Lehrgang Öko-Kontrolle Februar 2025
Online und Präsenz
Der Weg in Richtung einer nachhaltigen Verpflegung beginnt mit der Vermeidung von Speiseresten. Eine genaue Abfall-Analyse hilft dabei, dafür gezielte Maßnahmen zu planen. Einen anderen Ansatz verfolgen Prognose-Tools auf der Basis von Künstlicher Intelligenz. Wie funktionieren diese Ansätze? Welche digitalen Instrumente haben sich in der Praxis bewährt? Ein Überblick.
In den Küchen der Gemeinschaftsverpflegung entstehen regelmäßig große Mengen an Lebensmittelabfällen: im Lager, bei der Produktion, als Überproduktion und durch Tellerrückläufe. Das muss jedoch nicht so sein. Die von United Against Waste vorgelegte Studie "Food Waste 4.0" zeigt zum wiederholten Male die empirisch fundierten Potenziale der Reduktion von Lebensmittelabfällen (LMA) in der Außer-Haus-Verpflegung.
Durchschnittliche Reduktion der LMA | Spanne der Reduktion | |
---|---|---|
Betriebsgastronomie | 31 Prozent | 10 - 45 Prozent |
Care | 34 Prozent | 10 - 55 Prozent |
Schulverpflegung | 30 Prozent | 2 - 60 Prozent |
Systemgastronomie | 34 Prozent | 20 - 45 Prozent |
Hotellerie | 33 Prozent | 7 - 50 Prozent |
Quelle: United Against Waste, 2020
Um Maßnahmen zur Reduktion zur erarbeiten, brauchen die Großküchen mehr Wissen darüber, wo welche und wie viele Abfälle entstehen. Dafür gibt es inzwischen verschiedene praxisbewährte Instrumente.
Um mess- und belegbare Ergebnisse zur Reduktion von Lebensmittelabfällen zu erhalten, analysiert United Against Waste mit dem Abfall-Analyse-Tool Betriebe in der Außer-Haus-Verpflegung. Mitarbeitende aus der Küche sammeln über einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen alle anfallenden Lebensmittelabfälle und sortieren sie in vier Bereiche: Abfälle aus dem Lager, Produktionsabfall, Überproduktion in der Küche und Tellerrücklauf. Die Mengen werden in Gramm genau gemessen und in das online-basierte Abfall-Analyse-Tool übertragen und ausgewertet. Die Küchenkräfte erfahren so, wo genau welche Lebensmittelabfälle entstehen. Sie entwickeln dann zusammen mit United Against Waste Maßnahmen zur Reduktion. Dann wird ein zweites Mal gemessen und geprüft: Haben die Maßnahmen gegriffen? Wo muss man gegebenenfalls noch nachjustieren? "Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen", so Projektleiterin Birgit Welte, "dass die Küchen im Durchschnitt etwa 30 Prozent ihrer Abfälle vermeiden können".
Der an der Universität Stuttgart entwickelte Ressourcenmanager Food ist ein Werkzeug zur Erfassung, Auswertung und Optimierung des Lebensmitteleinsatzes in der Außer-Haus-Verpflegung. "Mit diesem Tool können die Küchen sehr schnell ermitteln, wieviel und welche Lebensmittelabfälle in welchen Bereichen der Küche entstehen", so Dr. Gerold Hafner, Wissenschaftler an der Universität Stuttgart. Sie brauchen dafür eine Waage und einen PC mit Tablet beziehungsweise ein Mobiltelefon. Die Software lässt sich auf die individuellen Gegebenheiten und Bedürfnisse vor Ort spezifisch anpassen. Das heißt konkret: Die Küchenmitarbeitenden erhalten genau die Informationen, die sie brauchen. Das sind beispielsweise: Das Gewicht und der monetäre Wert der Abfälle, die Abfallmengen pro Tischgast, die Lebensmittelkategorien, Abfallmengen nach Bereichen sowie die CO2-Emissionen und den Energieverbrauch. Natürlich erfordert die Eingabe der Daten pro Tag einen gewissen Zeitaufwand. Das waren bei Abfallmessungen im Frühstücksbuffets einer großen Hotelkette etwa 10 bis 20 Minuten pro Messtag. Aber durch die Abfallanalyse gelang es den Hotelküchen, über 60 Prozent der Abfälle im Bereich des Frühstücksbuffets einzusparen.
