Walter Bitzer ist Inhaber der Ölmühle Oleofactum.
Oekolandbau.de: Können Sie sich und die Firma oleofactum kurz vorstellen?
Bitzer: Oleofactum ist eine Saat-, Kern- und Nuss-Ölmühle, die eine Renaissance der Ölmüllerei als Handwerk mit der Ursprünglichkeit der Rohstoffe verbindet.
Die Kulturgeschichte der Öle hat sich auf der Basis von Erfahrung zu Wissen verdichtet und ist heute noch als Weisheit in Ritualen verankert. Mit Öl hat Hera Zeus verführt, werden Priester bis heute geweiht, Könige ermächtigt und Kranke gesalbt.
Das Kulturwissen des Ölmüllereihandwerks ist verloren gegangen, ebenso wie die Wissenskultur zum Öl.
Die Wiederentdeckung eines verlorengegangenen Handwerks soll der Firmenname signalisieren: Oleum manu factum - Öl von Hand gemacht, oder in Kurzform:
Oleofactum, Öl und Wissen. Eine Ölmühle für Bio-Speise-Frischöle. Es wird bedarfsorientiert produziert und direkt vermarktet - ohne Tank und Lagerhaltung.
Oekolandbau.de: Wie ist Ihre gläserne Produktion gestaltet?
Bitzer: Der ganze Laden ist Schaufenster. Aber auch Werkstatt. So wie im Orient: Der Orient hat die überdachten Basare. Der Reiz der Basare beruht auf unserer Anteilnahme am Schaffen und Gestalten der Weber, Färber, Gerber, Schuster, Blechschläger, Töpfer, Garköche ... Indem wir zuschauen, begreifen und lernen wir. Hierin liegt die letzte Ursache, weshalb der Orient - wie einst die Antike - in keinem Gewerbe jemals den Stil verlor. Das Schaufenster zollt dem Primat der Öffentlichkeit Respekt. Eine unverstellte Öffentlichkeit bietet die gläserne Produktion. Sie ist kompromissloses Werkzeug höchster Qualitätssicherung.
Oekolandbau.de: Seit wann gibt es Ihre gläserne Produktion und warum haben Sie diese eingeführt?
Bitzer: Eine Gläserne Produktion ist höchste Qualitätssicherung. Denn die Kontrolle durch die beobachtende Teilnahme der Öffentlichkeit erzeugt erst informierte und darauf fußend dann kritische Öffentlichkeit. Mit diesem Motiv habe ich das Oleofactum vor 14 Jahren als Gläsernen Produktionsladen gegründet. Es war mir wichtig, Öl als Kulturgut sichtbar zu machen und einen Ort zu schaffen, in dem das Erkunden für die Kundinnen und Kunden eine Grundlage bietet, in der Selbstbestimmung und Autonomie wachsen. Unsere Ernährungskultur leidet an Desinformation. Hier macht sich der Verlust an Autonomie auch als Verlust körperlicher und seelischer Unversehrtheit bemerkbar. Wissen ist Bewusstsein.
Oekolandbau.de: Wie wird die gläserne Produktion angenommen und welche Erfahrungen haben Sie bisher gemacht?
Bitzer: Das Oleofactum wird seinem Selbstverständnis entsprechend als Kulturträger wahrgenommen. Die gläserne Produktion ist das zentrale Vehikel mit begeisterten und treuen Oleofactum-Kunden. Die vielen kulturellen Veranstaltungen im Oleofactum sind immer sehr gut besucht. Vorträge mit Verkostungen "Die Welt der Öle", Konzerte, Jazz, Autorenlesungen, Kleinkunst im Werkstattmilieu sind ein Barometer für Verdrossenheit eines beachtlichen Teils der kritischen Verbraucherinnen und Verbraucher, die das Oleofactum als gläserne Produktion mit "allen Sinnen" schätzen. Die Angebote führen diese Kundinnen und Kunden geradewegs zu uns. Es sind Mitstreitende und Mitdenkende, die hier Fragen stellen: Wer bestimmt was wir über Essen wissen dürfen? Wie wird die Politik durch die Industrie-Lobby beeinflusst und vereinnahmt? Und wie arbeiten Behörden? Wer macht was?
Oekolandbau.de: Welchen Tipp würden Sie Unternehmen geben, die ebenfalls eine gläserne Produktion aufbauen möchten?
Bitzer: Eine gläserne Produktion kann man inszenieren. Sie kann aber nur erfolgreich sein und bleiben, wenn sie authentisch ist, die handelnden Personen als Überzeugungstäter immer sichtbar und konkret das Produkt repräsentieren sowie Phantasien und Visionen Zukunft gestalten. Bewusstsein lässt sich nicht in Algorithmen fassen.
Oleofactum – Bio Speise-Frischeöle in Offenburg