebenso eine wichtige Rolle, denn die Verbraucherinnen und Verbraucher stehen auf regionale Lebensmittel.

Oekolandbau.de: Kann der Handel auch von Ihnen und Ihrem Netzwerk profitieren? Gibt es Fälle, wo der Handel den ersten Schritt geht und Sie als Wertschöpfungskettenmanager die gewünschten Prozesse zur Produktentwicklung begleiten?

Benedikt Uerlings: Selbstverständlich! Durch Anfragen vom Handel für gewisse Produkte, in meinem Fall in Naturland-Qualität, kann ich vorhandene oder neue Lieferketten entstehen lassen und so die Ware relativ schnell zur Verfügung stellen. Für den Handel ist eine 100-prozentige Liefersicherheit an nahezu 365 Tagen pro Jahr essenziell wichtig. Hier kann der Handel durch das Netzwerk profitieren. Darüber hinaus profitieren alle Marktteilnehmenden von der Vernetzung durch mich als Wertschöpfungskettenmanager sowie von weiteren Informationen zur Marktsituation.

Oekolandbau.de: Wie gelingt es, allen Partnerinnen und Partnern langfristig Vertragssicherheit zu geben? Wann sind Handelsketten bereit, nicht nur Ware zu kaufen, sondern auch in die Entwicklung von Rohproduktion und/oder Verarbeitung zu investieren?

Benedikt Uerlings: Es muss allen Marktbeteiligten bewusst sein, dass jeder von dem anderen abhängig ist. Der Handelspartnerin beziehungsweise dem Handelspartner muss bewusst sein und bewusst werden, dass insbesondere die Rohproduktion durch verschiedene Faktoren einen sehr hohen zeitlichen sowie finanziellen Aufwand aufweist. Ebenso muss eine langfristige Liefersicherung sowie ein angemessener Preis für die Produkte gewährleistet werden. Insbesondere der Druck mit Importmengen aus dem Ausland spielt hier eine entscheidende Rolle. Den Erzeugenden muss klar sein, dass sowohl den Bündelnden als auch den Handelsunternehmen Liefer- und Qualitätssicherung wichtig sind. Deshalb ist es wichtig, mit allen Beteiligten einzeln zu sprechen und die Anliegen des anderen mit einzubringen. Wir als Naturland sprechen insbesondere mit dem Handel über langfristige Lieferbeziehungen. Ich als Wertschöpfungskettenmanager bin somit ein Bindeglied in der Lieferkette und nehme eine entscheidende Rolle ein.

Oekolandbau.de: Ist dem Handel bewusst, dass es diese neue Berufsgruppe gibt?

Benedikt Uerlings: Durch Gespräche ist dem Handel schon bewusst, dass es diese neue Berufsgruppe gibt, dennoch sollte diese Berufsgruppe mehr in die Öffentlichkeit und somit zum Handel getragen werden. Es gibt noch viel Potenzial, um die Lieferketten zu verbessern. Hier sind Wertschöpfungskettenmanagerinnen beziehungsweise -manager unerlässlich.

Oekolandbau.de: Was sollte für das Management von Bio-Wertschöpfungsketten mitgebracht werden?

Benedikt Uerlings: Sie oder er sollte vor allem Kommunikationsfähigkeit, Kritikfähigkeit, Empathie sowie die Fähigkeit, sich in den jeweiligen Gesprächsteilnehmenden hineinzuversetzen, mitbringen. Aber auch Ausdauer und Ehrgeiz sind von Vorteil, da manche Prozesse sehr langwierig sind, und es einige Hürden zu meistern gibt.

Auf den vielfältigen Aufgabenbereich einer Wertschöpfungskettenmanagerin beziehungsweise eines Wertschöpfungskettenmanagers bereitet kaum ein Studium oder eine Ausbildung vor. Qualifiziertes Personal, das auf Augenhöhe vernetzen, Prozesse begleiten und Menschen mit Empathie und Geschick zusammenbringen kann, ist aber unerlässlich für den erfolgreichen Aufbau und Erhalt regionaler Bio-Wertschöpfungsketten.

Daher soll das Projekt QC_RegioBio (Qualifizierungs- und Coachingprogramm für regionales Bio-Wertschöpfungskettenmanagement) diese Lücke bundesweit schließen. Das Kooperationsprojekt mit FiBL Deutschland e.V. und dem Bundesverband der Regionalbewegung e.V. läuft bis zum 31. Dezember 2025 und wird im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau (BÖL) durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert. Ziel ist es, ein berufsbegleitendes Qualifizierungs- und Coachingprogramm zu konzipieren und zu erproben. Selbstlerneinheiten sowie der Aufbau einer Kommunikations- und Wissensplattform sollen die Akteurinnen und Akteure zudem besser vernetzen.

Veranstaltungen rund um regionale Wertschöpfungsketten

Kongress "Erfolgreiche Regionalvermarktung – Erfahrungen und Best Practice"
Der Kongress "Erfolgreiche Regionalvermarktung" des BMEL findet am 13. Juni 2024 in Berlin statt. Auf dem Kongress dreht sich alles um den Ausbau und Erhalt regionaler Wertschöpfungsketten und bietet einen Erfahrungsaustausch über erfolgreiche Initiativen und Projekte der regionalen Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln.
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Tag der Wertschöpfungsketten
Der erstmalig stattfindende Tag der Wertschöpfungsketten bringt im Rahmen der DLG-Feldtage am 13. Juni alle Verarbeitungsstufen für die Öffentlichkeit zugänglich zusammen. Diskussionen zu Fragestellungen zur Steigerung der Wertschöpfung für heimische pflanzliche Produkte stehen ebenso im Fokus wie der branchenübergreifende bilaterale Austausch beim anschließenden Get-Together in gemütlicher Atmosphäre“.
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Letzte Aktualisierung 07.05.2024

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