Nachhaltigkeitslabel für den Handel

Nachhaltigkeitslabel für den Handel – Eco-Score und Planet-Score unter der Lupe

Die Umweltauswirkungen von der Lebensmittelproduktion auf einen Blick erkennen: Das ist mit dem Eco-Score und dem Planet-Score möglich. Die beiden Nachhaltigkeitslabel aus Frankreich wurden in Deutschland bereits im Handel getestet und werden von ersten Unternehmen genutzt. Was macht die beiden Label aus?

Das Thema umweltfreundliche Ernährung landet bei immer mehr Menschen auf dem Tisch: Laut BMEL-Ernährungsreport 2022 spielen Klima und Umwelt bei der Ernährung eine bedeutende Rolle. 84 Prozent der Befragten sind diese Themen wichtig oder sogar sehr wichtig.

Bis Ende 2023 will die EU-Kommission im Rahmen der "Farm-to-Fork"-Strategie eine Rechtsetzungsinitiative für ein nachhaltiges Lebensmittelsystem vorschlagen. Ziel ist es, das europäische Lebensmittelsystem entlang der gesamten Wertschöpfungskette nachhaltiger und gesünder zu gestalten. In diesem Zuge sollen Lebensmittel, die umweltfreundlich produziert wurden, künftig eine Kennzeichnung erhalten, die den Verbraucherinnen und Verbrauchern Hilfestellung beim Einkauf bietet. Dadurch soll verhindert werden, dass Unternehmen "Greenwashing" betreiben und ein nachhaltiges Image durch eine gezielte Kommunikation erlangen, ohne die notwendigen Schritte im operativen Geschäft zu verankern. Die gewonnene Transparenz durch solch eine Kennzeichnung soll dazu beitragen, nachhaltige Praktiken in der Lebensmittelherstellung zu implementieren sowie Lebensmittelverschwendung zu verringern.

Auf dem europäischen Markt befinden sich bereits einige Label, die zum Teil schon von Handelsunternehmen in Deutschland getestet wurden. Zu den bekanntesten zählen der Eco-Score und der Planet-Score. Ähnlich wie der Nutri-Score, der das Nährwertprofil von Lebensmitteln anhand einer fünfstufigen Farbskala abbildet, weisen auch die zwei Umweltlabel eine mehrstufige, farbliche Kennzeichnung auf. Welche Gemeinsamkeiten haben Eco-Score und Planet-Score und was unterscheidet sie im Detail voneinander?

Lebenszyklusanalyse als Grundlage der Produktbewertung

Zunächst einmal wurden beide Label in Frankreich entwickelt und verwenden als Grundlage ihrer Bewertung die Agribalyse-Datenbank der französischen Agentur für Umweltschutz und Energie (ADEME). Diese Datenbank stellt Referenzdaten über die Umweltauswirkungen von Agrar- und Lebensmittelprodukten nach der Lebenszyklusanalyse bereit, welche auf dem Product Environmental Footprint (PEF), dem Umweltfußabdruck von Produkten, basiert. Diese Methode wurde 2013 von der EU-Kommission als Alternative zu herkömmlichen Öko-Bilanzen entwickelt. Dafür wurden 16 Wirkungskategorien entwickelt, die im PEF abgebildet und zu einem Score zusammengefasst werden:

KlimawandelTerrestrische Eutrophierung
OzonabbauAquatische Eutrophierung der Meere
Für den Mensch giftig: krebserregendAquatische Eutrophierung von Süßwasser
Für den Mensch giftig: nicht-krebserregendÖkotoxizität
FeinstaubLandnutzung
Ionisierende StrahlungWassernutzung
Fotochemische Bindung von OzonVerwendung fossiler Brennstoffe
VersauerungRohstoffverbrauch: Mineralien und Metalle

Eco-Score kommt als Gesamtscore daher

Der Eco-Score wurde von einer Initiative von Wirtschaftsverbänden und Unternehmen der industriellen Lebensmittelwirtschaft und Gastronomie in Frankreich ins Leben gerufen. Neben der berechneten Umweltwirkung eines Produkts basierend auf dem PEF fließen in die Berechnung des Eco-Scores zusätzliche Kriterien über ein Bonus-Malus-System ein. Berücksichtigt werden dabei

  • Nachhaltigkeitslabel wie Bio, Fairtrade, ACS, MSC, Rainforest Alliance und UTZ
  • Herkunft des Produkts beziehungsweise der Inhaltsstoffe (basierend auf Transportentfernung)
  • Umweltpraktiken in den Produktionsländern (basierend auf dem Yale Environmental Performance Index)
  • Verpackungsart (basierend auf der Kreislauffähigkeit der Verpackung)
  • Einfluss auf die Biodiversität (zum Beispiel Überfischung oder Entwaldung)

Für ein Lebensmittel können anhand oben genannter Kriterien weitere Plus- oder Minuspunkte vergeben werden. Der Eco-Score wird als Gesamtscore auf einer farbigen Skala von A (dunkelgrün) bis E (rot) vergeben.

Der Discounter Lidl hat als erstes Handelsunternehmen in Deutschland den Eco-Score einem Praxistest unterzogen. Seit Juni 2021 wird der Eco-Score in allen Berliner Filialen für insgesamt rund 140 Kaffee-, Tee- und Milchprodukte von Eigenmarken zusätzlich auf dem Preisschild am Regal ausgezeichnet und mit einer breit ausgelegten Kommunikationskampagne beworben. Zudem wurden die Kundinnen und Kunden während der Testphase befragt. Im April 2022 hat der Discounter die Ergebnisse des Pilotprojekts vorgestellt und mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Gesellschaft und Verbänden diskutiert.

