Regenerative Agroforstwirtschaft auf der Bannmühle

Regenerative Agroforstwirtschaft auf der Bannmühle

Hans Pfeffer gilt als Pionier in Sachen Agroforstwirtschaft. Seit über 25 Jahren kombiniert er Tierhaltung und Obstbau auf seinen Flächen. Was diesen Ansatz einer regenerativen Landwirtschaft ausmacht und welche Vorteile sich ergeben, erzählt der Bio-Landwirt im Interview.

Oekolandbau.de: Sie betreiben auf Ihrem Betrieb Agroforstwirtschaft. Wie setzen sie das um?

Hans Pfeffer: Die Streuobstwiesen, die eine Form des Agroforsts sind, bilden einen Schwerpunkt in unserem Betrieb. Auf unseren Flächen findet sich ein großer Altbestand an einzeln stehenden Obstbäumen inmitten von Wiesen und Weiden. Wir bauen Äpfel, Birnen, Kirschen, Pflaumen und vieles mehr an. Und da ich schon immer Rinder hatte, habe ich vor 25 Jahren angefangen Bäume auf die Weide zu bringen. Wir haben uns am sogenannten Keyline-Design orientiert und analysiert, wo das Wasser auf unseren Flächen läuft. Daraufhin haben wir quer zu dieser Laufrichtung Baumreihen angelegt, damit sich das Wasser gut verteilt. So bewässern wir die Bäume quasi automatisch und verhindern trockene Stellen. Und mit einem selbstentwickelten Zaunsystem schützen wir die Bäume vor den Rindern, die dort weiden.


Film ab: Was bedeutet Agroforstwirtschaft?


Oekolandbau.de: Welche Vorteile bietet die Agroforstwirtschaft?

Pfeffer: Die Agroforstflächen bringen mir heute den gleichmäßigsten Ertrag. Der Humusgehalt liegt bei über fünf Prozent, ich habe also einen sehr fruchtbaren Boden. Und je mehr Humus im Boden ist, desto mehr CO2 wird gespeichert. Die Bäume bieten Schatten und vermindern die Austrocknung des Grünlands. Und wenn es im Sommer über 30 Grad ist, finden die Tiere ein kühles und schattiges Plätzchen.

Normalerweise muss man beim Obstbau das Gras mähen, Mulchen oder irgendwie wegschaffen. Das muss ich nicht, denn die Tiere fressen es ja und düngen mit ihren Ausscheidungen die Flächen. Darüber hinaus dünge ich nicht.

Gleichzeitig brauche ich auf den Flächen am wenigsten Pflanzenschutz. Ich denke, das liegt daran, dass die Kühe mit ihren Mikroorganismen und Ausscheidungen dafür sorgen, dass der Schorfpilz selber oder zumindest die infizierten Blätter, die im Herbst herunterfallen, schneller verrotten. Außerdem werden die untersten Blätter, die zuerst befallen sind, von den Tieren abgeweidet. So ist der Schorfdruck im nächsten Jahr geringer.

Im Tafelobst haben wir ein kleines Hühnermobil, welches durch die Anlage fährt. Die Hühner finden unter den Bäumen Schutz vor Greifvögeln. Und ich brauche keine Geräte, um Baumstammpflege zu betreiben, da die Hühner das erledigen. Wir bräuchten eigentlich einen „Baumschädlings-Hühnerbeweidungskalender“, damit wir wissen wann die Hühner im Obst sein müssen, um zum Beispiel den Apfelwickler vom Stamm zu sammeln. Ich spare also Maschinenkosten und Diesel und investiere etwas mehr Arbeitszeit in Hühner. So  habe ich eine Mehrfachnutzung meiner Fläche: Obst, Eier und Baumpflege. Insgesamt spare ich Arbeitszeit und habe gleichzeitig eine wesentlich höhere Wertschöpfung auf der gleichen Fläche, da neben Fleisch und Eiern auch noch Äpfel produziert werden.

Und wenn wir unsere Ernährung auch etwas auf Dauerkulturen umstellen und nicht so viel pflügen, säen, hacken und alles jedes Jahr neu machen, dann fördern wir damit den Humusaufbau und die Bodenruhe und -bedeckung. Und trotzdem wollen wir noch Lebensmittel produzieren und uns möglichst gesund ernähren: Da passt Agroforst super gut.

Oekolandbau.de: Kann Agroforst auch einen Beitrag zum Hochwasserschutz leisten?

Pfeffer: Seit den Starkregenereignissen im Ahrtal ist die Hochwasservorsorge überall ein Thema: Wo läuft das Wasser runter? Wir haben also einen Graben in den Hang gezogen, der am Ende überläuft, sodass möglichst viel Wasser in der Fläche einsickern kann. Damit kommt die Hochwasserspitze eine halbe Stunde später im Dorf an und das Schadpotenzial verringert sich deutlich. Am Graben haben wir dann eine Futterhecke angelegt, alle 30 Zentimeter stehen zwei Bäumchen. Die Tiere weiden diese Gehölze alle ein oder zwei Jahre am Ende ab und finden dort Gerbstoffe, Mineralien und sekundäre Pflanzenstoffe.

