Green Claims Richtlinie – was gilt für Bio-Produkte?

Green Claims Richtlinie – was gilt für Bio-Produkte?

Ein Bio-Produkt ist umweltfreundlich und schont Boden, Wasser und Klima. Daher kann das so auch kommuniziert werden. Oder doch nicht? Die europäische Green Claims Richtlinie wird zukünftig vorgeben, wann und wie Umweltaussagen kommuniziert werden dürfen und worauf genau Unternehmen in ihrer Kommunikation achten müssen.

Keine Daten – keine Aussage. Das ist die Grundlage der neuen rechtlichen Vorgaben für die Kommunikation über Nachhaltigkeit auf Produkten. Bereits mit der sogenannten Empowering Consumers Richtlinie, "Richtlinie 2024/825 […] zur […] Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und durch bessere Informationen", wurde der Grundstein gelegt. Ziel ist es, Verbraucherinnen und Verbrauchern beim Treffen umweltfreundlicher Kaufentscheidungen zu unterstützen, indem das Anbringen von irreführenden Umweltaussagen und intransparenten Umwelt- und Nachhaltigkeitssiegeln (sogenanntes Greenwashing) unterbunden wird. Diese Richtlinie wird noch ergänzt durch die sogenannte Green Claims Richtlinie. Diese ist zwar noch nicht final verabschiedet, jedoch in ihrer Bearbeitung auf EU-Ebene so weit fortgeschritten, dass mit einer Abstimmung im Herbst 2024 gerechnet wird.

Bereits jetzt ist es für Unternehmen sinnvoll, sich intensiv mit der Kommunikation auf ihren Bio-Produkten und in ihrer Werbung zu beschäftigen und diese auf eine zukünftige Vereinbarkeit mit der Green Claims Richtlinie hin zu überprüfen.

Begründung ist das A und O für Green Claims

Während die Empowering Consumers Richtlinie grundlegende Aussagen über erlaubte und verbotene Umweltaussagen im Allgemeinen macht, wird die Green Claims Richtlinie dies ergänzen mit Vorgaben zur Begründung dieser gemachten Aussagen und der möglichen Kom-munikation ebendieser. Das bedeutet, dass für alle Aussagen und Nachhaltigkeitssiegel, die ein Unternehmen aufbringt, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse vorliegen müssen. Kurzum: Was behauptet wird, muss auch bewiesen werden.

Was heißt das für Bio-Produkte?

Oekolandbau.de hat bei Simone Gärtner von der Assoziation ökologischer Lebensmittelherstellerinnen und -hersteller (AöL) e.V. nachgefragt, was die Green Claims Richtlinie für die zukünftige Kommunikation auf Bio-Produkten bedeutet: "Die gute Nachricht zuerst: Die Bio-Verordnung wird vom Anwendungsbereich der Green Claims Richtlinie ausgeschlossen. Ganz konkret bedeutet das, dass die Kennzeichnungsvorschriften der Öko-Verordnung Vorrang vor denen der Green Claims Richtlinie haben." Das europäische Bio-Logo und das nationale Bio-Siegel können also weiterhin für Bio-Produkte verwendet werden. "Des Weiteren steht in Erwägungsgrund neun des Vorschlags der Green Claims Richtlinie, welche Arten von Umweltaussagen über Bio-Lebensmittel zukünftig getroffen werden dürfen", so die AöL-Expertin. "Das sind vor allem solche, die sich auf die Besonderheiten der ökologischen Produktionsweise, also ganz konkret auf die Vorgaben der Bio-Verordnung, beziehen."

Podcast über Green Claims und die Bio-Branche

Im Podcast "FiBL Collaboration" des Forschungsinstituts biologischer Landbau haben sich Simone Gärtner von der AöL, Axel Wirz vom FibL und Florian Antony vom Öko-Institut über die Berechnungen des Product Environmental Foodprint und die Green Claims-Richtlinie unterhalten.

Zum Podcast

Produkte, die eng mit dem Bio-Markt zusammen hängen, aber nicht unter den Ausschluss fallen, sind zum Beispiel Naturkosmetika. Diese fallen nicht unter die EU-Öko-Verordnung und müssen daher die Vorgaben der Green Claims Richtlinie vollumfänglich einhalten.

Was darf dann noch zu den Umweltleistungen von Bio-Produkten gesagt werden?

