Biogas kann mehr als Strom

Biogas kann mehr als Strom

Die Biogaserzeugung ist primär auf die Produktion und den Verkauf von Strom ausgerichtet, jedoch wird aus dem Energieträger Biogas bei der Verbrennung zur Stromerzeugung in erheblichem Umfang auch Wärme erzeugt. Die thermischen Wirkungsgrade der eingesetzten Motoren übersteigen in der Regel sogar die elektrischen Wirkungsgrade, das heißt es wird mehr Wärmeenergie bei der Verstromung des Biogases erzeugt als Strom. Je nach Anlage wird bis zu 30 % der Wärme benötigt, um den mikrobiellen Prozess der Biogasgewinnung in den Fermentern in Gang zu halten. Der Rest geht, sofern keine Verwendung für die anfallende Wärme besteht, ungenutzt verloren.

Zwar basieren die Erlöse aus einer Biogasanlage zum allergrößten Teil auf den hohen staatlich festgesetzten Einspeisevergütungen für Strom, dennoch stellt Wärme ein wertvolles Nebenprodukt dar, welches es gewinnbringend zu nutzen gilt. Auch für Biogaserzeuger im Ökolandbau stehen starke wirtschaftliche Anreize und betriebliche Vorteile beim Bau einer Biogasanlage im Vordergrund. Darüber hinaus spielen aber häufig auch Umwelt- bzw. Klimaschutzgedanken sowie ideelle Gründe, zum Beispiel eine stärkere Energieautonomie, eine Rolle. Gerade unter diesen Gesichtspunkten sollte jede Biogasanlage über ein umfassendes Wärmenutzungskonzept verfügen. Hier haben nach Untersuchungen der Universität Kassel-Witzenhausen ökologisch wirtschaftende Biogaserzeuger die Nase vorn.

Ökobetriebe nutzen ihre Abwärme besser

Der Abwärmenutzungsgrad der Biogasanlagen auf Ökobetrieben schwankt mit der Größe der Anlage. Bei kleinen Anlagen bis 50 Kilowatt (kW) installierter elektrischer Leistung liegt die durchschnittlich genutzte Wärmemenge laut Anlagenbetreibern bei etwa 60 Prozent (ohne Fermenterheizung). Anlagen über 150 kWel haben einen bedeutend höheren Wärmeanfall, können aber nach Aussagen der Betreiber im Durchschnitt immer noch zwischen 40 und 50 Prozent der Abwärme nutzen (ohne Fermenterheizung). Damit sind Ökobetriebe vergleichsweise erfolgreich bei der Nutzung der Wärme. Nur ca. zwei Prozent der untersuchten Bio-Biogasanlagen verfügen neben der Fermenterheizung über keinerlei zusätzliche Abwärmenutzung. Bei konventionellen Biogasanlagen kann man von einem durchschnittlichen Wärmenutzungsgrad von lediglich 20 bis 30 Prozent ausgehen. Knapp zehn Prozent der konventionellen Betreiber nutzen Abwärme ausschließlich für Prozesswärme in der Biogasanlage.

Eine vollständige Abwärmenutzung gestaltet sich meist schwierig, da der Hauptwärmebedarf (zum Beispiel in Wohngebäuden) in die Wintermonate fällt, das größte Wärmeangebot aus der Biogasverstromung jedoch im Sommer besteht. Da Ökobetriebe oft vielfältige Produktionsstrukturen mit unterschiedlichen Betriebszweigen aufweisen, haben sie häufig auch vielfältige Möglichkeiten der Abwärmenutzung. Neben der Heizung von Wohngebäuden wird die Wärme auch im Unterglasanbau, in der Tierhaltung, in der hofeigenen Verarbeitung - zum Beispiel in Käsereien und Bäckereien - sowie zur Trocknung von Druschfrüchten, Grüngut, Hackschnitzeln und vielem mehr eingesetzt. Erste Beispiele gibt es auch im Bereich der Milch- und Lagerkühlung mit Abwärmeenergie, durch sogenannte Sorptionskältemaschinen. Die Lösung der Abwärmespeicherung in sogenannten Latentwärmespeichern könnte in Zukunft Praxistauglichkeit erlangen, befindet sich aber derzeit noch im Forschungs- und Pilotstadium.

Abwärme wird vor allem auf dem Hof gebraucht

Auf Ökobetrieben wird die Abwärme aus der Biogasanlage vor allem innerbetrieblich genutzt. Die vielfältigen Betriebszweige lassen eine saisonal sinnvolle Kombination von Wärmenutzungspfaden und damit einen hohen Grad an Wärmenutzung zu. Außerdem sind bei den in der Mehrheit relativ kleindimensionierten Bio-Biogasanlagen durch die Heizenergie- und Warmwasserbereitstellung für Wohn- und Betriebsgebäude allein schon hohe Abwärmenutzungsgrade zu erreichen. Dennoch wurden in den vergangenen Jahren fast 20 Prozent der genutzten Wärme an externe Abnehmer verkauft. Gewerbe- und Industriebetriebe mit hohem Wärmeenergiebedarf gehören ebenso zu den Kunden wie nahe gelegene Anwohner, die sich über ein Nahwärmenetz von meist größeren Biogasanlagen versorgen lassen.

Das Abwärmenutzungskonzept für eine Biogasanlage ist in jedem Fall das Ergebnis vielfältiger Faktoren und Überlegungen. Die Lage des Betriebes, die Produktionsschwerpunkte und Betriebszweige, die Nähe potenzieller Wärmeabnehmer, sowie die Größe der Biogasanlage lassen schlussendlich nur individuell angepasste Lösungen für eine möglichst vollständige und sinnvolle Abwärmenutzung zu – der Umwelt und der Wirtschaftlichkeit zuliebe.


Kontakt

Torsten Siegmeier und Benjamin Blumenstein
Universität Kassel
Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften,
Fachgebiet Betriebswirtschaft
Steinstrasse 19
37213 Witzenhausen
Tel.: 05542 98-1327
Fax: 055 42 98-1333
bwl@uni-kassel.de

Letzte Aktualisierung 26.01.2022

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