Oekolandbau.de: Welche Herausforderungen müssen Sie bei dieser Wirtschaftsweise meistern? Könnte Ihrer Meinung nach jeder landwirtschaftliche Betrieb Agroforstwirtschaft betreiben?

Pfeffer: Selbstverständlich kann jeder Agroforst betreiben. Eine wichtige Voraussetzung ist jedoch, sich gut vorzubereiten. Eine sehr gute Beratung bietet der deutsche Fachverband für Agroforstwirtschaft. Da sind tolle Leute mit viel Erfahrung. Ich habe mich dort zum Beispiel beim Anlegen einer Futterhecke und von Werthölzern beraten lassen. Außerdem haben wir einen Online-Praktiker-Stammtisch, wo wir uns austauschen.

Jeder Betriebsleiter kennt seine Flächen und Böden am besten. Er muss also auch selber überlegen, was zu seinem Betrieb am besten passt. Schwieriger wird’s bei der Finanzierung für den Start: Ist mein Portemonnaie groß genug, um 10 Jahre auf den Ertrag warten zu können? Üblicherweise sind Bauern auf Obst-, Wein- oder Ackerbau spezialisiert. Jetzt soll der Obstbauer mit Tieren umgehen und der Ackerbauer mit Bäumen. Es wird also komplexeres Wissen abverlangt. Da kommt die Ausbildung leider noch nicht nach.

Und natürlich gilt betriebsindividuell: welche Tiere habe ich? Ich persönlich würde mich nie trauen, Ziegen und Bäume zusammenzubringen. Die fressen jeden Baum ab und sind so intelligent, dass sie jedes Schutzsystem überwinden. Aber vielleicht denkt sich eine Ziegenhalterin: kein Problem! Es gibt also keine Standardlösung.

Oekolandbau.de: Wie kommunizieren Sie das Thema an die Öffentlichkeit?

Pfeffer: Wir sind Mitglied des Netzwerks Demonstrationsbetriebe Ökologischer Landbau und erreichen darüber viele Menschen. Unser Agroforstsystem ist für einige Fachzeitungen interessant und ich habe schon an Seminaren und Workshops teilgenommen. Was auch wirklich Spaß macht! Aber es ist auch viel zusätzliche Arbeit. Deshalb haben wir jemanden eingestellt, der uns bei der täglichen Arbeit unterstützt.

Mein Fokus liegt wieder viel stärker auf: Landschaftsnutzung, Biodiversität, Klima, Wasser, Humus. Das geht wieder an die Wurzel zurück, warum wir vor 30, 40 Jahren auf Bio umgestellt haben. Natürlich will ich auch ein gutes Produkt, aber nicht auf Kosten des Klimas oder der Biodiversität. Seitdem ich den Fokus mehr darauf richte, mache ich meine Arbeit auch wieder viel lieber. Es ist eine Freude zu sehen, dass das Weidemanagement funktioniert, dass das Gras grüner ist und im Boden mehr Humus ist und ich mehr Kilo Fleisch pro Fläche produziere.

Oekolandbau.de: Wie kommt das bei Ihrer Kundschaft an? Merken Sie auch dort einen Wandel?

Pfeffer: Das Thema Agroforst erscheint mir zu komplex für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Die armen Verbraucher müssen so viel lernen: Hier noch ein neues Label, da noch eins. Aber auf der anderen Seite denke ich, wir müssten es besser kommunizieren. Denn Vielfalt ist gut: Ein vielfältiger und gesunder Boden wirkt sich sowohl auf die Bäume, Pflanzen und Tiere, als auch deren Futter und natürlich auch auf unsere Lebensmittel aus. Mein Tipp: Iss Salat und Kartoffeln, iss meinetwegen auch mal ein Stück Weidefleisch mit viel besserem Fettsäuremuster, iss Obst und Gemüse. Diese Vielfalt spiegelt sich dann auch in einer vielfältigeren und gesünderen Darmflora wider. Deswegen müssen wir die Landwirtschaft vielfältiger betreiben.

Oekolandbau.de: Zum Abschluss eine persönliche Frage: Haben Sie einen Lieblingsbaum?

Pfeffer: Ich habe tatsächlich einen: Auf einer Weide, wo relativ viele unserer verschiedenen Systeme zusammenkommen. Das ist eigentlich eine Nussbaumanlage, aber da steht auf einer kleinen Kuppe mitten in der Anlage ein Birnenbaum: Ein wahnsinnig charaktervoller, alter, wunderschöner Birnenbaum! Der ist einfach ein Traum. So dass ich an dieser Stelle alle meine Reihensysteme ausgelassen habe, damit man diesen Baum weiterhin von überall sehen kann. Der ist so schön und passt da einfach perfekt hin!

Letzte Aktualisierung 27.04.2023

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