Bio-Anteile in Vergabeverfahren: Was ändert sich für Kommunen?

Bio-Produkte in Vergabeverfahren: Was ändert sich für Kommunen?

Seit 5. Oktober 2023 gilt die neue Bio-AHV-Verordnung. Das betrifft auch Kommunen, wenn sie in Vergabeverfahren für die Außer-Haus-Verpflegung Bio-Anteile fordern. Was ändert sich für sie durch die neue Rechtslage? Der Jurist und Vergaberechtsexperte Prof. Dr. Christopher Zeiss gibt Antworten im Interview mit Oekolandbau.de.

Oekolandbau.de: Wird es für die Kommunen mit der neuen Bio-AHV-Verordnung jetzt einfacher, Bio in Vergabeverfahren zu verankern?

Prof. Christopher Zeiss: Ja, auf jeden Fall. Mit der neuen Verordnung wird es für Kommunen leichter, in Vergabeverfahren für Verpflegungsdienstleistungen bestimmte Bio-Anteile zu fordern. Es kann ein Bio-Kennzeichen vorgegeben werden. Die Kontrolle obliegt dann der Kontrollstelle. Bisher hatten die ausschreibenden Stellen ja das Problem, wie die Einhaltung einer definierten Bio-Quote in der Praxis überprüft wird. Das wird jetzt deutlich einfacher.

Oekolandbau.de: Sie meinen, durch die neuen, nach Bio-Anteilen zu vergebenden Bio-Kennzeichen…

Prof. Christopher Zeiss: Ja, genau. Wenn eine Kommune beispielsweise bei Ausschreibungen zur Schul- oder Kita-Verpflegung einen Bio-Anteil der Stufe "Bronze" vorgibt, dann wird jetzt von der Kontrollstelle geprüft, ob ein Bio-Anteil von mindestens 20 Prozent gemessen am monetären Wareneinsatz eingehalten wird. Die Kommunen braucht sich keine eigenen Gedanken zur Qualitätssicherung mehr zu machen. AHV-Unternehmen, die die neuen Bio-Kennzeichen in Bronze, Silber oder Gold verwenden wollen, müssen in ihrem Warenwirtschaftssystem den erreichten Bio-Anteil selbst ermitteln. Die Kontrollstelle überprüft dann, ob dabei richtig gerechnet wurde und gibt den erreichten Bio-Standard im Zertifikat an.

Oekolandbau.de: Funktioniert das auch mit Bio-Anteilen, die nicht genau den Quoten für den Bronze-, Silber- oder Gold-Standard entsprechen?

Prof. Christopher Zeiss: Am einfachsten ist es, wenn eine Kommune sich an den in der Bio-AHV-Verordnung genannten Bio-Anteilen orientiert. Gibt die Kommune beispielsweise Stufe "Silber" vor, dann sind 50 Prozent Bio-Anteil garantiert, bei "Bronze" sind 20 Prozent Bio-Anteil sicher. Wenn ein Bio-Mindestanteil in einer Zwischenstufe gewünscht wird, also beispielsweise ein Bio-Anteil in Höhe von 30 Prozent, muss das AHV-Unternehmen mit seiner Kontrollstelle vorher klären, dass dieser genaue Anteil auch im Kontrollbericht so ausgewiesen wird. Sinnvoll ist in jedem Fall, wenn die Kommunen in den Ausschreibungsbedingungen fordern, dass eine Bestätigung der Öko-Kontrollstelle über den genau erreichten Bio-Anteil erforderlich ist. Wenn ein AHV-Unternehmen feststellt, dass es den erforderlichen Bio-Anteil über einen Monat hinaus nicht umsetzt, muss es dies der Kontrollstelle melden.

Oekolandbau.de: Das heißt im Klartext: Der Aufwand für die fortlaufende Qualitätssicherung liegt jetzt in erster Linie bei den Kontrollstellen und den AHV-Unternehmen?

