Proteinreiche Bio-Milchprodukte – ein Trend?

Proteinreiche Bio-Milchprodukte – ein Trend?

Milchprodukte mit hohem Proteingehalt erleben in Deutschland schon seit einigen Jahren ein Umsatzwachstum. Bislang hält der Trend an und hat mit Verzögerung und deutlich kleinerer Produktpalette auch im Bio-Bereich Fuß gefasst. Zielgruppe ist die ernährungsbewusste Kundschaft.

Bereits seit einigen Jahren hält der Proteintrend bei Lebensmitteln in Deutschland an. Mitte 2015 brachte das Unternehmen Arla Foods mit dem nach isländischer Art hergestellten Skyr, einer Mischung aus Joghurt und Quark, ein proteinreiches und fettarmes Milchprodukt auf den Markt. Zielgruppe sind laut Angaben des Unternehmens ernährungsbewusste Konsumentinnen und Konsumenten. Damit ist der Trend um eine neue Produktkategorie ins Rollen gekommen. Im Jahr 2017 folgte das Unternehmen Ehrmann mit dem ersten High-Protein-Pudding, der die gleiche Zielgruppe ins Auge fasst. Womit sich früher vor allem die sportlich aktive Bevölkerungsgruppe auseinandergesetzt hat, ist nun in der breiten Schicht angekommen: Proteine sind in aller Munde – zumindest gefühlt. Und ein Ende ist vorerst nicht in Sicht. Mittlerweile setzen die Unternehmen nicht nur auf Milch- und Milchprodukte mit zusätzlichem Protein, auch Müsli, Bier und Chips gibt es als High-Protein-Variante.

Doch legen die Verbraucherinnen und Verbraucher beim Kauf von Joghurts und Desserts Wert auf Produkte mit hohem Proteingehalt? Dieser Fragestellung ist das Marktforschungsinstitut YouGov im Auftrag der Lebensmittelzeitung im Jahr 2021 nachgegangen. Demnach war der Geschmack das maßgebliche Kaufkriterium für 93 Prozent der befragten Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Ein hoher Proteingehalt bei Desserts und Joghurts ist hingegen für 42 Prozent der Befragten wichtig. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass das Merkmal "hoher Proteingehalt" für 58 Prozent der Befragten keine Rolle beim Kauf spielt. Höher rangieren Merkmale wie "ohne Zuckerzusatz", "Mehrwegverpackung" und "Bio".

Protein-Produkte der Weißen Linie mit Umsatzplus

Laut Angaben des GfK Consumer Index hat die sogenannte Weiße Linie der Molkereiprodukte im Jahr 2021 die bereits hohen Umsätze im Pandemie-Jahr 2020 um 2,7 Prozent übertroffen. Dabei haben Milchgetränke und Fertigdesserts vor allem vom Proteintrend profitiert. Innerhalb dieser Produktkategorie zeigte sich ein Umsatzwachstum von 25 Prozent auf Jahressicht, 2020 wurde sogar ein Plus von 44 Prozent erzielt. Im Jahr 2022 hat sich der Trend zu Protein-Produkten der Weißen Linie etwas abgeschwächt und verzeichnete zwischen Januar und Juli "nur" ein Umsatzwachstum von zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dabei zeigten sich vor allem Preissteigerungen für das Plus verantwortlich, so die GfK. Während sich der Umsatz bei Protein-Joghurt zuletzt rückläufig entwickelte, legten Protein-Milchgetränke überdurchschnittlich zu. Wachstum konnte zudem bei den Handelsmarken festgestellt werden. Der Protein-Trend in Deutschland scheint damit ungebrochen, wenngleich er sich gegenüber den Vorjahren abgeschwächt hat.

Was bedeutet hoher Proteingehalt?

Die EU-Verordnung 1924/2006 legt europaweit einheitliche Anforderungen über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben (Health Claims) von Lebensmitteln fest. Demnach dürfen Produkte als "Proteinquelle" gekennzeichnet werden, wenn auf den Proteinanteil mindestens zwölf Prozent des gesamten Brennwerts eines Lebensmittels entfällt. Bei Produkten mit einem "hohen Proteingehalt" muss der Proteinanteil mindestens 20 Prozent des gesamten Brennwerts des Lebensmittels ausmachen. Ein High-Protein Vanille-Pudding von Ehrmann enthält zum Beispiel 76 Kalorien pro 100 Gramm. Davon müssen mindestens 20 Prozent, in diesem Fall rund 15 Gramm, den Eiweißanteil ausmachen. Da ein Gramm Eiweiß etwa vier Kalorien liefert, müsste der Pudding mindestens 3,8 Gramm Eiweiß pro 100 Gramm enthalten, um entsprechend beworben zu werden. Tatsächlich enthält der Pudding mit zehn Gramm Eiweiß sogar deutlich mehr Protein als für die Auszeichnung nötig wäre.

Info's zum Proteinbedarf:

Wieviel Protein benötigt der Körper? Hierzu hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) Referenzwerte für die Proteinzufuhr verschiedener Altersklassen veröffentlicht. Erwachsene zwischen 19 und 64 Jahren benötigen demnach 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht am Tag. Bei einem Menschen, der 68 Kilogramm wiegt, sind das laut DGE 54 Gramm Protein pro Tag. Etwas höher (pro Kilogramm Körpergewicht) liegt der Proteinbedarf bei Kindern, Schwangeren, Stillenden und älteren Personen.

