Transformationsprozesse bei Umstellung

Transformationsprozesse bei der Umstellung auf Bio in der AHV

Immer mehr Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung haben Erfahrungen damit, in ihrem Verpflegungsangebot einzelne Produkte oder Produktgruppen in Bioqualität einzusetzen. Aber wenn die Küchen einen Bioanteil von mehr als 50 Prozent anstreben oder vielleicht sogar auf 100 Prozent Bio umstellen möchten, braucht es mehr als nur den Austausch von Waren bzw. Lieferanten. Die hohen Bioanteile lassen sich nur dauerhaft erreichen, wenn etablierte Verhaltensmuster verändert werden und die beteiligten Personen dafür qualifiziert sind (oder werden). Das zeigen Erfahrungen aus Dänemark und vielen Großküchen mit konsequentem Biokonzept. Aber was heißt das konkret in der Praxis? Welche Prozesse spielen bei der Umstellung auf Bio jenseits der 50 Prozent-Marke eine entscheidende Rolle? Welche Strategien haben sich bewährt?

Umfrage unter Betriebskantinen

Auf der Basis dieser Leitfragen interviewte Peter Schmidt im Rahmen einer Masterarbeit an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde Küchenverantwortliche aus sechs Kantinen der Betriebsgastronomie. Alle Großküchen hatten in den letzten Jahren bereits erfolgreich Bioanteile in der Spanne von 60 bis nahezu 100 Prozent eingeführt. Nach den Ergebnissen der Interviews verlaufen die Veränderungsprozesse in den Küchen zwar zeitlich ganz unterschiedlich, da die Küchen von verschiedenen Ausgangspositionen ihren Weg beginnen. Aber im Prozess müssen sich die Agierenden mit ähnlichen Fragen und Inhalten auseinandersetzen. Aus der Zusammenschau der Erfahrungen lassen sich allgemeine Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen ableiten.

Basisdaten zur Stichprobe

  • Umfrage unter selbstkochenden Mischküchen
  • Anzahl der Mittagessen zwischen 300 und 2.000
  • durchschnittlicher Preis pro Mittagessen: 4,42 Euro
  • durchschnittlicher Bio-Anteil: 71,7 Prozent

Vision als Motivation und Kompass

In allen Einrichtungen gab es eine Person oder eine Gruppe, die mit einer Vision oder Leitidee den Prozess der Umstellung ins Rollen brachte. In vier von sechs Fällen waren diese Personen aus der Küchenleitung, in zwei Unternehmen Personen aus der Geschäftsführung. Zu Beginn spielte das eine gewisse, aber im weiteren Verlauf keine entscheidende Rolle. Wichtig ist, dass es eine Vision gibt, die wie ein Kompass die Richtung vorgibt. Nur wenn Menschen von einer Idee überzeugt sind, verfügen sie über den notwendigen langen Atem, um bei ersten Schwierigkeiten oder Stolpersteinen im Prozess nicht aufzugeben. Und solche Zweifel oder Rückschläge sind ganz normale Phasen in Prozessen der Veränderung. Damit die handelnden Personen nicht nur ein Strohfeuer entfachen, das schnell wieder erlischt, brauchen sie für sich gute Gründe und ein klares Ziel vor Augen.

Die Interviews brachten dazu ein interessantes Detail ans Licht: Der Aspekt der Nachhaltigkeit war gar nicht immer das wichtigste Argument für den Einsatz von mehr Bio; im Vordergrund stand vor allem die Frage, wie in der Gemeinschaftsverpflegung eine weitere Verbesserung der Produkt- und Prozessqualität erreicht werden kann. Die Erhöhung des Bioanteils wurde nicht als isoliertes Ziel gesehen, sondern war ein Baustein eines stimmigen Konzeptes zur Optimierung des Speiseangebots. Um sich für diese Herausforderungen zu stärken, haben sich Hospitationen in Küchen mit etabliertem Biokonzept bewährt. Die Küchenleitungen erhalten dabei nicht nur praxisnahe Einblicke in die Abläufe und Arbeitsweisen einer Bioküche, sondern können sich auf Augenhöhe mit anderen austauschen, neue Impulse und Motivation mitnehmen und ein Netzwerk an Kontakten aufbauen, das auch bei späteren Fragen hilfreich sein kann.

Kommunikation

Eine gute Kommunikation spielt für das Gelingen von Veränderungsprozessen eine zentrale Rolle. Aber das bedeutet viel mehr als nur "informieren". Kommunikation darf nicht einseitig sein, sie muss alle beteiligten Personen am Prozess der Umstellung beteiligen, darf diese aber auch nicht überfordern. Das betrifft zum einen die Tischgäste inklusive Betriebsrat, zum anderen das eigene Küchenteam und die Unternehmensleitung. Alle müssen wissen, was und warum es jetzt Veränderungen gibt. Beim Küchenteam stehen die Produkt- und die Prozessqualitäten im Vordergrund; bei den Tischgästen muss vor allem der Geschmack überzeugen. Oder anders gesagt: Eine Mittagsverpflegung mit hohem Bioanteil, aber Defiziten im Geschmack wird nicht funktionieren! Hintergründe über Herkunft und Nachhaltigkeit spielen zwar bei allen Zielgruppen eine Rolle, aber hier kommt es auf die richtige Dosierung an. Bewährt hat sich, erreichte Erfolge jeweils im Prozess der Umstellung zu kommunizieren. Positive Rückmeldungen sind ein zielführendes Element der Kommunikation, wie auch psychologische Studien zeigen.

