Bio-Start-ups bringen Innovationen

Bio-Start-ups bringen Innovationen

Tortillas aus Deutschland, Haferdrinks zum Anrühren oder veganes Proteinpulver aus Erbsen – jedes Jahr schießen neue Bio-Produkte wie Pilze aus dem Boden. Nicht zuletzt dank einer vielfältigen Start-up-Szene. Die jungen Bio-Unternehmen kreieren innovative Produkte und schaffen Mehrwerte für Mensch und Natur.

Viele Verbraucherinnen und Verbraucher haben Lust auf Neues: Laut einer Trendstudie der Marktforschungsapp Biopinio probieren 80 Prozent der Befragten gerne neue Produkte aus. Mitgemacht hatten 752 bioaffine Endverbraucherinnen und Endverbraucher. Ähnlich hoch (77 Prozent) ist der Heißhunger auf neue Marken. Im Gegensatz zu lange bestehenden Marken werden Start-ups deutlich "innovativere Produkte" zugeschrieben. Außerdem leisteten Start-ups einen "stärkeren Beitrag zur Nachhaltigkeit", schafften "fairere Produkte" und "unterstützten eine gute Sache stärker" als etablierte Unternehmen. Eigentlich ein ideales Umfeld für Newcomer. An guten Ideen fehlt es nicht. Doch aller Anfang ist schwer.

Ergebnisse der Trendstudie der Marktforschungs-App Biopinio

Europas erste Bio-Tortillas

Das Start-up Tlaxcalli aus Vorpommern vertreibt Europas erste Bio-Tortillas und Chips aus heimischem Bio-Mais. Auf die Idee gekommen ist der Gründer Daniel Möhler bei einem längeren Aufenthalt in Mexiko. Gemeinsam mit seinem Freund Carl Eugen Janke hat er seine Vision von regionalen mexikanischen Spezialitäten in zwei Jahren produktreif gemacht. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau lieh das Startkapital. Die Gründer sind extra von Berlin aufs Land gezogen. Hier gibt es mehr Raum, günstigere Mieten und frische Rohstoffe vor der Haustür. Der Mais stammt von der benachbarten Höfegemeinschaft Pommern.

Nur die Maschinen mussten aus Mexiko eingeschifft werden. Der Mais wird in der Manufaktur gekocht, gemahlen, geformt und auf befeuerten Eisenplatten täglich frisch gebacken. "Tortillas aus ganzen Maiskörnern schmecken viel besser als aus Maismehl angerührte", weiß Möhler aus seiner Zeit in Mexiko.

Marketing macht Mühe

Viel schwieriger als die Produktion ins Laufen zu bringen sei es, den Vertrieb aufzubauen, erläutert der gelernte Koch und Restaurantfachmann Möhler: "Tortilla ist ein kompliziertes Produkt, wir müssen die Händler schon überzeugen, uns zu listen." Bisher sei ihnen das nur in Feinkostläden und kleineren Bio-Märkten gelungen. Die Bio-Tortelleria vertreibt ihre Tortillas vor allem an die Gastronomie. Die seien offener als der Handel. 

Gerade der Weg in den Lebensmitteleinzelhandel bremst viele Start-ups. Die Produkte sind erklärungsbedürftig, die Mengen zu gering für große Supermarktketten und Discounter. Deshalb vermarkten die meisten jungen Unternehmen ihre Produkte zunächst einmal online und bewerben sie über Social Media.

Hafermilch selbst anrühren

Das Berliner Start-Up Bluefarm hat diverse Pulver entwickelt, mit denen sich Haferdrinks mit Wasser selbst anrühren lassen. Das spart im Vergleich zum Pflanzendrink im Tetrapack 90 Prozent Verpackungsmüll und viel Transportenergie. "Mich hat ursprünglich das Schleppen der Milchkartons aus dem Supermarkt und der damit verbundene Verpackungsmüll gestört", erzählt Gründer Philip von Have. "Als ich dann noch feststellte, dass man bei Haferdrinkpulver keine Stabilisatoren und Zusatzstoffe benötigt, war ich von der Idee komplett angefixt." 

Um weiter am Markt bestehen zu können, sind neue Ideen ein zentraler Erfolgsfaktor. Technische Möglichkeiten, das verfügbare Wissen sowie Ansprüche und Wünsche von Kundinnen und Kunden verändern sich mit enormer Geschwindigkeit.

Jessica Fixel Produktmanagerin Marktwissen bei Biopinio

Trend zu gesunden Produkten hilft

Von der Entwicklung bis zum Marktauftritt des Produktes hat es nur etwa ein Jahr gedauert. Allerdings hätten Bio-Start-ups, so die Erfahrung des Berliner Gründers, im Vergleich zu Software-Start-ups höhere Kosten im Bereich Wareneinsatz und Logistik. Mit dem gestiegenen Interesse an Bio und gesünderen Produkten könnten sich nachhaltige Pflanzendrinks auf dem Markt behaupten. "Wir möchten unser Portfolio um noch gesündere und funktionalere Produkte erweitern und aus dem Online-Geschäft auch weiter in den Handel wachsen", wünscht sich von Have.

Hofladen in den Supermarkt holen

Junge Bio-Unternehmen punkten nicht nur mit Produkten, sondern auch mit innovativen Vermarktungsideen. So bringt das Start-up Lokora aus Nürtingen mit einer Online-Plattform kleinbäuerliche Betriebe und Supermärkte zusammen. Das Prinzip: Der Lebensmitteleinzelhandel bestellt über eine App Produkte von lokalen Erzeugerinnen und Erzeugern. Lokora übernimmt die Logistik und den Vertrieb. Praktisch läuft es wie folgt ab: Die Landwirtinnen und Landwirte ernten ihr Gemüse oder Obst möglichst morgens und verpacken es. Das Team von Lokora holt die frische Ware dann mit dem eigenen E-Sprinter beim Erzeuger ab und bringt es in die Märkte. Auch bei dieser Idee gilt es, vor allem den Einzelhandel zum Mitmachen zu motivieren. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen den etwas höheren Preis akzeptieren. Dafür bekommen sie frische und maximal regionale Erzeugnisse: "Im Großraum Stuttgart beliefern wir Märkte mit Lebensmitteln aus höchstens 30 Kilometer Entfernung", erläutert Mitgründer Laurin Held. 

Wie entwickeln sich die Bio-Start-ups?

Neben Regionalität treiben die Gründerinnen und Gründer auch soziale Motive. Beispielsweise schafft die Lüneburger Rösterei Heyhoo Arbeitsplätze für Menschen mit schwierigen Lebensläufen. Trotz des gesellschaftlichen Mehrwertes überleben längst nicht alle Startups. Studien dazu fehlen jedoch. "Ob wir es geschafft haben, kann ich noch nicht sagen, aber wir schreiben schwarze Zahlen und wachsen langsam", sagt Daniel Möhler von der Bio-Tortelleria Tlaxcalli. 

Vielversprechende Marken werden manchmal von größeren Unternehmen übernommen. So hatte beispielsweise die zum Oetker-Konzern gehörende Radeberger-Gruppe das Kultgetränk Bionade geschluckt. Inzwischen gehört Bionade zum hessischen Hassia-Konzern. Die Berliner Marke Rettergut, die gerettetes Gemüse zu Suppen und Saucen verarbeitet, ist gerade mit dem Lebensmittelhersteller Followfood fusioniert. Ob die Kernidee der Gründerinnen und Gründer bei solchen Übernahmen bestehen kann, wird die Zeit zeigen. Auf jeden Fall bleibt der Bio-Markt in Bewegung.


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Letzte Aktualisierung 18.04.2024

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