Ackern fürs Insektenleben

Ackern fürs Insektenleben

In Deutschland sind sowohl die Anzahl von Insekten als auch die Vielfalt der Insektenarten in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen. Dies belegen zum Beispiel die vom Bundesamt für Naturschutz veröffentlichten Roten Listen und Langzeituntersuchungen. Mitverantwortlich dafür sind ausgeräumte Landschaften und eine intensive Landwirtschaft. Der Biologe Frank Gottwald, erklärt wie es auf unseren Feldern und Wiesen wieder mehr brummen und summen könnte.

Oekolandbau.de: Leben auf einem Öko-Acker mehr Tiere als auf einem konventionell bearbeiteten?

Frank Gottwald: Dazu gibt es mittlerweile sehr viele Studien. Je nach Region und Artengruppe variieren die Zahlen: Im Extremfall wurden auf Öko-Äckern mehr als hundertmal so viele blütenbesuchende Insekten gezählt wie auf konventionellen Äckern. Bei der Artenzahl waren es bis zu zwanzigmal mehr. Viele Studien ermitteln Werte zwischen plus fünf und fünfzig Prozent mehr Insekten im ökologischen Landbau. Bei Ackerflächen sind die Unterschiede größer als im Grünland.

Gleichzeitig sind Artenvielfalt und Häufigkeit bei Wildkräutern auf Öko-Äckern deutlich höher. In eigenen Untersuchungen haben wir vier- bis zwanzigmal mehr typische Ackerwildkräuter auf Ökoflächen gefunden als auf konventionell bewirtschafteten Flächen. Da Wildkräuter die Nahrungsgrundlage für viele Insekten sind, kommen hier auch mehr Arten vor.

Oekolandbau.de: Welche weiteren Ursachen für den Rückgang der Insekten gibt es?

Gottwald: Auch die Düngung und die Landschaftsstruktur sind wichtig für die Artenvielfalt. Wenn die Bauern ihre Äcker und Wiesen stark düngen, gibt es weniger Blütenpflanzen. Je weniger Pflanzenarten vorkommen, desto geringer ist die Zahl der Insekten. Darüber hinaus wird das Mikroklima in den intensiv gedüngten, massigen Pflanzenbeständen kühler. Das hemmt die Entwicklung vieler unserer wärmeliebenden Insekten wie Heuschrecken. Außerdem sind zahlreiche Insekten auf Biotope in der Landschaft angewiesen, die nicht landwirtschaftlich genutzt werden.

Oekolandbau.de: Was sind das für Biotope?

Gottwald: Das können Gehölze, Hecken, Krautsäume, wenig oder gar nicht genutzte Offenflächen sowie Trockenrasen oder Feuchtflächen sein. Viele Arten leben direkt in diesen Biotopen. Tagfalter und Wildbienen wandern entlang von Hecken und Säumen, da sie dort Windschutz und Nahrung finden. Weitere Arten wie Käfer, Spinnen, Schwebfliegen und Schlupfwespen überwintern darin. Darunter sind viele Nützlinge. Deshalb sollten Bäuerinnen und Bauern solche Streifen stehenlassen oder neu anlegen, damit Marienkäfer, Schwebfliegen und Co. von dort auf die Felder fliegen können.

Grundsätzlich gilt: Je reichhaltiger die Landschaft mit diesen Biotopen ausgestattet ist, desto höher die Insektenvielfalt.

Oekolandbau.de: Was können (Bio-) Bäuerinnen und Bauern sonst noch tun?

Gottwald: In Ackerlebensräumen spielt das Angebot von Ackerwildkräutern für Insekten eine große Rolle. Wer seine Beikräuter perfekt entfernt, seine Äcker also sehr sauber hält, nimmt den Insekten die Nahrung.

Wenn eine Grünlandfläche komplett abgemäht wird, verschwinden empfindliche Insekten wie Heuschrecken auf einen Schlag: Sie verlieren den Schutz in der Vegetation, trocknen aus oder werden gefressen. Blütenbesuchende Insekten finden plötzlich keinen Nektar mehr – dies gilt auch besonders für Klee- und Luzernebestände.

Am besten sollte man beim Mähen von Grünland und Kleegras (Feldfutter) einen Streifen oder eine Teilfläche stehenlassen. Schon schmale Streifen von zwei bis drei Metern können ausreichen, um für Bienen, Hummeln und Tagfalter genug Blüten und Nektarquellen zu erhalten. Heuschrecken und andere Insekten überleben darin, bis die Kräuter und Gräser wieder nachgewachsen sind. Mit Blühstreifen mit speziellen Saatgutmischungen lassen sich in den Äckern oder auch am Hof nahrungsreiche Lebensräume für Bienen, Hummeln, Schmetterlinge oder Schwebfliegen schaffen.

Oekolandbau.de: Was können Verbraucherinnen und Verbraucher für die Insekten tun?

Gottwald: Jeder Kauf von Produkten aus ökologischem Anbau unterstützt die Artenvielfalt in der Kulturlandschaft! Wer noch mehr tun will, kann darauf achten, wo die Produkte herkommen und ob sie besonders naturfreundlich angebaut worden sind. Die Informationsquellen hierzu sind zwar noch rar, nehmen aber zu. Beispielsweise können Verbraucher in unserem Projekt Landwirtschaft für Artenvielfalt über einen QR-Code auf dem Produkt mehr über die Betriebe erfahren, von denen das Produkt stammt.


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