Der ursprünglich speziell für Schulmensen entwickelte Küchenmonitor ist "keine teure und komplexe Profi-Anwender-Software", so Frank Waskow von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Der Küchenmonitor ist kostenlos und jeder Anwender kann ihn ohne Schulung nach einer halben Stunde einsetzen und erhält verlässliche Abfallanalysen". Inzwischen eignet sich der weiter entwickelte Küchenmonitor auch für Abfallanalysen in anderen Einrichtungen der AHV. Nachdem das System mit den Daten aus der Küche gefüttert wurde, liefert es automatisch eine Auswertung in Form leicht verständlicher Grafiken. Beispielsweise zu den Mengen der Ausgabe- und Tellerresten, den Produktionsmengen und Speiseresten im Zeitverlauf und der Differenz zwischen geplanten und tatsächlichen Essensteilnehmern.
Die Erhebung und Auswertung von Lebensmittelabfällen ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, um Speisereste in Großküchen zu reduzieren. Digitale Instrumente auf der Basis Künstlicher Intelligenz können dabei helfen, Bedarfs- und Absatzplanung in den Küchen zu optimieren. Was in der Industrie längst angewandt wird, führt in der Gemeinschaftsverpflegung noch ein Schattendasein. Doch das könnte sich ändern. Neue, Web basierte Prognose-Tools kombinieren die Datenhistorie mit externen Faktoren und errechnen daraus den tagesgenauen Bedarf. Damit können die Küchen Überproduktion vermeiden sowie Energie und Wareneinsatz sparen.
Gemeinsam mit fünf Studierendenwerken hat das Münchner Start-up-Unternehmen Delicious Data eine Software entwickelt, um die Nachfrage nach Speisen in der Gemeinschaftsverpflegung zu prognostizieren. Für Küchen, die mit einem Warenwirtschaftssystem arbeiten, ist der Aufwand relativ gering. Denn ein in das System integrierter Algorithmus analysiert die historischen Daten aus einem Zeitraum von mindestens 12 Monaten und kombiniert sie mit aktuellen Faktoren wie dem Wetter, dem Wochentag, Urlaubszeiten oder Brückentagen. "Im Einzelfall können sich diese Faktoren ganz unterschiedlich auswirken", berichtet Valentin Belser, einer der beiden Mitgründer und Geschäftsführer von Delicious Data. So gibt es Standorte, wo das Wetter einen starken Einfluss hat, weil beispielsweise Tischgäste einer Betriebsgastronomie bei schönem Wetter gerne mal zum Mittagessen in einen nahegelegenen Biergarten gehen - sofern vorhanden. Das System kombiniert diese externen Daten und erstellt daraus eine Prognose für den Absatz der kommenden sechs Wochen. Zudem lernt es im Laufe der Zeit automatisch immer mehr dazu. Es vergleicht seine Prognosen mit dem tatsächlichen Verkauf und wird so immer treffgenauer. "Durch den Einsatz des Tools konnten die Speiseabfälle um 15 Prozent verringert werden", berichtet Claus Konrad, Leiter der Hochschulgastronomie beim Studierendenwerk Karlsruhe. "Bei bis zu 9.000 Essen täglich in unserer größten Mensa zahlt sich das System daher nur nicht aus Gründen der Nachhaltigkeit aus, sondern lohnt sich auch wirtschaftlich."
Nach dem gleichen Prinzip wie Delicious Data arbeitet die web-basierte Software von Mitakus. Auch hier sind historische Verkaufs- und Einkaufsdaten sowie Speisepläne aus den Küchen die Grundlage für die Analyse, die mit externen Faktoren wie Wetter, Feier- und Ferientagen kombiniert werden. Vor allem Küchen aus der Betriebsgastronomie nutzen das System, um die produzierten Speisemengen möglichst genau auf den Bedarf hin anzupassen. Wenn es die Küchenleitung wünscht, macht das System auf der Basis vorhandener Daten auch Vorschläge für die Speiseplanung. "Wir gehen damit noch stärker in Richtung Menüplanung", so der Mitakus-Geschäftsführer Roman Wolkow. Dafür können die Küchenverantwortlichen Kriterien definieren wie beispielsweise die Häufigkeit vegetarischer Gerichte und wie lange ein Speiseplan-Zyklus dauert. In Zeiten von Corona wird es durch die zeitweise Schließung von Kantinen sowie die Etablierung von Home Office für die Großküchen noch schwieriger, die Nachfrage nach Mittagessen tagesgenau vorherzusagen und Speiseabfälle zu vermeiden. Digitale Prognose-Instrumente, die komplexe Faktoren besser analysieren können als menschliche Erfahrung, könnten deshalb noch wichtiger werden.
Beide Typen von Instrumenten helfen dabei, Speiseabfälle in Großküchen zu vermeiden. Für wen welche Vorgehensweise sinnvoll ist, müssen Küchen nach ihren individuellen Situationen und Zielen entscheiden.
Letzte Aktualisierung 09.06.2023