Prof. Christopher Zeiss: Ja, aber es ist insgesamt eine sehr niederschwellige Möglichkeit, den Bio-Anteil vorzuschreiben. Dabei sind die Bronze-, Silber-, Gold-Stufen nicht nur für die Auftraggeber leicht festzuschreiben. Auch für AHV-Unternehmen ist das System vom Ansatz her niedrigschwellig – es ist keine "Weltraumtechnologie" notwendig. Der Bio-Anteil lässt sich im Warenwirtschaftssystem leicht errechnen, wenn das einmal eingerichtet ist. Das scheint mir auf Ebene der Buchhaltung keine große Hürde für die Gastronomie-Praxis zu sein.

Oekolandbau.de: Angesichts der aktuell immer noch hohen Preissteigerungen für Lebensmittel ist es für Catering-Unternehmen eine Herausforderung, auf Dauer wirtschaftlich zu arbeiten, wenn sie in Verträgen über eine bestimmte Laufzeit feste Preise garantieren. Das könnte auch den Einsatz von Bio in der Gemeinschaftsverpflegung bremsen, wenn beispielsweise Caterer sich aufgrund dieser Unsicherheiten nicht an Ausschreibungen beteiligen. Wie könnte man mit diesem Problem in Vergabeverfahren umgehen?

Prof. Christopher Zeiss: Aus rein juristischer Sicht ist dieses Problem lösbar. Man könnte in die Verträge für Verpflegungsdienstleistungen eine Gleitklausel für die Vergütung der Leistungen einbauen. So könnte man vorsehen, dass eine Anpassung der Speisepreise vorgenommen wird, wenn bei bestimmten Preisindizes für Lebensmittel eine zu definierende Preissteigerung überschritten wird. Für die meisten kalkulationsrelevanten Lebensmittel gibt es entsprechende konkrete Indizes in der Genesis-Datenbank des Statistischen Bundesamts, beispielsweise für Kartoffeln. Keinesfalls darf die Steigerung jedoch an allgemeine Preisindizes – wie den Verbraucherpreis-Index – gekoppelt werden. Dies ist durch das Preisklausel-Gesetz verboten. Juristisch ist die Preissteigerungs-Thematik also lösbar. Allerdings muss am Ende dann politisch auch jemand bereit sein, mehr Geld für die Verpflegung auszugeben. Ich persönlich würde es für sinnvoll erachten, wenn solche Preissteigerungen dann von der öffentlichen Hand übernommen werden Gerade in der Schul- und Kita-Verpflegung dürfen wir die Last der Preissteigerung nicht allein den Eltern und Kindern aufladen – dies wäre unsozial!

Bio-Anteile nach Brutto- oder Netto-Preisen?

Bisher war es bei Ausschreibungen grundsätzlich möglich, eine Berechnung der gewünschten Bio-Anteile nach Gewicht beziehungsweise nach Litern oder nach dem geldwerten Anteil beim Wareneinkauf vorzugeben. In der Praxis haben sich schon jetzt die meisten bioaffinen Kommunen dafür entschieden, die Prozente nach dem monetären Wareneinsatz zu berechnen. Das nimmt auch die neue Bio-AHV-Verordnung jetzt als Maßstab.

Aber was heißt das genau? Die Netto- oder die Brutto-Preise? Das ergibt sich aus den Aufzeichnungspflichten bei der Auszeichnung des Bio-Anteils, die in § 12 der Bio-AHV-Verordnung beschrieben werden. Dort wird gefordert, den Netto-Gesamtbetrag aller ökologischer Zutaten zu dokumentieren. Damit fallen Effekte unterschiedlicher Mehrwertsteuersätze nicht ins Gewicht. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Speisen vor Ort zubereitet und ausgegeben oder nur angeliefert werden oder bei Getränken und Lebensmitteln. Wenn Kommunen das in der Leistungsbeschreibung gleich korrekt definieren, dient das der Klarstellung.


Letzte Aktualisierung 02.04.2024

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