Vorsorgemaßnahmen

Vorsorgemaßnahmen in der Pflanzenproduktion

Die EU-Öko-Verordnung verpflichtet Unternehmen, Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um unzulässige Erzeugnisse oder unzulässige Stoffe im Rahmen der Bio-Produktion beziehungsweise Bio-Vermarktung zu vermeiden. Welche spezifischen Punkte sind im Vorsorgekonzept für Landwirtschaftsbetriebe im Pflanzenbau zu beachten? Was sind Bio-Kritische Kontrollpunkte? Und wie lässt sich das in der Praxis umsetzen?

Die rechtlichen Grundlagen – was hat sich mit der neuen EU-Öko-Verordnung geändert

Artikel 28 Absatz I der Verordnung (EU) 2018/848 greift die Vorgaben aus der "alten" EU-Öko-Verordnung auf. Bereits in Artikel 63 der Verordnung 889 / 2008 war unter dem Kapitel "Kontrollvorkehrungen und Verpflichtung des Unternehmers" festgelegt, dass konkrete Maßnahmen festzulegen sind, um die Einhaltung der ökologischen Produktionsvorschriften zu gewährleiten und dass Vorkehrungen zur Minimierung des Risikos einer Kontamination durch unzulässige Erzeugnisse oder Stoffe zu treffen sind. Die Dokumentation dieser Festlegungen erfolgte in der sogenannten "Betriebsbeschreibung", die jedes Unternehmen vorzulegen und auf dem aktuellsten Stand zu halten hatte. Die aktuelle EU-Öko-Verordnung konkretisiert nun diese bestehende Anforderung weiter und fordert einen systematischen Ansatz, zur Ermittlung der vorhandenen Risiken und zur Festlegung entsprechender Maßnahmen, um diese zu vermeiden oder zu minimieren.

Risiken und nicht zugelassene Erzeugnisse und Stoffe

Diejenigen Risiken, die durch entsprechende Vorsorgemaßnahmen vermieden oder zumindest minimiert werden sollen, beschränken sich auf Risiken innerhalb des einzelbetrieblichen Einflussbereichs. Damit sind also explizit Risiken ausgeschlossen, die sich aus der allgemeinen Umweltkontamination ergeben und auf die das einzelne Unternehmen in der Regel keinen Einfluss hat. Im Hinblick auf die allgegenwärtige sogenannte Abdriftproblematik, der unbeabsichtigten Verfrachtung von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln, ist damit für Bio-Betrieb etwas mehr Klarheit geschaffen worden.

Konkret soll durch die Vorsorgemaßnahmen der Eintrag von Erzeugnissen und Stoffen verhindert werden, die explizit in Artikel 9 Absatz 3 genannt sind. Hier sind zum Beispiel Pflanzenschutzmittel, Düngemittel oder Stoffe zur Bodenverbesserung aufgeführt, die im Öko-Landbau nicht zugelassen sind. Auch der über entsprechende Ausnahmegenehmigungen erlaubte Einsatz von nichtökologischem Pflanzenvermehrungsmaterial oder von Stoffen, bei denen ein Risiko besteht, dass nicht erlaubte Substanzen oder gentechnisch veränderte Organismen (GVO) beim Herstellungsprozess eingesetzt wurden, könnte auf diesem Hintergrund ein betriebsspezifisches Risiko darstellen.

Risikoanalyse

Um entsprechende Vorsorgemaßnahmen festlegen zu können, ist zunächst eine systematische Erhebung aller, auf diesem Hintergrund potentiell auftretenden Risiken notwendig. In Anlehnung an das HACCP-Konzept hat die EU-Öko-Verordnung nun den Begriff der "Bio-Kritischen Kontrollpunkten" (BKKP) eingeführt. Damit ist die Erstellung einer Risikoanalyse gemeint, die den gesamten Produktionsprozess betrachtet und dabei alle Bereiche identifiziert, in denen es potentiell zu Belastungen durch die beschriebenen, nicht zugelassenen Erzeugnisse und Stoffe kommen könnte. Zur Ermittlung der im Unternehmen vorhanden Risiken ist es am Einfachsten, sich gedanklich Schritt für Schritt durch den gesamten Produktionsprozess zu bewegen, beginnend vom Zukauf der entsprechenden Betriebsmittel (Saatgut, Dünger, Pflanzenschutz etc.) bis hin zur Ernte und zum Verkauf des erzeugten Endprodukts. Dabei ist an jedem Punkt eine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Eintretens und des daraus folgenden möglichen Ausmaßes der Belastung zu prüfen und festzulegen. Aus diesen beiden Faktoren bestimmt sich letztendlich, ob an der jeweiligen Stelle das Risiko als eher gering oder als hoch einzuschätzen ist.