Folgt die Bio-Branche dem Trend?

Mit zeitlicher Verzögerung ist auch die Bio-Branche auf den Proteintrend aufgesprungen – wenngleich mit einer deutlich kleineren Produktpalette bei Milchprodukten der Weißen Linie. So hat zum Beispiel die Andechser Molkerei Scheitz 2019 einen Bio-Skyr auf den Markt gebracht, danach folgte ein Protein-Joghurt mit demeter-Siegel im Mehrwegglas. Seit Oktober 2021 bedient zudem die Gläserne Molkerei den aktuellen Trend mit einem Bio-Protein Naturjoghurt. Beide Unternehmen greifen beim Produktdesign die bereits am Markt etablierte schwarze Farbgebung von Protein-Produkten auf.

Warum die Produktpalette an Bio-Protein-Produkten im Kühlregal bisher nur klein ist, zeigt unter anderem der Blick auf die Inhaltsstoffe eines High-Protein-Puddings. Demnach sind einige Zutaten laut EU-Öko-Verordnung nicht für die Herstellung von Bio-Lebensmitteln zulässig. Beispiele hierfür wären die Stoffe E 466 (Carboxymethylcellulose) und E 950 (Acesulfam-K), die bei der Herstellung von Desserts als Überzugsmittel, Trägerstoff von Aromen und/oder Verdickungsmittel sowie als Süßungsmittel eingesetzt werden. Laut Alexander Beck, Mitarbeiter des Büro für Lebensmittelkunde und Qualität (BLQ), besteht zudem die Frage, um welche Art von "natürlichen Aromen" es sich bei diesem Protein-Pudding handelt. Denn für Bio-Lebensmittel sind nur bestimmte natürliche Aromen zugelassen.

Zwei Fragen an Astrid Donalies, Diplom-Ökotrophologin und Pressereferentin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung

Oekolandbau.de: Wie steht es aktuell um die Eiweißversorgung in Deutschland?

Astrid Donalies: Es besteht hierzulande kein Versorgungsproblem. Die mittlere Proteinzufuhr liegt in allen Altersklassen über dem Referenzwert für die Proteinzufuhr. Bei veganer Ernährung gehören Protein beziehungsweise die unentbehrlichen Aminosäuren aber zu den potenziell kritischen Nährstoffen. Durch gezielte Kombination und vielfältige Auswahl pflanzlicher Proteine aus Getreide, Hülsenfrüchten und Kartoffeln kann der Proteinbedarf aber auch bei einer veganen Ernährung gedeckt werden, sofern die Energiezufuhr ausreichend ist (bei unter dem Bedarf liegender Energiezufuhr wird Nahrungs- und Körperprotein zur Energiegewinnung genutzt).

Eine höhere Proteinzufuhr wird im Vergleich zu einer niedrigeren Proteinzufuhr mit einer stärkeren Sättigung und dadurch in einer Diät mit einer größeren Gewichtsabnahme in Verbindung gebracht. Verschiedenen Untersuchungen nach scheint eine kurzfristige Ernährung von drei bis sechs Monaten mit einer hohen Proteinzufuhr (im Vergleich zu einer niedrigeren Proteinzufuhr) zu einer größeren Gewichtsreduktion zu führen. Mit zunehmender Dauer einer proteinreichen Ernährung wird der Effekt kleiner oder verschwindet ganz. Zu diesem Zusammenhang sind weitere Untersuchungen notwendig.

Oekolandbau.de: Wie sind in diesem Zusammenhang „High-Protein-Produkte“ aus ernährungsphysiologischer Sicht einzuordnen?

Astrid Donalies: Sie sind in den meisten Fällen ernährungsphysiologisch überflüssig. Wer die Vielfalt herkömmlicher Lebensmittel nutzt, bekommt genug Protein und spart sich das Geld für die meist teureren Produkte. Viele High-Protein-Produkte sind hochverarbeitete Lebensmittel. Das sind aus kostengünstigen Zutaten – überwiegend aus industriellen Energie- und Nährstoffquellen und Zusatzstoffen – zusammengesetzte Produkte. Sie sind meist ansprechend verpackt, intensiv vermarktet, lange haltbar, verzehrfertig und schmackhaft. Wenn häufig zu diesen Produkten gegriffen wird und sie Lebensmittel wie Gemüse, Obst und Nüsse verdrängen, kann das langfristig kritisch für die Zufuhr von sekundären Pflanzenstoffen, Nähr- und Ballaststoffen sein und mit Übergewicht, ernährungsbedingten Krankheiten und ökologischen Nachteilen einhergehen.

High-Protein-Produkte liefern meist mehr Protein, als nötig ist. Bei gesunden Erwachsenen schadet dies zwar nicht. Überflüssiges Protein baut der Körper ab, dabei entsteht Harnstoff, der mit dem Urin ausgeschieden werden muss. Deshalb ist ausreichendes Trinken bei hoher Proteinzufuhr wichtig. Bei Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion kann viel Protein allerdings problematisch sein und zu einer Verschlechterung führen.


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Letzte Aktualisierung 11.10.2022

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