Biofach 2023: Bio bleibt im Trend

Biofach 2022: Bio bleibt im Trend

Wie jedes Jahr traf sich im Februar die Bio-Branche auf der Nürnberger BIOFACH. Auf der weltgrößten Bio-Messe präsentieren über zweitausend Bio-Unternehmen ihre Produkte und Innovationen. Michael Radau, langjähriges Mitglied der Trendjury und Vorstand der SuperBioMarkt AG, spricht im Interview über aktuelle Themen und angesagte Trends.

Oekolandbau.de: Bleibt Bio angesichts von Krieg und Krisen überhaupt noch im Trend?

Michael Radau: Die Frage begegnet mir in letzter Zeit häufiger und macht mir Sorgen. Wir sollten Bio nicht kaputtreden. Bio ist die Antwort auf viele gesellschaftliche Herausforderungen. Außerdem stimmen die Zahlen: Egal ob im Bio-Fachhandel oder im Lebensmitteleinzelhandel. Die Bio-Umsätze sind gewachsen. Nicht umsonst bauen die Discounter ihre Sortimente aus. Allerdings müssen wir 2019 als Vergleichsjahr nehmen. In den folgenden Coronajahren waren die Restaurants zu und die Menschen konnten nicht verreisen. Daher konnten sie mehr Geld für gute Lebensmittel investieren und hatten mehr Zeit zum Kochen.

Der Bio-Fachhandel muss Innovationstreiber bleiben und die Qualitätsstandards hochhalten. Aber es braucht gerade jetzt sichtbare Zeichen. Warum sollte unsere Bundeswehr nicht mit ökologischen Lebensmitteln versorgt werden? Ich habe Boris Pistorius, den ich aus seiner Zeit als Osnabrücker Oberbürgermeister kenne, bereits geschrieben.

Oekolandbau.de: Wie definieren Sie überhaupt Trends im Lebensmittelbereich?

Radau: In der Trendjury schauen wir uns in der Regel Entwicklungen an, die sich in den nächsten zwei, drei Jahren verstärkt in der Bio-Branche durchsetzen werden. Also Produkte, die verstärkt auf den Markt kommen. In den letzten Jahren waren das beispielsweise mehr pflanzliche Lebensmittel, Free-From-Produkte mit weniger Zusatzstoffen und die Reduzierung von Zucker. Aber wir achten auch auf geschmackliche Neuausrichtungen. Beispielsweise waren Kurkuma und Ingwer in vielen Bio-Produkten in der Vergangenheit Geschmackstrends.

Oekolandau.de: Welche übergeordneten Themen bewegen gerade die Bio-Branche?

Radau: Zentrale Frage ist es, wie wir die Ernährungswende hinbekommen. Aber nicht mit dem moralischen Zeigefinger, sondern mit Überzeugung, Geschmack und Genuss. Die Botschaft lautet, ich muss nicht verzichten, sondern habe eine tolle Alternative auf dem Teller. Außerdem geht es um den von der Zukunftsforscherin Hanni Rützler geprägten Begriff der "glokalen" Verantwortung. Wir müssen lokal und global verantwortlich handeln. Also unsere Rohstoffe so regional wie möglich einkaufen. Beispielsweise Soja aus Europa statt aus Brasilien. Wo das nicht geht wie bei Kaffee und Kakao, müssen wir in den Herkunftsländern Verantwortung übernehmen.

Oekolandbau.de: Welche Trends haben Sie auf der BIOFACH ausgemacht?

Radau: Wir haben dieses Jahr vier Trends ausgemacht: Außer New Glocal – der Re-Regionalisierung der Rohstoffe – lauten die Less is more, Vegan meets Tradition und New Sweeteners. Bei Bio-Produkten gibt es immer mehr spannende Zucker-Alternativen aus Früchten wie Datteln. Dadurch lässt sich der industriell hergestellte weiße Haushaltszucker weiter reduzieren. Less is more gilt aber nicht nur für Zucker. Der Trend zur Reduktion umfasst die ganze Lebensmittelherstellung – vom klimafreundlichen Anbau über Kreislaufwirtschaft bis zur ressourcenschonenden Verarbeitung und Verpackung. Besonders spannend finde ich es, mehr Produkte zu bepfanden, also beispielsweise auch Nuss-Nougatcreme im Pfandglas anzubieten.

Oekolandbau.de: Und was tut sich bei veganen Produkten?

Radau: Vegan bleibt ein Megatrend. Dieses Jahr haben wir viele traditionelle Gericht gefunden, die vegan neu interpretiert werden. Heimische Pflanzen oder pflanzliche Zutaten aus dem Meer vereinfachen das tierfreie Nachahmen von klassischen Rezepturen. Für diesen Trend stehen beispielsweise vegane Feinkostsalate aus Hülsenfrüchten, vegane Bio-Knöpfle aus Dinkel oder eine vegane Mortadella-Alternative.

Oekolandbau.de: Gerade bei den trendigen Fleischersatzprodukten haben die großen Lebensmittelhersteller Bio längst überholt. Was kann die Bio-Branche tun, um nicht abgehängt zu werden?

Radau: Die Zutatenlisten von manchen industriell hergestellten Fleischersatzprodukten lesen sich wie ein Beipackzettel von Arzneimitteln. Bei der Fülle an künstlichen Inhaltsstoffen würde ich da lieber ab und zu ein Stück gutes Bio-Fleisch essen.

Die Ernährungswende muss auch gesundheitlich stattfinden. Im Fokus müssen die Qualität der Produkte, ihre Inhaltsstoffe und die Produktionsmethode stehen. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten das die pflanzlichen Chicken-Nuggets genauso schmecken wie das tierische Original – aber das funktioniert nur selten mit natürlichen Zutaten. Insgesamt müssen wir uns mehr mit dem Thema Lebensmittel beschäftigen. Wer ein neues Auto kauft, informiert sich ja auch ausführlich über Modelle usw.

Oekolandbau.de: Wie informieren Sie denn Ihre Kundinnen und Kunden?

Radau: Wer will, erhält viele Informationen. Wir können sagen, wo unser Brokkoli herkommt oder wie und wo das Tier gelebt hat, von dem das Fleisch in unserer Kühltheke stammt. Ein schönes Beispiel sind die Eier. Wir geben die Adressen unserer Eierlieferanten weiter. Jede/r kann sich den Betrieb anschauen. Anders als bei EU-Bio-Verordnung erlaubt halten unsere Landwirtinnen und Landwirte nur maximal 2.000 Hühner. In Zukunft möchten wir Webcams in den Betrieben aufstellen, sodass unsere Kundinnen und Kunden live verfolgen können, was die Tiere gerade machen. Mehr Transparenz geht nicht.


Letzte Aktualisierung 22.02.2023

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