Vorsorgemaßnahmen

Auf Grundlage der Risikoanalyse können in einem nächsten Schritt die entsprechenden Vor-sorgemaßnahmen geprüft und dokumentiert werden. Damit sind konkrete Handlungen gemeint, die darauf abzielen, ein potentiell vorhandenes Risiko auszuschließen beziehungsweise zumindest zu minimieren. Das können technische Einrichtungen sein, Festlegungen in Arbeitsanweisungen oder ähnliches. Es gilt dabei der Grundsatz, dass diese Vorsorgemaßnahmen verhältnismäßig und angemessen sein müssen und zwar im Hinblick auf den Zweck dieser Maßnahmen. Dieser besteht letztendlich darin, die Integrität von Bio-Produkten sicherzustellen, das heißt zu verhindern, dass die oben genannten Erzeugnisse und Stoffe in ein Bio-Erzeugnis gelangen. Sie sind deshalb sehr betriebsspezifisch festzulegen. Dennoch werden im folgenden Abschnitt ein paar allgemeine Hinweise zu Umsetzungsmöglichkeiten aufgezeigt, damit dieses sehr nüchtern und theoretisch wirkende Konstrukt Schritt für Schritt mit Leben gefüllt werden kann.

Konkrete Beispiele für Maßnahmen im Bereich der Pflanzenproduktion

Ganz am Beginn des Produktionsprozesses steht in der Regel der Einsatz von sogenanntem Pflanzenvermehrungsmaterial. Damit ist sowohl Saat- als auch Pflanzgut gemeint. Grundsätzlich kommt hierbei ökologisches Material zum Einsatz, das oft sogar vom eigenen Betrieb stammt. Wird allerdings Ware zugekauft und handelt es sich dabei um genehmigtes nicht-biologisches Material, besteht hier immer ein gewisses Risiko, nicht erlaubte gebeizte Erzeugnisse zu erhalten. Dies wäre als Risikopunkt festzuhalten. Als Vorsorgemaßnahme müsste sowohl die Prüfung der Deklaration beziehungsweise des Etiketts (eine Vorbehandlung muss entsprechend gekennzeichnet sein) als auch die Sichtprüfung der Ware direkt erfolgen. Werden dabei Auffälligkeiten festgestellt, dann wäre die Ware mit einem Nachweis wieder an das Lieferunternehmen zurückzugeben.

Ein weiterer Risikobereich ist die überbetriebliche Nutzung von Pflege- und Erntetechnik. Hier kann es zum Beispiel durch den Einsatz einer Pflanzenschutzspritze, die nach einer Applikation konventioneller Pflanzenschutzmittel nicht ordnungsgemäß gereinigt wurde, zu Verschleppungen in den Bio-Betrieb kommen. Ebenso im Bereich der Aussaat, wenn zunächst mit einer Drillmaschine gebeiztes Saatgut ausgebracht wurde und diese als nächstes in einem Bio-Betrieb zum Einsatz kommen soll. Die Ernte wird oft von Lohnunternehmen durchgeführt, die von Feld zu Feld fahren und bei denen über die verschiedenen technischen Einrichtungen grundsätzlich ein Risiko besteht, unerwünschte Erzeugnisse wie zum Beispiel gentechnisch veränderte Pflanzen, zu verschleppen. In all diesen Bereichen können entsprechende Reinigungsmaßnahmen, eine Sichtkontrolle mit entsprechender Dokumentation oder Festlegungen in einer gemeinsamen Vereinbarung weiterhelfen und damit das Risiko minimieren.

Mittlerweile sind mehrere Arbeitshilfen entwickelt worden, die in der alltäglichen Praxis helfen, das Konzept der "Bio-kritischen Kontrollpunkte" sinnvoll in den Betriebsablauf zu integrieren und den zeitlichen Aufwand dafür in einem überschaubaren Rahmen zu halten. Die unten angegeben Links führen direkt zu einigen dieser sehr hilfreichen Dokumente.


Letzte Aktualisierung 12.12.2022

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