Vorsorgemaßnahmen in der Tierproduktion

Vorsorgemaßnahmen in der Tierproduktion

Die neue EU-Öko-Verordnung verpflichtet Unternehmen, Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um unzulässige Erzeugnisse oder Stoffe im Rahmen der Produktion und Vermarktung zu vermeiden. Welche spezifischen Punkte sind im Vorsorgekonzept für tierhaltende Betriebe zu beachten? Was sind Bio-Kritische Kontrollpunkte? Und wie lässt sich das in der Praxis umsetzen?

Vorsorgekonzept – Um was geht es?

Im Artikel 28 Absatz 1 fordert die neue EU-Öko-Verordnung 2018/848 von allen Bio-Betrieben die Entwicklung und Umsetzung eines systematischen "Vorsorgekonzeptes". Dabei handelt es sich um ein betriebliches Qualitätssicherungssystem, das von dem Betrieb eigenständig erstellt wird. So sollen Risiken der Kontamination durch Erzeugnisse und Stoffe, die für die Verwendung in der Bio-Produktion nicht zugelassen sind, sowie Risiken der Vermischung / Vertauschung von ökologischen mit nichtökologischen Erzeugnissen systematisch ermittelt und wirksam und stetig vorgebeugt werden. Vorsorgemaßnahmen müssen angemessen und verhältnismäßig sein und sie betreffen ausschließlich Risiken, die im Verantwortungsbereich des Landwirts oder der Landwirtin liegen. "Nicht zugelassene Stoffe" im Sinne der Öko-Verordnung sind nicht zugelassene Betriebsmittel (Pflanzenschutzmittel, Düngemittel oder Bodenhilfsstoffe, Reinigungs- und Desinfektionsmittel) oder nicht zugelassene Zusatz- und Verarbeitungshilfsstoffe für Lebens- und Futtermittel. Verunreinigungen, die nicht im Verantwortungsbereich des Landwirtes oder der Landwirtin liegen, wie zum Beispiel durch Abdrift oder Belastungen aus Boden, Wasser, Luft, sind nicht durch das EU-Bio-Recht geregelt und müssen deshalb auch nicht in die Vorsorgemaßnahmen gemäß Art. 28 der Öko-Verordnung einbezogen werden. Demnach schreibt die EU-Öko-Verordnung nicht vor, dass Bio-Landwirte und Bio-Landwirtinnen verpflichtet sind, Einfluss auf Tätigkeiten von konventionell wirtschaftenden Nachbarn zu nehmen, die außerhalb des eigenen Einfluss- und Verantwortungsbereich liegen, oder die Produktionsweise der Nachbarn in irgendeiner Weise zu beschränken. Es gibt also keinen Zwang zur generellen Vorsorgepflicht, zum Beispiel zu Nachbarschaftsbriefen, zu Ökofeldkennzeichnungen, zu Abstandsflächen oder zur Anlage von Schutzhecken.

Was sind die rechtlichen Grundlagen?

Verordnung 848/2018 definiert in Artikel 3 Absatz 5, was eine Vorsorgemaßnahme ist:

"Vorsorgemaßnahmen: die von den Unternehmern auf jeder Stufe der Erzeugung, der Aufbereitung und des Vertriebs zu ergreifenden Maßnahmen, um eine Kontamination durch Erzeugnisse oder Stoffe, die nicht für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion gemäß dieser Verordnung zugelassen sind, sowie eine Vermischung ökologischer/biologischer Erzeugnisse mit nichtökologischen/nichtbiologischen Erzeugnissen zu vermeiden"

In Artikel 28 (1) wird klar erläutert, was von den Unternehmen erwartet wird. Grundsätzlich bezieht sich dieser Artikel auf alle Unternehmen in der Warenkette:

Artikel 28 Vorsorgemaßnahmen zur Vermeidung des Vorhandenseins nicht zugelassener Erzeugnisse und Stoffe

(1) Um eine Kontamination durch Erzeugnisse oder Stoffe, die nicht für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion gemäß Artikel 9 Absatz 3 Unterabsatz 1 zugelassen sind, zu vermeiden, ergreifen die Unternehmer auf jeder Stufe der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs folgende Vorsorgemaßnahmen:

a) Sie ergreifen verhältnismäßige und angemessene Maßnahmen, mit denen Risiken der Kontamination der ökologischen/ biologischen Produktion und von ökologischen/biologischen Erzeugnissen durch nicht zugelassene Erzeugnisse oder Stoffe ermittelt werden, wobei auch systematisch kritische Punkte bei den Verfahrensschritten identifiziert werden, und erhalten diese aufrecht;

b) sie ergreifen Maßnahmen, die verhältnismäßig und angemessen sind, um Risiken der Kontamination der ökologischen/ biologischen Produktion und von ökologischen/biologischen Erzeugnissen durch nicht zugelassene Erzeugnisse oder Stoffe zu vermeiden, und erhalten diese aufrecht;

c) sie überprüfen regelmäßig diese Maßnahmen und passen sie an; und

d) sie erfüllen andere relevante Anforderungen dieser Verordnung, mit denen die Trennung der ökologischen/biologischen Erzeugnisse, der Umstellungserzeugnisse und nichtökologischen/nichtbiologischen Erzeugnisse gewährleistet wird.

Wie erstelle ich das Vorsorgekonzept?

Kritische Punkte, an denen geeignete Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden müssen um dem Risiko einer Kontamination oder Vermischung vorzubeugen, werden als Bio-Kritische Kon-trollpunkte (BKKP) bezeichnet.