Demnach wird die Einführung des Eco-Scores von der Kundschaft begrüßt, wenngleich eine Verwechslungsgefahr mit dem Nutri-Score besteht. Auf den Preisschildern am Regal wird das Umweltkennzeichen allerdings kaum wahrgenommen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten die Kennzeichnung stattdessen auf der Produktverpackung. Aktuell ist der Einfluss des Eco-Score auf die Kaufentscheidung laut Lidl noch begrenzt, da die Kennzeichnung erst neu eingeführt wurde. Als Ergebnis wurde unter anderem festgehalten, dass Kundinnen und Kunden eine einfach verständliche, transparente Nachhaltigkeitskennzeichnung befürworten.

Planet-Score bildet auch Unterkategorien ab

Der Planet-Score geht auf eine Initiative von 16 französischen Verbraucherschutz- und Umweltverbänden zurück und wurde unter anderem vom französischen Forschungsinstitut für ökologische Landwirtschaft und Lebensmittel (ITAB) entwickelt. Anders als beim Eco-Score bewertet der Planet-Score Lebensmittel anhand einer erweiterten Lebenszyklusanalyse. Hierzu wird der PEF um folgende zusätzliche Indikatoren ergänzt:

  • Einfluss von synthetischen Stickstoffdüngern und Pestiziden auf die Biodiversität
  • Menschliche Gesundheit (Auswirkung von Pestiziden)
  • Tierwohl
  • Einfluss auf das Klima
  • Rückgang der Bodenfruchtbarkeit
  • Berücksichtigung planetarer Grenzen
  • Auswirkungen von Schadstoffen auf das Ökosystem (marine und terrestrische Toxizität)
  • Systemischer Ansatz der Landwirtschaft

Beim Planet-Score wird sowohl ein Gesamtscore auf einer farbigen Skala von A (grün) bis E (rot) ausgewiesen als auch drei Unterkategorien: Pestizide, Biodiversität und Klima. Bei tierischen Produkten kommt zudem eine Tierwohlbewertung hinzu. Somit ermöglicht der Planet-Score einen schnellen Vergleich zwischen Produkten der gleichen Kategorie bezüglich ihrer Umweltauswirkungen.

Als erstes Unternehmen in Deutschland hat die Ölmühle Moog mit der Marke Bio Planète den Planet-Score für die Öl-Serie "Aus gutem Grund" berechnen lassen und zunächst im Online-Shop ausgewiesen. Seit Ende Juni 2022 tragen ausgewählte Öle nun auch im Bio-Laden die Umweltkennzeichnung als Papiermanschette sichtbar um den Flaschenhals. Zeitgleich läuft eine Befragung unter der Kundschaft bezüglich der Akzeptanz des Planet-Scores.

Auch die Bohlsener Mühle hat alle ihre Produkte hinsichtlich der Klimawirkung mit dem Planet-Score bewerten lassen. Noch wird daran gearbeitet, die Umweltkennzeichnung auf die Verpackung zu integrieren. Sowohl die Produkte von Bio Planète als auch der Bohlsener Mühle erhielten die beste Bewertung "A" auf der Skala.

Der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) e.V. setzt sich in einem Positionspapier für den Planet-Score als Umweltkennzeichnung ein. Laut Kathrin Jäckel, Geschäftsführerin beim BNN, ist nur der Planet-Score derzeit in der Lage, eine umfassende und zugleich transparente Bewertung von Lebensmitteln vorzunehmen. Stichwort: Erweiterte Lebenszyklusanalyse.

Wie geht es in Deutschland weiter?

Der Handelsverband Lebensmittel (BVHL) hat derweil gemeinsam mit führenden Unternehmen des Lebensmittelhandels in Deutschland Eckpunkte für eine freiwillige Kennzeichnung der Umweltauswirkung von Lebensmitteln  formuliert. So ist die PEF-Methode zwar eine gute Grundlage, sie sollte aber weiterentwickelt werden, damit die Umweltleistung von Bio-Produkten entsprechend gewürdigt werden. Daneben sollte ein Bonus-Malus-Punktesystem für weitere Aspekte wie Biodiversität, Böden, Pflanzenschutz, Nachhaltigkeitsstandards, Umweltpraktiken der Staaten, Futtermittel, Regionalität und Verpackung eingeführt werden – ähnlich wie beim Eco-Score. Besondere Kategorien der Kennzeichnung könnten beispielsweise über einen Score-Wert herausgestellt werden, so der Verband.

An der Georg-August-Universität in Göttingen wird derweil am Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung in den kommenden zwei Jahren ein Klima-Label für Lebensmittel entwickelt  und erprobt. Das Label soll dabei so gestaltet werden, dass umweltfreundliche Konsum- und Produktionsmuster im Ernährungssektor gefördert werden. Es soll Verbraucherinnen und Verbraucher unterstützen

  • Transparenz über die Klimawirkungen von Ernährungsentscheidungen zu erlangen,
  • eine klimafreundliche Lebensmittelwahl zu treffen und
  • einen klimafreundlicheren Ernährungsstil umzusetzen.

Letzte Aktualisierung 26.07.2022

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