Simone Gärtner war für die AöL gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FibL) e.V., dem Ökoinstitut und der Kanzlei WBS.legal im Rahmen eines Projektes an der Erarbeitung einer Handreichung (PDF-Dokument) beteiligt, welche darstellt, wie sich Unternehmen auf die kommenden Rechtsänderungen vorbereiten können. Das Projekt wurde im Rahmen des Bundesprogramm Ökologischer Landbau gefördert. Umweltaussagen, die auf Basis der ökologischen Produktionsweise laut der EU-Öko-Verordnung getroffen werden, können aller Voraussicht nach weiterhin verwendet werden. Das wären Aussagen wie zum Beispiel:

  • Produziert ohne synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel
  • Klimaschutz durch nachhaltige Stickstoffkreisläufe
  • Artenschutz durch ökologische Landwirtschaft
  • Fruchtbare Böden durch ökologische Landwirtschaft

Ein Fragenkatalog zur Vorbereitung auf die Green Claim-Richtlinie

Im Rahmen des Projektes wurde auch ein umfassender Fragenkatalog erarbeitet, mit welchem sich Unternehmen bereits jetzt auf die kommenden Regelungen vorbereiten können. Jedes Unternehmen sollte sich erst mal folgende Fragen zu den eigenen Umweltaussagen stellen:

  • Wo werden auf meinem Produkt, in meiner Werbung oder sonstigen Kommunikation Umweltaussagen getroffen?
  • Welche Logos oder Siegel werden bei uns verwendet, die eine Umweltaussage darstellen könnten?
  • Sind unsere Verpackungen oder Werbematerialien so gestaltet, dass sie indirekt eine Umweltaussage darstellen (z.B. durch Farbgestaltung etc.)?

Sind die Aussagen identifiziert, gilt es diese zu kategorisieren:

  • Warum werden die identifizierten Umweltaussagen aufgebracht?
  • Welche der Umweltaussagen sind durch die rechtlichen Vorschriften für ökologische Lebensmittel abgedeckt?
  • Welche Aussagen bestehen auf Grundlage von anderen Siegeln oder Logos?
  • Ist eindeutig, worauf sich die Umweltaussage bezieht (z.B. nur auf die Verpackung)?
  • Kann die Aussage begründet werden?

Im Falle von Umweltaussagen auf Basis von Logos/Siegeln:

  • Basieren die Aussagen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen?
  • Ist das Zertifizierungssystem hinter dem Logo/Siegel durch eine dritte unabhängige Stelle abgesichert?

Im Falle von allen anderen Umweltaussagen:

  • Auf welcher Wissensbasis wird die Aussage getroffen?

Transparenz bis ins Regal bei Umweltaussagen

Um die Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher zu erhöhen, sollten für alle Umweltaussagen inklusive Logos, für die es eine wissenschaftliche oder rechtliche Basis gibt, auch die entsprechenden Erklärungen veröffentlicht werden. Das ist auf der Unternehmenswebseite oder auf den Social Media Kanälen gut möglich. Da auf Verpackungen grundsätzlich wenig Platz ist, kann hier mit Links oder QR Codes auf die Webseite verwiesen werden. Somit ist auch bis ins Regal sichtbar: Hier ist der Beweis für diese Aussage.

Jetzt schon die eigenen Aussagen prüfen

Warum sollten sich Bio-Verarbeiterinnen und Verarbeiter heute schon mit den neuen Vorgaben auseinandersetzen, wenn die Richtlinie noch gar nicht verabschiedet ist? "Die Kommunikation der Umweltleistungen stellt einen sehr zentralen Teil der Kommunikation über Bio-Lebensmittel dar und ist ein ausschlaggebendes Kaufargument für Verbraucherinnen und Verbraucher", sagt Simone Gärtner.

"Zudem gibt es mehrere Gründe, weshalb ein Lebensmittelunternehmen seine Umweltkommunikation nicht von heute auf morgen umstellen kann. Zum einen – ganz praktisch – weil Produkte z.T. Mindesthaltbarkeitsdaten von bis zu 12 Monaten haben und entsprechende Verpackungsmaterialen für gewisse Zeiträume vorgehalten werden, um Engpässe in der Produktion zu vermeiden. Zum anderen, weil die Gestaltung von Verpackungen und die zugehörige Kommunikation ein strategischer Prozess ist."

Green Claims: offene Fragen bei Logos der Anbauverbände

Ob das Nutzen der Logos der privaten Anbauverbände, wie zum Beispiel Bioland, Naturland und Demeter, sowie Aussagen, die sich auf die Richtlinien der Verbände beziehen, aber über die rechtlichen Vorgaben hinausgehen, weiterhin ohne großen Aufwand möglich sind, ist derzeit noch nicht geklärt. Der aktuelle Entwurf der Green Claims Richtlinie schließt lediglich Aussagen auf Basis der EU-Rechtsvorschriften für ökologische Lebensmittel aus. Alle Umweltaussagen in Form von Logos oder Claims, die darüber hinausgehen, müssen wahrscheinlich die strengen Vorgaben der Green Claims Richtlinie einhalten.

Hinweis: Die Aussagen in diesem Artikel beziehen sich auf einen Richtlinien-Entwurf. Auch wenn dieser sich nicht mehr grundlegend ändern wird, sind die Aussagen noch nicht rechtssicher, sondern vorläufig, bis die Richtlinie offiziell verabschiedet wurde.


Film ab: Klimaneutral Aussterben? - Deutsche Science Slam Meisterschaft 2023 - Silke Oppermann


Letzte Aktualisierung 29.05.2024

Nach oben
Nach oben