Es handelt sich immer um individuelle auf die Situation des Betriebs angepasste Konzepte. Nicht in allen Betrieben liegen die gleichen BKKP vor, und auch die Maßnahmen, die ergriffen werden, können sehr unterschiedlich ausfallen.

Um die Betriebe bei der Umsetzung zu unterstützen hat der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) in Zusammenarbeit mit Kontrollstellen eine praxisorientierte Checkliste für Vorsorgemaßnahmen für landwirtschaftliche Betriebe entwickelt. Grundlage für die Checkliste der BÖLW waren die Projektergebnisse des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FIBL). Links zu den betreffenden Dokumenten finden Sie am Ende dieses Artikels.

Beispiele für die Identifikation der BKKP und mögliche Vorsorgemaßnahmen:

Bio-Kritischer Kontrollpunkt (BKKP)
(Risiko für die Bio Integrität)
Vorsorgemaßnahme
Zukauf von Betriebsmitteln und anderen Erzeugnissen (Zukauf nicht bio-konformer Produkte)

Vor der Bestellung:

Überprüfung der Zulässigkeit von Betriebsmitteln gemäß den Vorgaben der EU-Öko-Verordnung (Prüfung der Anhänge der EU-Öko-Verordnung Nr. 2021/1165). Eine Hilfestellung bietet auch die FiBL-Betriebsmitteliste.

Vor der Bestellung von Bio-Erzeugnissen sollte eine gültige Bio-Zertifizierung der Lieferantinnen und Lieferanten geprüft werden.

Beim Wareneingang:

Dokumentierte Wareneingangskontrolle (Bio-Kennzeichnung der Ware vorhanden? Handelt es sich eindeutig um das gelieferte Produkt?)

Gemeinsam mit konventionellen Betrieben oder Lohnunternehmen genutzte Anlagen / Maschinen / Gerätschaften und Transporttechnik (Mögliche Kontaminationen der Bio-Produkte)Gründliche, fachgerechte und bio-konforme Reinigung und/oder Desinfektion.
Kontaminationsrisiken in zuvor konventionell genutzten Lagern (Mögliche Kontaminationen der Bio-Produkte)Vor Einlagerung muss der neue Lagerstandort bei der Kontrollstelle angemeldet werden. Fragliche Bereiche der Lagerstätte sollten beprobt und analysiert werden.
Gemeinsam mit konventionellen Betrieben genutzte Lager (Mögliche Kontaminationen der Bio-Produkte)Soweit möglich, sollte eine gemeinsame Lagerung mit konventionellen Erzeugerbetrieben vermieden werden. Bei der gemeinsamen Nutzung von Lagern mit einem konventionellen Betrieb sollte eine klare räumliche Trennung mit separaten Abteilen bestehen.
Warenausgang und weitere betriebliche Tätigkeiten (Erzeugnisse im Warenausgang versehentlich falsch deklariert)Eine klar getrennte Handhabung und Identifizierung der Ware (klare Kennzeichnung, klare Trennung).
Subunternehmen im Auftrag des Bio-Betriebs (Mögliche Kontaminationen der Bio-Produkte)Ein Subunternehmer muss bei der Kontrollstelle angemeldet werden. Prüfen des aktuellen Bio-Zertifikats des Subunternehmers und gegebenenfalls geeignete Vorsorgemaßnahmen mit dem Subunternehmer vereinbaren.
Betriebe mit ökologischer und konventioneller Produktionseinheit (Mögliche Kontaminationen der Bio-Produkte)Räumliche und organisatorische Trennung der Produktionseinheiten. Klar organisierte Verantwortlichkeiten.

Konkrete Beispiele für Maßnahmen im Bereich der Tierproduktion

Bei der Bestellung von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln ist darauf zu achten, dass nur bio-konforme Produkte bezogen werden. Zur Überprüfung der bio-Konformität kann die Betriebsmittelliste für den ökologischen Landbau in Deutschland des FiBL herangezogen werden. Außerdem erfolgt eine zusätzliche Prüfung, ob die Produkte nach EU-Öko-VO (insbesondere Artikel 5 und Anhang IV der VO (EU) 2021/1165) zulässig sind.

Beim Zukauf von Futtermitteln landwirtschaftlichen Ursprungs sollte bei der Wareneingangskontrolle die Ware auf dem Etikett und den Warenbegleitpapieren (Lieferschein/Rechnung) eindeutig als Bio-Ware gekennzeichnet sein, beziehungsweise den Hinweis, dass das Futtermittel in der ökologischen Landwirtschaft eingesetzt werden darf, aufweisen.

Bei der Erzeugung von Futtermischungen können Lohnunternehmer mit einer mobilen Mahl- und Mischanlage beauftragt werden. Hier besteht das Risiko einer Vermischung des Futters mit konventionellen Futtermittelresten und der Kontamination durch unzulässige Stoffe (Zum Beispiel GVO, Tierarzneimittelrückstände, Antiparasitika usw.), wenn die mobile Mahl- und Mischanlage auch für konventionelle Betriebe GVO-haltiges Raps- und Sojaextraktionsschrot mischt. Hier ist darauf zu achten, dass die mobile Mahl- und Mischanlage vor seiner Nutzung nach einem definierten Reinigungsprotokoll gründlich gereinigt wurde. Nach Möglichkeit verein-bart man mit dem Mischfahrzeugbetreiber eine spezielle "Bio-Misch-Tour" oder besteht auf die Nutzung einer separaten Anlage für Bio-Betriebe.


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Letzte Aktualisierung 24.11.2022

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