Wie verändern die verstärkten Listungen von Verbandsware die Versorgung? Die Bioverbände haben einen deutlichen Anteil am Produktionswachstum in Deutschland. So sind die Flächen der Verbandsbetriebe seit der Umstellungswelle von 2015 bis zum Jahr 2018 um 26 Prozent gestiegen, die Fläche der EU-Bio-Betriebe hat sich um 57 Prozent vergrößert. Der Flächenanteil der Bio-Verbandsbetriebe an der gesamten Biofläche lag lange Jahre stabil bei rund 68 Prozent, hat sich aber mit der Umstellungswelle seit dem Jahr 2016 verkleinert und lag im Jahr 2018 bei rund 63 Prozent. So wird deutlich, dass zumindest in der Landwirtschaft viele neue Betriebe zunächst ohne Verbandssiegel wirtschaften. Auch in der Verarbeitung gehen viele, insbesondere gemischte Verarbeitungsunternehmen, also jene, die konventionell und ökologische Produkte verarbeiten, diesen Weg. Demnach steigt das Angebot an Verbandsware nicht in dem Maße wie bei EU-Bio-Ware. Aber durch die verstärkte Kennzeichnung von EU-Bio-Ware auch im Lebensmitteleinzelhandel wird Verbandsware und somit die inländische Produktion gestärkt.
Am einfachsten ist die Umstellung auf Verbandsware zunächst bei Produkten, die wenig verarbeitet sind, oder für die nur wenige verschiedene Rohstoffe nötig sind. Häufig sind Produkte aus Verbandsware produziert, ohne dass dies gekennzeichnet ist. So können Verarbeiter bei Lieferengpässen ohne Probleme auf andere Biorohwaren ausweichen. Dadurch konnte Lidl beispielsweise vergleichsweise einfach mit Bioland-Milchprodukten beginnen, weil ohnehin viele Milchprodukte aus Biolandrohware bestanden. Schwieriger wird die Versorgung mit Biolandrohware beispielsweise bei Kartoffeln, Gemüse, Fleisch oder Eiern.
Bei Eiern zum Beispiel unterscheiden sich die Produktionskosten zwischen Verbandsware und EU-Bio-Ware deutlich: Häufig stammen die EU-Bioeier aus großen Anlagen, die entsprechend günstige Stückkosten ermöglichen und die Futterkosten sind bei EU-Bio-Ware deutlich geringer. Schon in den vergangenen Jahren haben die Vollsortimenter nach und nach ihr Bioeiersortiment um sogenannte „Bio-Plus-Eier“ erweitert: Je nach Verfügbarkeit stehen jetzt häufig Bioeier von Verbandsbetrieben, regionale Bioeier oder Bioeier aus Bruderhahnhaltungen im Regal.
Teilweise haben sich durch die Kooperation von Lidl und Bioland Verschiebungen der Lieferketten ergeben. So sind nun viele Bioapfelerzeuger aus der Steiermark vom deutschen Markt ausgeschlossen, weil sie nicht unter dem Bioland-Label für Lidl Äpfel liefern können. Viele Südtiroler Produzenten dagegen sind schon seit Jahren Mitglied im Bioland-Verband, so dass sie ihre Äpfel auch weiter an Lidl liefern können. Auch bei Kartoffeln müssen die Lidl-Abpackbetriebe nun eine Bioland-Zertifizierung aufweisen. Das dürfte zu neuen Partnerschaften und zu Veränderungen am Markt führen.
Produkte mit vielen Rohstoffen sind am schwierigsten
Die Zertifizierung der Hersteller nach Verbandsrichtlinien ist bei den Produkten am schwierigsten, die aus vielen verschiedenen Zutaten bestehen., wie beispielsweise Brotaufstriche oder Müslis. Das dürfte auch ein Grund sein, warum Lidl bei vielen Biotrockenprodukte zunächst auf die Verbandsauslobung verzichtet. Auch bei Monoprodukten dürfte die Umstellung auf Verbandsware schwierig sein, wenn sich die Produktionskosten zwischen EU-Bio-Ware und Verbandsware deutlich unterscheiden. Dies ist beispielsweise bei Eiern, Geflügel oder Schweinefleisch der Fall. Die Erzeugungskosten gegenüber der konventionell erzeugten Ware erhöhen sich damit noch weiter. Ob sich die höheren Produktionskosten der Verbandsware auch im Laden widerspiegeln, bleibt abzuwarten. Die Biolandmilch bei Lidl zum Beispiel startete im Januar 2019 auf dem gleichen Preisniveau wie zuvor die EU-Biomilch. Anders sieht es bei Biolandäpfeln aus, die bei Lidl nun mehr kosten als bei der Konkurrenz Aldi, Netto und Co.