Erfolgversprechende Schritte zuerst

Die Umstellung auf Bio ist ein langer Prozess, der aus vielen kleinen Schritten besteht. "Aber nur die Empfehlung, in kleinen Schritten vorzugehen, greift zu kurz", bilanziert Peter Schmidt die Erkenntnisse aus der Studie. "Die Küchen sollten mit den Maßnahmen beginnen, die am erfolgversprechendsten sind." Damit die erfolgreichen Schritte überwiegen, ist es sinnvoll, diese gut auszuwählen und überschaubar zu halten. Bewährt hat sich, einzelne Produkte oder Produktgruppen schrittweise auf Bio umzustellen. Das ist wie beim Bau eines Hauses: Erst wenn das Fundament steht, kann man darauf weitere Steine setzen. Im Vordergrund sollte nicht das schnelle Erhöhen der Bioquote stehen, sondern die nachhaltige - im wahrsten Sinne des Wortes! - Veränderung.

Kernprozesse in der Küche

Die Suche nach geeigneten Lieferantinnen und Lieferanten, die Auswahl der Produkte oder Produktgruppen in Bioqualität und die Bereitschaft, beides auch bei der Speiseplanung zu berücksichtigen, gehören zu den Kernprozessen in den Küchen. Die Erkenntnisse, die sich dafür aus den Interviews ableiten lassen, decken sich zum großen Teil mit den Empfehlungen, die im Ökolandbauportal an anderen Stellen zu finden sind.

Deshalb hier nur eine bemerkenswerte Erfahrungen aus den Interviews: Immer wieder betonten die Küchenleitungen die Bedeutung partnerschaftlicher und direkter Handelsbeziehungen zu regionalen Lieferanten. Daraus lassen sich jedoch keine pauschalen Empfehlungen für den Einzelfall ableiten. Die "richtige Lösung" hängt sehr stark von den bisherigen Beziehungen zu Lieferanten und den Angebotsstrukturen in der jeweiligen Region ab. So können die Küchen mit ihrem Nachfragepotenzial selbst Veränderungsprozesse anstoßen. Eine Küche überzeugte ihren Biogroßhändler, die erwünschten Produkte eines kleinen Biobetriebs mit in sein Sortiment aufzunehmen. Oder eine Kantine hat ihrem Lieferanten für Kartoffeln eine Schälmaschine finanziert und so den Aufwand für die Vorarbeiten ausgelagert. Am Ende ist das eine win-win-Situation für alle Beteiligten!

Flexibilität in der Speiseplanung

Die Analyse der Umstellungsprozesse hat gezeigt, dass eine gewisse Flexibilität in der Speiseplanung wichtig ist, um unvorhergesehene Herausforderungen zu meistern. Das kann der Fall sein, wenn die Biolebensmittel einmal nicht in der gewünschten Menge verfügbar sind, weil beispielsweise die Witterung den Erntezeitpunkt verschiebt oder der Kartoffelkäfer ein gutes Jahr hat. Aber darauf können sich Küchen einstellen und im Speiseplan allgemein "Gemüsebeilage" oder "Blattsalate" kommunizieren, anstatt im Vorfeld schon die konkrete Gemüse- oder Salatsorte anzukündigen. So bleibt Spielraum, in der Speiseplanung saisonal verfügbare Angebote zu berücksichtigen.

Qualifizierung des Küchenteams

Die Umstellung auf Bio kann nur gelingen, wenn sich das Küchenteam damit identifiziert und für die neuen Aufgaben qualifiziert wird. Hier zeigt sich wie in einem Brennglas, was Transformation bedeutet: Das Küchenteam führt nicht einfach nur Maßnahmen durch, sondern gestaltet mit hoher persönlicher Motivation diese Veränderungsprozesse mit. Dafür brauchen die Küchenkräfte die notwendigen Kompetenzen und eine angemessene Wertschätzung ihrer Arbeit. Wenn Küchen beispielsweise Convenienceprodukte ersetzen möchten, geht das nur mit dafür qualifiziertem Personal. An der Studie beteiligte Kantinen haben gute Erfahrungen damit gemacht, Fonds, Brühen und Soßen jetzt wieder selbst aus Knochen herzustellen, die bei der Ganztierverwertung anfallen, oder aus Gemüseresten, die bei der Verarbeitung von Gemüse entstehen. Das bringt neben einem Mehrwert für die Qualität auch Preisvorteile gegenüber gekauften Convenience-Produkten mit sich. Zudem stärken solche erfolgreich umgesetzten Innovationen die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sich auch weiter aktiv an den Veränderungsprozessen zu beteiligen.


Letzte Aktualisierung 30.12.2023

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